Allegorischer, symbolischer, mystischer Gebrauch der Farbe
Es ist oben umständlich nachgewiesen worden, dass eine jede Farbe einen besondern Eindruck auf den Menschen mache und dadurch ihr Wesen sowohl dem Auge als Gemüt offenbare. Daraus folgt sogleich, dass die Farbe sich zu gewissen sinnlichen, sittlichen, ästhetischen Zwecken anwenden lasse.
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Einen solchen Gebrauch also, der mit der Natur völlig übereinträfe, könnte man den symbolischen nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemäss angewendet würde und das wahre Verhältnis sogleich die Bedeutung ausspräche. Stellt man zum Beispiel den Purpur als die Majestät bezeichnend auf, so wird wohl kein Zweifel sein, dass der rechte Ausdruck gefunden worden, wie sich alles dieses schon oben hinreichend auseinandergesetzt findet.
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Hiermit ist ein anderer Gebrauch nahe verwandt, den man den allegorischen nennen könnte. Bei diesem ist mehr Zufälliges und Willkürliches, ja man kann sagen etwas Konventionelles, indem uns erst der Sinn des Zeichens überliefert werden muss, ehe wir wissen, was es bedeuten soll, wie es sich zum Beispiel mit der grünen Farbe verhält, die man der Hoffnung zugeteilt hat.
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Dass zuletzt auch die Farbe eine mystische Deutung erlaube, lässt sich wohl ahnden. Denn da jenes Schema, worin sich die Farbenmannigfaltigkeit darstellen lässt, solche Urverhältnisse andeutet, die sowohl der menschlichen Anschauung als der Natur angehören, so ist wohl kein Zweifel, dass man sich ihrer Bezüge, gleichsam als einer Sprache, auch da bedienen könne, wenn man Urverhältnisse ausdrücken will, die nicht ebenso mächtig und mannigfaltig in die Sinne fallen. Der Mathematiker schätzt den Wert und Gebrauch des Triangels; der Triangel steht bei dem Mystiker in grosser Verehrung; gar manches lässt sich im Triangel schematisieren und die Farbenerscheinung gleichfalls, und zwar dergestalt, dass man durch Verdopplung und Verschränkung zu dem alten geheimnisvollen Sechseck gelangt.
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Wenn man erst das Auseinandergehen des Gelben und Blauen wird recht gefasst, besonders aber die Steigerung ins Rote genugsam betrachtet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich gegeneinander neigt, und sich in einem Dritten vereinigt, dann wird gewiss eine besondere geheimnisvolle Anschauung eintreten, dass man diesen beiden getrennten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung unterlegen könne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwärts das Grün und oberwärts das Rot hervorbringen sieht, dort an die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten der Elohim zu gedenken.
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Doch wir tun besser, uns nicht noch zum Schlusse dem Verdacht der Schwärmerei auszusetzen, um so mehr als es, wenn unsre Farbenlehre Gunst gewinnt, an allegorischen, symbolischen und mystischen Anwendungen und Deutungen, dem Geiste der Zeit gemäss, gewiss nicht fehlen wird.