Würmer, Insekten, Fische

LII.

636.
Von den Tieren, welche auf den niedern Stufen der Organisation verweilen, sei hier vorläufig folgendes gesagt. Die Würmer, welche sich in der Erde aufhalten, der Finsternis und der kalten Feuchtigkeit gewidmet sind, zeigen sich mißfärbig; die Eingeweidewürmer von warmer Feuchtigkeit im Finstern ausgebrütet und genährt, unfärbig; zu Bestimmung der Farbe scheint ausdrücklich Licht zu gehören.

637.
Diejenigen Geschöpfe, welche im Wasser wohnen, welches als ein obgleich sehr dichtes Mittel dennoch hinreichendes Licht hindurchläßt, erscheinen mehr oder weniger gefärbt. Die Zoophyten, welche die reinste Kalkerde zu beleben scheinen, sind meistenteils weiß; doch finden wir die Korallen bis zum schönsten Gelbrot hinaufgesteigert, welches in andern Wurmgehäusen sich bis nahe zum Purpur hinanhebt.

638.
Die Gehäuse der Schaltiere sind schön gezeichnet und gefärbt; doch ist zu bemerken, dass weder die Landschnecken, noch die Schale der Muscheln des süßen Wassers mit so hohen Farben geziert sind als die des Meerwassers.

639.
Bei Betrachtung der Muschelschalen, besonders der gewundenen, bemerken wir, dass zu ihrem Entstehen eine Versammlung unter sich ähnlicher tierischer Organe sich wachsend vorwärts bewegte, und indem sie sich um eine Axe drehten, das Gehäuse durch eine Folge von Riefen, Rändern, Rinnen und Erhöhungen, nach einem immer sich vergrößernden Maßstab, hervorbrachten. Wir bemerken aber auch zugleich, dass diesen Organen irgendein mannigfaltig färbender Saft beiwohnen musste, der die Oberfläche des Gehäuses, wahrscheinlich durch unmittelbare Einwirkung des Meerwassers, mit farbigen Linien, Punkten, Flecken und Schattierungen epochenweis bezeichnete und so die Spuren seines steigenden Wachstums auf der Außenseite dauernd hinterließ, indes die innere meistens weiß oder nur blassgefärbt angetroffen wird.

640.
Dass in den Muscheln solche Säfte sich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugsam, indem sie uns dieselben noch in ihrem flüssigen und färbenden Zustande darbietet, wovon der Saft des Tintenfisches ein Zeugnis gibt; ein weit stärkeres aber derjenige Purpursaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von altersher so berühmt ist und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es gibt nämlich unter den Eingeweiden mancher Würmer, welche sich in Schalgehäusen aufhalten, ein gewisses Gefäß, das mit einem roten Safte gefüllt ist. Dieser enthält ein sehr stark und dauerhaft färbendes Wesen, so dass man die ganzen Tiere zerknirschen, kochen und aus dieser animalischen Brühe doch noch eine hinreichend färbende Feuchtigkeit herausnehmen konnte. Es lässt sich aber dieses farbgefüllte Gefäß auch von dem Tiere absondern, wodurch denn freilich ein konzentrierterer Saft gewonnen wird.

641.
Dieser Saft hat das Eigene, dass er, dem Licht und der Luft ausgesetzt, erst gelblich, dann grünlich erscheint, dann ins Blaue, von da ins Violette übergeht, immer aber ein höheres Rot annimmt und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, besonders wenn er auf Batist aufgetragen worden, eine reine hohe rote Farbe annimmt.

642.
Wir hätten also hier eine Steigerung von der Minusseite bis zur Kulmination, die wir bei den unorganischen Fällen nicht leicht gewahr wurden; ja wir können diese Erscheinung beinahe ein Durchwandern des ganzen Kreises nennen, und wir sind überzeugt, dass durch gehörige Versuche wirklich die ganze Durchwanderung des Kreises bewirkt werden könne: denn es ist wohl kein Zweifel, dass sich durch wohl angewendete Säuren der Purpur vom Kulminationspunkte herüber nach dem Scharlach führen ließe.

643.
Diese Feuchtigkeit scheint von der einen Seite mit der Begattung zusammenzuhängen, ja sogar finden sich Eier, die Anfänge künftiger Schaltiere, welche ein solches färbendes Wesen enthalten. Von der andern Seite scheint aber dieser Saft auf das bei höher stehenden Tieren sich entwickelnde Blut zu deuten. Denn das Blut lässt uns ähnliche Eigenschaften der Farbe sehen. In seinem verdünntesten Zustande erscheint es uns gelb, verdichtet, wie es in den Adern sich befindet, rot, und zwar zeigt das arterielle Blut ein höheres Rot, wahrscheinlich wegen der Säurung, die ihm beim Atemholen widerfährt; das venöse Blut geht mehr nach dem Violetten hin und zeigt durch diese Beweglichkeit auf jenes uns genugsam bekannte Steigern und Wandern.

644.
Sprechen wir, ehe wir das Element des Wassers verlassen, noch einiges von den Fischen, deren schuppige Oberfläche zu gewissen Farben öfters teils im ganzen, teils streifig, teils fleckenweis spezifiziert ist, noch öfter ein gewisses Farbenspiel zeigt, das auf die Verwandtschaft der Schuppen mit den Gehäusen der Schaltiere, dem Perlemutter, ja selbst der Perle hinweist. Nicht zu übergehen ist hierbei, dass heißere Himmelsstriche, auch schon in das Wasser wirksam, die Farben der Fische hervorbringen, verschönern und erhöhen.

645.
Auf Otahiti bemerkte Forster Fische, deren Oberflächen sehr schön spielten, besonders im Augenblick, da der Fisch starb. Man erinnre sich hierbei des Chamäleons und andrer ähnlichen Erscheinungen, welche dereinst zusammengestellt diese Wirkungen deutlicher erkennen lassen.

646.
Noch zuletzt, obgleich außer der Reihe, ist wohl noch das Farbenspiel gewisser Mollusken zu erwähnen, sowie die Phosphoreszenz einiger Seegeschöpfe, welche sich auch in Farben spielend verlieren soll.

647.
Wenden wir nunmehr unsre Betrachtung auf diejenigen Geschöpfe, welche dem Licht und der Luft und der trocknen Wärme angehören, so finden wir uns freilich erst recht im lebendigen Farbenreiche. Hier erscheinen uns an trefflich organisierten Teilen die Elementarfarben in ihrer größten Reinheit und Schönheit. Sie deuten uns aber doch, dass eben diese Geschöpfe noch auf einer niedern Stufe der Organisation stehen, eben weil diese Elementarfarben noch unverarbeitet bei ihnen hervortreten können. Auch hier scheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieser Erscheinung beizutragen.

648.
Wir finden Insekten, welche als ganz konzentrierter Farbenstoff anzusehen sind, worunter besonders die Coccusarten berühmt sind; wobei wir zu bemerken nicht unterlassen, dass ihre Weise, sich an Vegetabilien anzusiedeln, ja in dieselben hineinzunisten, auch zugleich jene Auswüchse hervorbringt, welche als Beizen zu Befestigung der Farben so große Dienste leisten.

649.
Am auffallendsten aber zeigt sich die Farbengewalt, verbunden mit regelmäßiger Organisation, an denjenigen Insekten, welche eine vollkommene Metamorphose zu ihrer Entwicklung bedürfen, an Käfern, vorzüglich aber an Schmetterlingen.

650.
Diese letztern, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen könnte, zeigen schon in ihrem Raupenzustand oft die schönsten Farben, welche, spezifiziert wie sie sind, auf die künftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung, die wenn sie künftig weiter verfolgt wird, gewiss in manches Geheimnis der Organisation eine erfreuliche Einsicht gewähren muss.

651.
Wenn wir übrigens die Flügel des Schmetterlings näher betrachten und in seinem netzartigen Gewebe die Spuren eines Armes entdecken, und ferner die Art, wie dieser gleichsam verflächte Arm durch zarte Federn bedeckt und zum Organ des Fliegens bestimmt worden, so glauben wir ein Gesetz gewahr zu werden, wonach sich die große Mannigfaltigkeit der Färbung richtet, welches künftig näher zu entwickeln sein wird.

652.
Dass auch überhaupt die Hitze auf Größe des Geschöpfes, auf Ausbildung der Form, auf mehrere Herrlichkeit der Farben Einfluß habe, bedarf wohl kaum erinnert zu werden.