Pflanzen

LI.

617.
Man kann die Farben organischer Körper überhaupt als eine höhere chemische Operation ansehen, weswegen sie auch die Alten durch das Wort Kochung (pepsis) ausgedrückt haben. Alle Elementarfarben sowohl als die gemischten und abgeleiteten kommen auf der Oberfläche organischer Naturen vor, dahingegen das Innere, man kann nicht sagen, unfärbig, doch eigentlich mißfärbig erscheint, wenn es zutage gebracht wird. Da wir bald an einem andern Orte von unsern Ansichten über organische Natur einiges mitzuteilen denken, so stehe nur dasjenige hier, was früher mit der Farbenlehre in Verbindung gebracht war, indessen wir zu jenen besondern Zwecken das Weitre vorbereiten. Von den Pflanzen sei also zuerst gesprochen.

618.
Die Samen, Bulben, Wurzeln und was überhaupt vom Lichte ausgeschlossen ist oder unmittelbar von der Erde sich umgeben befindet, zeigt sich meistenteils weiß.

619.
Die im Finstern aus Samen erzogenen Pflanzen sind weiß oder ins Gelbe ziehend. Das Licht hingegen, indem es auf ihre Farben wirkt, wirkt zugleich auf ihre Form.

620.
Die Pflanzen, die im Finstern wachsen, setzen sich von Knoten zu Knoten zwar lange fort; aber die Stengel zwischen zwei Knoten sind länger als billig; keine Seitenzweige werden erzeugt und die Metamorphose der Pflanzen hat nicht statt.

621.
Das Licht versetzt sie dagegen sogleich in einen tätigen Zustand, die Pflanze erscheint grün, und der Gang der Metamorphose bis zur Begattung geht unaufhaltsam fort.

622.
Wir wissen, dass die Stengelblätter nur Vorbereitungen und Vorbedeutungen auf die Blumen- und Fruchtwerkzeuge sind; und so kann man in den Stengelblättern schon Farben sehen, die von weitem auf die Blume hindeuten, wie bei den Amaranten der Fall ist.

623.
Es gibt weiße Blumen, deren Blätter sich zur größten Reinheit durchgearbeitet haben, aber auch farbige, in denen die schöne Elementarerscheinung hin und wieder spielt. Es gibt deren, die sich nur teilweise vom Grünen auf eine höhere Stufe losgearbeitet haben.

624.
Blumen einerlei Geschlechts, ja einerlei Art, finden sich von allen Farben. Rosen und besonders Malven zum Beispiel gehen einen großen Teil des Farbenkreises durch, vom Weißen ins Gelbe, sodann durch das Rotgelbe in den Purpur, und von da in das Dunkelste, was der Purpur, indem er sich dem Blauen nähert, ergreifen kann.

625.
Andere fangen schon auf einer höhern Stufe an, wie zum Beispiel die Mohne, welche von dem Gelbroten ausgehen und sich in das Violette hinüberziehen.

626.
Doch sind auch Farben bei Arten, Gattungen, ja Familien und Klassen, wo nicht beständig, doch herrschend, besonders die gelbe Farbe: die blaue ist überhaupt seltner.

627.
Bei den saftigen Hüllen der Frucht geht etwas Ähnliches vor, indem sie sich von der grünen Farbe durch das Gelbliche und Gelbe bis zu dem höchsten Rot erhöhen, wobei die Farbe der Schale die Stufen der Reife andeutet. Einige sind ringsum gefärbt, einige nur an der Sonnenseite, in welchem letzten Falle man die Steigerung des Gelben ins Rote durch größere An- und Übereinanderdrängung sehr wohl beobachten kann.

628.
Auch sind mehrere Früchte innerlich gefärbt, besonders sind purpurrote Säfte gewöhnlich.

629.
Wie die Farbe sowohl oberflächlich auf der Blume als durchdringend in der Frucht sich befindet, so verbreitet sie sich auch durch die übrigen Teile, indem sie die Wurzeln und die Säfte der Stengel färbt, und zwar mit sehr reicher und mächtiger Farbe.

630.
So geht auch die Farbe des Holzes vom Gelben durch die verschiedenen Stufen des Roten bis ins Purpurfarbene und Braune hinüber. Blaue Hölzer sind mir nicht bekannt, und so zeigt sich schon auf dieser Stufe der Organisation die aktive Seite mächtig, wenn in dem allgemeinen Grün der Pflanzen beide Seiten sich balancieren mögen.

631.
Wir haben oben gesehen, dass der aus der Erde dringende Keim sich mehrenteils weiß und gelblich zeigt, durch Einwirkung von Licht und Luft aber in die grüne Farbe übergeht. Ein Ähnliches geschieht bei jungen Blättern der Bäume, wie man zum Beispiel an den Birken sehen kann, deren junge Blätter gelblich sind und beim Auskochen einen schönen gelben Saft von sich geben. Nachher werden sie immer grüner, so wie die Blätter von andern Bäumen nach und nach in das Blaugrüne übergehen.

632.
So scheint auch das Gelbe wesentlicher den Blättern anzugehören als der blaue Anteil: denn dieser verschwindet im Herbste, und das Gelbe des Blattes scheint in eine braune Farbe übergegangen. Noch merkwürdiger aber sind die besonderen Fälle, da die Blätter im Herbste wieder rein gelb werden und andre sich bis zu dem höchsten Rot hinaufsteigern.

633.
Übrigens haben einige Pflanzen die Eigenschaft, durch künstliche Behandlung fast durchaus in ein Farbematerial verwandelt zu werden, das so fein, wirksam und unendlich teilbar ist als irgendein anderes. Beispiele sind der Indigo und Krapp, mit denen so viel geleistet wird. Auch werden Flechten zum Färben benutzt.

634.
Diesem Phänomen steht ein anderes unmittelbar entgegen, dass man nämlich den färbenden Teil der Pflanzen ausziehen und gleichsam besonders darstellen kann, ohne dass ihre Organisation dadurch etwas zu leiden scheint. Die Farben der Blumen lassen sich durch Weingeist ausziehen und tingieren denselben; die Blumenblätter dagegen erscheinen weiß.

635.
Es gibt verschiedene Bearbeitungen der Blumen und ihrer Säfte durch Reagenzien. Dieses hat Boyle in vielen Experimenten geleistet. Man bleicht die Rosen durch Schwefel und stellt sie durch andre Säuren wieder her. Durch Tobaksrauch werden die Rosen grün.