Farbenbenennungen der Griechen und Römer

Die Alten lassen alle Farbe aus Weiß und Schwarz, aus Licht und Finsternis entstehen. Sie sagen, alle Farben fallen zwischen Weiß und Schwarz und seien aus diesen gemischt. Man muß aber nicht wähnen, daß sie hierunter eine bloß atomistische Mischung verstanden, ob sie sich gleich an schicklichen Orten des Wortes mixis (Vermischung) bedienen, dagegen sie an den bedeutenden Stellen, wo sie eine Art Wechselwirkung beider Gegensätze ausdrücken wollen, das Wort krasis (Mischung), sygkrisis (Vereinigung) gebrauchen; so wie sie denn überhaupt sowohl Licht und Finsternis als die Farben untereinander sich temperieren lassen, wofür das Wort kerannusthai (vereinigen) vorkommt; wie man sich davon aus den bisher übersetzten und mitgeteilten Stellen überzeugen kann.
Sie geben die Farbengeschlechter verschieden, einige zu sieben, andre zu zwölfen an, doch ohne sie vollständig aufzuzählen.
Aus der Betrachtung ihres Sprachgebrauchs, sowohl des griechischen als römischen, ergibt sich, daß sie generelle Benennungen der Farben statt der speziellen und umgekehrt diese statt jener setzen.
Ihre Farbenbenennungen sind nicht fix und genau bestimmt, sondern beweglich und schwankend, indem sie nach beiden Seiten auch von angrenzenden Farben gebraucht werden. Ihr Gelbes neigt sich einerseits ins Rote, andrerseits ins Blaue, das Blaue teils ins Grüne, teils ins Rote, das Rote bald ins Gelbe, bald ins
Blaue; der Purpur schwebt auf der Grenze zwischen Rot und Blau und neigt sich bald zum Scharlach, bald zum Violetten.
Indem die Alten auf diese Weise die Farbe als ein nicht nur an sich Bewegliches und Flüchtiges ansehen, sondern auch ein Vorgefühl der Steigerung und des Rückganges haben: so bedienen sie sich, wenn sie von den Farben reden, auch solcher Ausdrücke, welche diese Anschauung andeuten. Sie lassen das Gelbe röteln, weil es in seiner Steigerung zum Roten führt, oder das Rote gelbeln, indem es sich oft zu diesem seinen Ursprunge zurück neigt.
Die so spezifizierten Farben lassen sich nun wiederum ramifizieren. Die in der Steigerung begriffene Farbe kann, auf welchem Punkte man sie festhalten will, durch ein stärkeres Licht diluiert, durch einen Schatten verfinstert, ja in sich selbst vermehrt und zusammengedrängt werden. Für die dadurch entstehenden Nuancen werden oft nur die Namen der Spezies, auch wohl nur das Genus überhaupt, angewendet.
Die gesättigten, in sich gedrängten und noch dazu schattigen Farben werden zur Bezeichnung des Dunklen, Finstern, Schwarzen überhaupt gebraucht, sowie im Fall, daß sie ein gedrängtes Licht zurückwerfen, für leuchtend, glänzend, weiß oder hell.
Jede Farbe, welcher Art sie sei, kann von sich selbst eingenommen, in sich selbst vermehrt, überdrängt, gesättigt sein und wird in diesem Falle mehr oder weniger dunkel erscheinen. Die Alten nennen sie alsdann suasum pepeismenon (in sich gesättigt), in se consumptum (in sich selbst verschwendet), plenum (voll), saturum katakores (satt), meracum akraton (unvermischt), pressum bary (schwer, gedrängt), adstrictum (zusammengezogen), triste (finster), austerum austêron (dunkel), amarum pikron (bitter, unangenehm), nubilum amauron (umwölkt, düster), profundum bathy (tief, unmäßig).
Sie kann ferner diluiert und in einer gewissen Blässe erscheinen; insofern nennt man sie dilutum (verdünnt), liquidum hydares (wässrig, hell), pallidum ekleukon (blaß).
Bei aller Sättigung kann die Farbe dennoch von vielem Lichte strahlen und dasselbe zurückwerfen; dann nennt man sie clarum lampron (glänzend), candidum (strahlend), acutum oxy (hell, stechend), excitatum (heftig, stark), laetum (üppig, blühend), hilare (heiter), vegetum (belebt), floridum euanthes, anthêron (blühend). Sämtliche Benennungen geben die besondern Anschauungen durch andre symbolische vermittelnd wieder.
Wir haben nunmehr noch die generellen Benennun gen der Farbe, samt den spezifischen, die ihre Sphäre ausmachen, anzugeben.
Fangen wir von der untersten Stufe an, wo das Licht so alteriert erscheint, daß es die besondre Emp findung dessen, was wir Farbe nennen, erregt, so treffen wir daselbst zuerst ôchron (blaß), dann xanthon (gelb, gelblich), fer ner pyrrhon (feuerfarbig, rot), dann erythron (rot, rötlich), sodann phoinikoun (purpurrot), zu letzt porphyroun (purpurfarbig) an. Im gemeinen wie im poetischen Sprachgebrauch finden wir herauf- und herabwärts öfter ein Genus für das andre gesetzt. Das porphy roun (purpurfarbig) steigt abwärts in das halourges (mit Meerpurpur gefärbt), kyanoun coeruleum (blau), glaukon caesium (blaugrau), und schließt sich durch die ses an das prasinon porraceum (lauchfarbig), poôdes herbidum (grasgrün), und zuletzt an das chlôron viride (hellgrün) an, das sowohl ein mit Blau vermischtes Gelb, das ist ein Grünes, als das reine Gelb anzeigt und so das Ende des Farbenkreises mit dem Anfange verbindet und zuschließt.
Die Farbenbenennungen, welche die weiteste Sphä re haben, sind vorzüglich folgende:
Xanthon geht vom Strohgelben und Hellblonden durch das Goldgelbe, Braungelbe bis ins Rotgelbe, Gelbrote, sogar in den Scharlach.
Darunter gehören als Spezies ôchron, thapsinon, kirrhon, chitrinon, knêkon, mêlinon, mêlops, si tochpoun, xouthon, pyrrhon, chrysoeides, hêliôdes, phlogoeides, oinôdes, krokoeides etc. Im Lateinischen buxeum (buchsbaumfarbig, gelblich), melleum (honigfarbig), cereum (wachsgelb), fla vum (goldgelb), fulvum (rotgelb, braun), helvum (honiggelb, isabellfarbig), galbinum (grüngelb), aureum (golden), croceum (safrangelb), igneum (feuerfarbig), luteum (rosenfarbig), melinum (honigfarbig), gilvum (honigfarbig, isabellfarbig), roseum (rot), adustum (bräunlich), russum (rot), rufum (lichtrot, fuchsrot).
Erythron rufum, welches nach Gellius das Ge schlechtswort aller roten Farbe ist, begreift unter sich, von xanthon (gelblich, gelb), pyrrhon (feuerfarbig) an, alles was rot ist und braun, welches zum Gelben oder Roten neigt, bis zum Pur pur. Im Lateinischen rufum (lichtrot, fuchsrot), russum (rot), rubrum (rot), rutilum (rötlich, goldgelb), rubicundum (hochrot), spadix (dattelfarbig), badium (kastanienbraun), phoinikoun puniceum (purpurrot), (ponceau, coquelicot, nacarat), coccineum Scharlach, hysginon, welches nach Plinius zwischen purpureum und coccineum liegt und wahrscheinlich cramoisi Karmesin ist; zuletzt purpureum porphyroun, das vom Rosenroten an durchs Blut- und Braunrote bis ins Blaurote halourges und Violette übergeht.
Kyaneon geht vom Himmelblauen bis ins Dunkel- und Schwarzblaue, Violette, und Violettpurpurne. Ebenso coeruleum, das sogar ins Dunkelgrüne und Blaugrüne glaukon, wie in das caesium Katzengrüne übergeht.
Darunter fallen aerizon (luftblau), aeroeides aërium (luftfarbig, luftblau), coe linum (himmelblau), ouranoeides (himmelfarbig), hyakinthinon (hyazinthenfarbig, violett), ferrugineum (stahlblau, eisengrau), oinôpon (weinfarbig), amethystinon (amethystfarbig), thalassinum (meergrün), vitreum (glashell), venetum (seefarbig, bläulich), glaukon (hell, (grau)bläulich), das aus dem Blaugrünen und Kat zengrünen ins bloße Graue übergeht, und noch das charopon (gräulich, graublau) und ravum (graugelb) unter sich begreift.
Chlôron (grünlich-gelb) geht aus der einen Seite ins Gelbe, aus der andern ins Grüne. Ebenso viride (grünlich), das nicht nur ins Gelbe, sondern auch ins Blaue geht.
Darunter fallen poôdes herbidum (grasgrün), prasinon porra ceum (lauchfarbig), aerugineum iôdes (grünspanfarbig), smaragdinon vitreum (glashell), isatôdes venetum (seefarbig, bläulich).
Aus der Mischung von Schwarz und Weiß gehen, nach Aristoteles und Platon, hervor: das phaion, wel ches auch myinon erklärt wird, also Grau.
Ferner pellos, pelios, polios, pullus sowohl schwärzlich als weißlich, je nachdem die Anforderung an das Weiße oder an das Schwarze gemacht wird.
Ferner tephron aschfarben, und spodion, welches isabellfarben erklärt wird, wahrscheinlich gris cendré; drückt aber auch Eselsfarbe aus, welche an den Spit zen der Haare in ein pyrrhon, mehr oder weniger Gelbbraunes, ausläuft.
Aus verbranntem Purpur und Schwarz entsteht, nach eben diesen beiden, das orphninon, die Farbe des Rauchtopases, welches, wie im Lateinischen das verwandte furvum (finster, schwarz), oft nur in der allgemeinen Bedeu tung des Schwarzen und Dunkeln gebraucht wird.
In dieses, nach unsern theoretischen Einsichten nunmehr im Allgemeinen aufgestellte Schema lassen sich die übrigen allenfalls noch vorzufindenden Aus drücke leicht einordnen; wobei sich mehr und mehr ergeben wird, wie klar und richtig die Alten das Außer ihnen gewahr geworden, und wie sehr, als na turgemäß, ihr Aussprechen des Erfahrenen und ihre Behandlung des Gewußten zu schätzen sei.