Franciscus Maria Grimaldi

geboren 1613, gestorben 1663

Er stammte aus einem alten berühmten Geschlechte und zwar von dem Zweige desselben, der zu Bologna blühte. Er scheint seine erste Bildung in den Jesuitenschulen erhalten zu haben; besonders befleißigte er sich der Mathematik und der damals innigst mit ihr verbundenen Naturlehre.
Nachdem er in den Orden getreten, ward er Professor der Mathematik zu Bologna und zeigte sich als einen in seinem Fache sehr geübten Mann, kenntnisreich, scharfsinnig, fleißig, pünktlich, unermüdet. Als einen solchen rühmt ihn Riccioli in der Dedikation seines Almagest und preist ihn als einen treuen Mitarbeiter. Sein Werk, wodurch er uns bekannt, wodurch er überhaupt berühmt geworden, führt den Titel: Physico- Mathesis de Lumine, Coloribus et Iride, Bononiae 1665. Man bemerke, daß auch hier nur des Lichts und nicht des Schattens erwähnt ist, und erwarte, daß Grimaldi sich als ein solcher zeigen werde, der die Farbenerscheinungen aus dem Licht entwickelt.
Hier haben wir nun das dritte Werk in unserm Fache, das sich von einem jesuitischen Ordensgeistlichen herschreibt. Wenn Aguilonius sorgfältig und umständlich, Kircher heiter und weitläuftig ist, so muß man den Verfasser des gegenwärtigen Buchs höchst konsequent nennen. Es ist reich in Absicht auf  Erfahrungen und Experimente, ausführlich und methodisch in seiner Behandlung, und man sieht wohl, daß der Verfasser in allen Subtilitäten der Dialektik sehr geübt ist.
Vor allem aber ist zu bemerken, daß Form und Darstellung problematisch, ja ironisch sind, welches einer so ernsten folgerechten Arbeit eine ganz wunderliche Wendung gibt. Galilei hatte sich schon  einer ähnlichen Wendung bedient, in den Dialogen,  wegen welcher er von den Jesuiten so heftig verfolgt  wurde. Hier bedient sich ein Jesuit, nach etwa zwan zig Jahren, desselben Kunstgriffs. Im ersten Buch, das 472 gespaltene Quartseiten stark ist, tut er alles mögliche, um zu zeigen, daß das Licht eine Substanz sei;  im zweiten Buch, welches nur 63 gespaltene Seiten  enthält, widerlegt er scheinbar seine vorige Meinung  und verklausuliert diese Widerlegung aufs neue der gestalt, daß er sie völlig vernichtet. Auch darf man  nur die Vorrede des Ganzen und den Schluß des er sten Teils lesen, so fällt seine Absicht schon deutlich  genug in die Augen. Bei allen diesen Verwahrungen  zaudert er, das Werk herauszugeben, das bei seinem Tode völlig fertig liegt, wie es denn auch drei Jahre  nach demselben, und soviel sich bemerken läßt, ohne  Verstümmlung erscheint.
Indem er nun das Licht als Substanz behandelt, so  finden wir ihn auf dem Wege, auf dem wir Cartesius,  De la Chambre und Vossius wandeln sahen, nur be tritt er denselben mit mehr Ernst und Sicherheit und  zugleich mit mehr Vorsicht und Zartheit. Seine Natur kenntnis überhaupt ist höchst schätzenswert. Erfah rungen und Versuche, diese Gegenstände betreffend,  sind vor ihm von keinem so vollständig zusammenge bracht worden, Freilich stellt er sie alle zurecht, um  seine Erklärungsart zu begründen, doch kann man  ihm nachsagen, daß er keine Erfahrung, keinen Ver such entstelle, um ihn seiner Meinung anzupassen. Das Licht ist ihm also eine Substanz, im physi schen Sinne eine Flüssigkeit, die er jedoch aufs äußer ste zu verfeinern sucht. Durch Beispiele und Gleich nisse will er uns von der Zartheit eines so subtilen  materiellen Wesens, das gleichsam nur wie ein geisti ger Aushauch wirkt, überzeugen. Er führt die Lehre  vom Magneten zu diesem Zwecke umständlich durch,  bringt die Fälle von unendlicher Teilbarkeit der  Farbe, äußerster Duktilität der Metalle und derglei chen vor, nimmt den Schall, und was er sonst noch brauchen kann, zu Hülfe, um unsre Kenntnisse durch  Erinnerungen auf einen Punkt zu sammeln und unsre  Einbildungkraft anzuregen.
Man hatte bisher drei Arten, in welchen sich das  Licht verbreite, angenommen: die direkte, refrakte, reflexe, wozu er noch die inflexe hinzusetzt, welche er  sogleich in Rücksicht seiner hypothetischen Zwecke  die diffrakte nennt.
Jene verschiednen Arten der Lichtfortpflanzung zu  erklären und andere dabei vorkommende Phänomene  auszulegen gibt er seiner feinen Flüssigkeit eine ver schiedene innere Disposition. Und so wird denn die sem wirksamen Wesen ein Fließen (fluidatio), ein  Wogen (undulatio, undatio), ein Regen und Bewegen (agitatio), ein Wälzen (volutatio) zugeschrieben.
Durchsichtigen Körpern wird eine continua porositas zugeeignet, welches eigentlich eine contradictio in adiecto ist, woran sich erkennen läßt, wie leicht man mit Worten das Unmögliche und Ungehörige als ein Mögliches, Verständiges und Verständliches mitteilen könne. Die undurchsichtigen Körper haben auch mannigfaltige wunderliche Oberflächen, die das Licht verschiedentlich zurückwerfen, deshalb er sich denn verteidigen muß, daß seine Lehre mit der Lehre der Atomisten nicht zusammenfalle, welches ihm auch ernst zu sein scheint.
In jenen Poren und Irrgängen, wunderlichen Aus- und Einwegen, Schlupflöchern und andern mannigfaltigen Bestimmungen, müdet sich nun das Licht auf oben beschriebene Weise gewaltig ab und erleidet eine Zerstreuung (dissipatio), Zerbrechung (diffractio), Zerreißung (disscissio) und natürlicherweise auch eine Trennung (separatio); dabei denn auch gelegentlich eine Anhäufung (glomeratio) stattfindet.
Wir bemerken hier im Vorbeigehen, daß einer Zerstreuung des Lichtes schon bei den Griechen erwähnt wird. Dort ist es aber nur ein empirischer naiver Ausdruck, der eine oft vorkommende Erscheinung von hin- und widergeworfenem, geschwächtem Lichte, so gut er kann, bezeichnen soll. Bei Grimaldi hingegen sollen die mannigfaltigen Versuren des Lichtes das Innere dieses zarten unbegreiflichen Wesens aufschließen und uns von seiner Natur dogmatisch belehren.
Die Farben werden also, nach Grimaldi, bei Gelegenheit der Refraktion, Reflexion und Inflexion bemerkt; sie sind das Licht selbst, das nur auf eine besondre Weise für den Sinn des Gesichts fühlbar wird. Doch geht der Verfasser auch wohl so weit, daß er im Licht bestimmte Arten der Farbe annimmt und also die Newtonische Lehre unmittelbar vorbereitet.
Alle Farben sind ihm wahr und entspringen auf einerlei Weise; doch läßt er, um sie erklären zu können, den Unterschied zwischen dauernden und vorübergehenden Farben einstweilen zu, und um jene auch in vorübergehende zu verwandeln, benutzt er auf eine sehr geschickte Weise die Versatilität der chemischen Farben.
Was übrigens den Apparat betrifft, so bedient er sich öfters der kleinen Öffnung im Fensterladen, die sich eigentlich von der die äußern Gegenstände innerlich abbildenden Camera obscura herschreibt. Die prismatischen Phänomene kennt er meistens, wie er denn auch auf die längliche Gestalt des Farbenbildes unsere Aufmerksamkeit hinlenkt. Unter seiner theoretischen Terminologie finden wir auch schon Strahlenbündel. Da ihm manche Erfahrungen und Versuche, die erst später bekannt geworden, in der Reihe seines Vortrags abgehen, so zeigen sich in demselben Lücken und Sprünge und gar manches Unzulängliche, das ihm aber nicht zu Schulden kommt. Den Regenbogen mit seinen Umständen und Bedingungen fahrt er sorgfältig aus; die Farben desselben weiß er nicht abzuleiten.