London Societät / Thomas Sprat / Thomas Birch / Robert Hooke

Wenn wir den Zustand der Naturwissenschaften in England während der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts uns vergegenwärtigen wollen, so ist es für unsere Zwecke hinreichend, mit flüchtiger Feder Ursprung und Wachstum der Londoner Akademie darzustellen. Hiezu geben uns hinlängliche Hilfsmittel Sprat, Birch und die Philosophischen Transaktionen. Nach diesen liefern wir eine Skizze der Geschichte der Sozietät bis auf die königliche Konfirmation, und den Umriss einer Geschichte der Wissenschaften in England, früherer Zeit.

Thomas Sprat

geboren 1634, gestorben 1713
History of the Royal Society of London. Die Ausgabe von 1702, deren wir uns bedienen, scheint nicht die erste zu sein. Das Buch war für den Augenblick geschrieben, und gewiss sogleich gedruckt. Auch ist die französische Übersetzung schon 1669 zu Genf herausgekommen. Thomas Sprat, nachmals Bischof, war ein frühzeitiger guter Kopf, ein talentvoller, munterer, leidenschaftlicher Lebemann. Er hatte das Glück als Jüngling von vielen Hoffnungen den frühern Versammlungen der Gesellschaft in Oxford beizuwohnen, wodurch er also Ursprung und Wachstum derselben aus eigener Teilnahme kennen lernte. Als man späterhin etwas über die Sozietät ins Publikum bringen wollte, ward er zum Sprecher gewählt und wahrscheinlich von Oldenburg, der das Amt eines Sekretärs bekleidete, mit Nachrichten und Argumenten versehen. So schrieb er die Geschichte derselben bis zur königlichen Konfirmation und etwas weiter, mit vielem Geist, guter Laune und Lebhaftigkeit. Als Schriftsteller betrachtet, finden wir ihn mehr geeignet, die Angelegenheiten einer Partei in Broschüren mutig zu verfechten – wie er denn sein Vaterland gegen die Zudringlichkeiten eines französischen Reisenden, Desorbières, in einem eigenen Bändchen mit großer Heftigkeit zu schützen suchte -, als dass er ein Buch zu schreiben fähig gewesen wäre, welches man für ein bedächtiges Kunstwerk ansprechen könnte. Wer solche Forderungen an ihn macht, wird ihn unbillig beurteilen, wie es von Montucla geschehen. (Histoire des Mathématiques. Paris 1758. Part. IV. Liv. 8 p. 486. Note a.) Doch ist auf alle Fälle die erste Hälfte des Buchs sorgfältiger geschrieben und methodischer geordnet als die zweite: denn leider wird seine Arbeit durch das doppelte große Unglück der Seuche und des Brandes zu London unterbrochen. Von da an scheint das Buch mehr aus dem Stegreife geschrieben und sieht einer Kompilation schon ähnlicher. Doch hat er ein großes Verdienst um seine Zeit wie um die Nachwelt. Denn alle Hindernisse, welche der Sozietät im Wege stehen, sucht er ins klare zu bringen und zu beseitigen; und gewiss hat er dazu beigetragen, dass manche Neigung erhöht und manches Vorurteil ausgelöscht worden. Was uns betrifft, so lernen wir den Gang der Gesellschaft, ihre Lage, ihre Grundsätze, ihren Geist und Sinn aus ihm recht wohl kennen. Ihre Handlungsweise nach innen, ihre Verhältnisse nach außen, die Vorstellung, die sich das Publikum von ihren Mitgliedern machte, was man ihr entgegensetzte, was sie für sich anzuführen hatte, das alles liegt in dem Werke teils klar und unbewunden ausgedrückt, teils rednerisch künstlich angedeutet und versteckt. Glaubt man auch manchmal eine sachwalterische Deklamation zu hören, so müssten wir uns doch sehr irren, wenn nicht auch öfters eine Ironie durchschiene, dass er nämlich die Sozietät wegen verschiedener Tugenden preist, nicht sowohl weil sie solche besitzt, als weil sie solche zu erwerben denken soll. Der Verfasser zeigt durchaus einen heitern lebhaften Geist, ein vordringendes leidenschaftliches Gemüt. Er hat seine Materie recht wohl inne, schreibt aber nur mit laufender Feder, im Gefühl, dass ihm sein Vorhaben leidlich gelingen müsse. Eine bessere Übersetzung, als die französische ist, hätte er auf alle Fälle verdient.

Thomas Birch

History of the Royal Society of London. Vier Bände in Quart, der erste von 1666.
Dieses Werk ist eigentlich nur ein Abdruck der Protokolle der Sozietätssessionen bis 1687, und wenn wir den erstgenannten Sprat als einen Sachverwalter ansehen und seine Arbeit nur mit einigem Misstrauen nutzen, so finden wir dagegen hier die schätzbarsten und untrüglichsten Dokumente, welche, indem sie alle Verhandlungen der Sessionen unschuldig und trocken anzeigen, uns über das, was geschehen, den besten Aufschluss geben. Aus ihnen ist die zerstückelte Manier zu erkennen, womit die Sozietät nach ihrer Überzeugung verfuhr und die Wissenschaften verspätete, indem sie für ihre Beförderung bemüht war.

Philosophische Transaktionen

Diese sind das Archiv dessen, was man bei ihr niederlegte. Hier findet man Nachrichten von den Unternehmungen, Studien und Arbeiten der Forscher in manchen bedeutenden Weltgegenden. Dieses allgemein bekannte Werk hat nach und nach für die Freunde der Wissenschaft einen unschätzbaren Wert erhalten. Denn obgleich jedes zufällige und empirische Sammeln anfangs nur verwirrt und die eigentliche wahre Kenntnis verhindert, so stellt sich, wenn es nur immer fortgesetzt wird, nach und nach die Methode von selbst her, und das, was ohne Ordnung aufbewahrt worden, gereicht dem, der zu ordnen weiß, zum größten Vorteile.

Ungewisse Anfänge der Sozietät

Der Ursprung wichtiger Begebenheiten und Erzeugnisse tritt sehr oft in eine undurchdringliche mythologische Nacht zurück. Die Anfänge sind unscheinbar und unbemerkt und bleiben dem künftigen Forscher verborgen.
Der patriotische Engländer möchte den Ursprung der Sozietät gern früh festsetzen, aus Eifersucht gegen gewisse Franzosen, welche sich gleichzeitig zu solchem Zwecke in Paris versammelt. Der patriotische Londoner gönnt der Universität Oxford die Ehre nicht, als Wiege eines so merkwürdigen Instituts gerühmt zu werden.
Man setzt daher ihre frühsten Anfänge um das Jahr 1645 nach London, wo sich namhafte Naturfreunde wöchentlich einmal versammelten, um mit Ausschließung aller Staats- und Religionsfragen, welche in der unglücklichen Zeit des bürgerlichen Kriegs die Nation leidenschaftlich beschäftigten, sich über natürliche Dinge zu unterhalten. Boyle soll dieser Zusammenkünfte, unter dem Namen des unsichtbaren oder philosophischen Kollegiums, in seinen Briefen gedenken.
In den Jahren 1648 und 49 entstand zu Oxford ein ähnlicher Kreis, den die von London dahin versetzten Glieder jener ersten Gesellschaft entweder veranlassten oder erweiterten. Auch hier versammelte man sich, um durch Betrachtung der ewig gesetzmäßigen Natur sich über die gesetzlosen Bewegungen der Menschen zu trösten oder zu erheben.
Die Universitäten zu Cambridge und Oxford hatten sich, als Verwandte der bischöflichen Kirche, treu zu dem König gehalten und deshalb von Cromwell und der republikanischen Partei viel gelitten. Nach der Hinrichtung des Königs 1649 und dem vollkommenen Siege der Gegenpartei hatten die an beiden Akademien versammelten Gelehrten alle Ursache, still zu bleiben. Sie hielten sich an die unschuldige Natur fest, verbannten um so ernstlicher aus ihren Zusammenkünften alle Streitigkeiten sowohl über politische als religiöse Gegenstände, und hegten bei ihrer reinen Liebe zur Wahrheit ganz im stillen jene Abneigung gegen Schwärmerei, religiöse Phantasterei, daraus entspringende Weissagungen und andre Ungeheuer des Tages.
So lebten sie zehn Jahre nebeneinander, kamen anfangs öfter, nachher aber seltner zusammen, wobei ein jeder das, was ihn besonders interessierte, das, worauf er bei seinen Studien unmittelbar gestoßen, treulich den übrigen mitteilte, ohne dass man deshalb an eine äußere Form oder an eine innere Ordnung gedacht hätte.
Der größte Teil der Mitglieder dieser Oxforder Gesellschaft ward 1659 nach London zurück und in verschiedene Stellen gesetzt. Sie hielten immerfort mit hergebrachter vertraulicher Gewohnheit aneinander, versammelten sich regelmäßig jeden Donnerstag in Gresham College, und es dauerte nicht lange, so traten manche Londoner Naturforscher hinzu, darunter sich mehrere aus dem hohen und niedern Adel befanden.
Beide Klassen des englischen Adels waren mit zeitlichen Gütern reichlich gesegnet. Der hohe Adel besaß von alters her große Güter und Bequemlichkeiten, die er stets zu vermehren im Fall war. Der niedere Adel war seit langer Zeit genötigt worden, gut hauszuhalten und seine Glücksumstände zu verbessern, indem ihn zwei Könige, Jakob und Karl, auf seinen Gütern zu wohnen und Stadt- und Hofleben zu meiden angehalten hatten. Viele unter ihnen waren zur Naturforschung aufgeregt und konnten sich mit Ehren an die neuversammelten Gelehrten anschließen.
Nur kurze Zeit wurde der Wachstum, die Mitteilung dieser Gesellschaft gestört, indem bei den Unruhen, welche nach der Abdankung von Cromwells Sohn entstanden, ihr Versammlungsort in ein Soldatenquartier verwandelt ward. Doch traten sie 1660 gleich wieder zusammen, und ihre Anzahl vermehrte sich.
Den 18. November dieses Jahrs bezeichnet die erste diese große Anstalt begründende Sitzung. Ungefähr fünfzehn Personen waren gegenwärtig; sie bestimmten die Zeit ihrer Versammlung, die Eintritts- und wöchentlichen Zuschussgelder, erwählten einen Präsidenten, Schatzmeister und Sekretär; zwanzig aufzunehmende Personen wurden vorgeschlagen. Bald darauf ordneten sie als Männer, die Gelegenheit genug gehabt hatten, über Konstitutionen nachzudenken, die übrigen zur äußern Form gehörigen Einrichtungen, vortrefflich und zweckmäßig.
Kaum hatte König Karl II. vernommen, dass eine Versammlung solcher ihm von jeher zugetaner Männer sich zu einer Gesellschaft konstituiert, so ließ er ihnen Bestätigung, Schutz und allen Vorschub anbieten und bekräftigte 1662 auf die ehrenvollste Weise die sämtlichen Statuten.

Naturwissenschaften in England

Die Teilnahme des Königs an den natürlichen Wissenschaften kam eben zur rechten Zeit: denn wie bisher teils die Wissenschaften überhaupt, teils die natürlichen verspätet worden, davon soll uns der Bischof Sprat eine flüchtige Übersicht geben.
«Bis zur Verbindung der beiden Häuser York und Lancaster wurden alle Kräfte unseres Landes zu häuslichen Kriegen zwischen dem König und dem Adel oder zu wütenden Kämpfen zwischen jenen beiden getrennten Familien verwendet, wenn nicht irgendeinmal ein mutiger Fürst ihre Kräfte zu fremden Eroberungen zu gebrauchen wusste. Die zwei Rosen waren in der Person des Königs Heinrich VII. vereinigt, dessen Regierung, wie seine Gemütsart, heimlich, streng, eifersüchtig, geizig, aber dabei siegreich und weise war. Wie wenig aber diese Zeit sich zu neuen Entdeckungen vorbereitet fand, sieht man daraus, wie gering er das Anerbieten des Christoph Kolumbus zu schätzen wusste. Die Regierung Heinrichs VIII. war kräftig, kühn, prächtig, freigebig und gelehrt, aber die Veränderung der Religion trat ein, und dies allein war genug, den Geist der Menschen zu beschäftigen.»
«Die Regierung Königs Eduard VI. war unruhig wegen des Zwiespalts derer, die während seiner Minderjährigkeit regierten, und die Kürze seines Lebens hat uns jener Früchte beraubt, die man nach den bewundernswerten Anfängen dieses Königs hoffen konnte. Die Regierung der Königin Maria war schwach, melancholisch, blutdürstig gegen die Protestanten, verdunkelt durch eine fremde Heirat und unglücklich durch den Verlust von Calais. Dagegen war die Regierung der Königin Elisabeth lang, triumphierend, friedlich nach innen und nach außen glorreich. Da zeigte sich, zu welcher Höhe die Engländer steigen können, wenn sie ein Fürst anführt, der ihren Herzen so gut als ihren Händen gebieten kann. In ihren Tagen setzte sich die Reformation fest; der Handel ward geregelt und die Schiffahrt erweiterte sich. Aber obgleich die Wissenschaft schon etwas Großes hoffen ließ, so war doch die Zeit noch nicht gekommen, dass den Naturerfahrungen eine öffentliche Aufmunterung hätte zuteil werden können, indem die Schriften des Altertums und die Streitigkeiten zwischen uns und der römischen Kirche noch nicht völlig studiert und beseitigt waren.»
«Die Regierung des Königs Jakob war glücklich in allen Vorteilen des Friedens und reich an Personen von tiefer Literatur; aber nach dem Beispiele des Königs wendeten sie vorzüglich ihre Aufmerksamkeit auf die Verhandlungen der Religion und der Streitigkeiten, so dass selbst Mylord Bacon, mit allem Ansehen, das er im Staate besaß, sein Kollegium Salomons nur als eine Schilderung, als einen Roman zustande bringen konnte. Zwar fing die Zeit Karls I. an, zu solchen Unternehmungen reifer zu werden, wegen des Überflusses und der glücklichen Zustände seiner ersten Jahre, auch wegen der Fähigkeit des Königs selbst, der nicht nur ein unnachahmlicher Meister in Verstand und Redekunst war, sondern der auch in verschiedenen praktischen Künsten sich über die gewöhnliche Weise der Könige, ja sogar über den Fleiß der besten Künstler erhob. Aber ach! er wurde von den Studien, von Ruhe und Frieden hinweg zu der gefährlichern und rühmlichern Laufbahn des Märtyrers berufen.»
«Die letzten Zeiten des bürgerlichen Kriegs und der Verwirrung haben, zum Ersatz jenes unendlichen Jammers, den Vorteil hervorgebracht, dass sie die Geister der Menschen aus einem langen Behagen, aus einer müßigen Ruhe herausrissen und sie tätig, fleißig und neugierig machten. Und gegenwärtig, seit der Rückkehr des Königs, ist die Verblendung vergangener Jahre mit dem Jammer der letzten verschwunden. Die Menschen überhaupt sind müde der Überbleibsel des Altertums und gesättigt von Religionsstreitigkeiten. Ihre Augen sind gegenwärtig nicht allein offen und bereitet zur Arbeit, sondern ihre Hände sind es auch. Man findet jetzo ein Verlangen, eine allgemeine Begierde nach einer Wissenschaft, die friedlich, nützlich und nährend sei und nicht wie die der alten Sekten, welche nur schwere und unverdauliche Argumente gaben oder bittere Streitigkeiten statt Nahrung, und die, wenn der Geist des Menschen Brot verlangte, ihm Steine reichten, Schlangen oder Gift.»

Äußere Vorteile der Sozietät

Der Teilnahme des Königs folgte sogleich die der Prinzen und reichen Barone. Nicht allein Gelehrte und Forscher, sondern auch Praktiker und Techniker mussten sich für eine solche Anstalt bemühen. Weit ausgebreitet war der Handel; die Gegenstände desselben näher kennen zu lernen, neue Erzeugnisse fremder Weltgegenden in Umlauf zu bringen, war der Vorteil sämtlicher Kaufmannschaft. Wissbegierigen Reisenden gab man lange Register von Fragen mit; eben dergleichen sendete man an die englischen Residenten in den fernsten Ansiedelungen.
Gar bald drängte sich nunmehr von allen Seiten das Merkwürdige herzu. Durch Beantwortung jener Fragen, durch Einsendung von Instrumenten, Büchern und andern Seltenheiten ward die Gesellschaft jeden Tag reicher und ihre Einwirkung bedeutender.

Innere Mängel der Sozietät

Bei allen diesen großen äußeren Vorteilen war auch manches, das ihr widerstand. Am meisten schadete ihr die Furcht vor jeder Art von Autorität. Sie konnte daher zu keiner innern Form gelangen, zu keiner zweckmäßigen Behandlung desjenigen, was sie besaß und was sie sich vorgenommen hatte.
Durch Bacons Anlass und Anstoß war der Sinn der Zeit auf das Reale, das Wirkliche gerichtet worden. Dieser außerordentliche Mann hatte das große Verdienst, auf die ganze Breite der Naturforschung aufmerksam gemacht zu haben. Bei einzelnen Erfahrungen drang er auf genaue Beobachtung der Bedingungen, auf Erwägung aller begleitenden Umstände. Der Blick in die Unendlichkeit der Natur war geöffnet und zwar bei einer Nation, die ihn sowohl nach innen als nach außen am lebhaftesten und weitesten umherwenden konnte. Sehr viele fanden eine leidenschaftliche Freude an solchen Versuchen, welche die Erfahrungen wiederholten, sicherten und mannigfaltiger machten; andere ergötzten sich hingegen an der nächsten Aussicht auf Anwendung und Nutzen.
Wie aber in der wissenschaftlichen Welt nicht leicht ohne Trennung gewirkt werden kann, so findet man auch hier eine entschiedene Spaltung zwischen Theorie und Praxis. Man hatte noch in frischem Andenken, wie die weichende Scholastik durch eine seltsame Philosophie, durch den Cartesianismus sogleich wieder ersetzt worden. Hier sah man aufs neue ein Beispiel, was ein einziger trefflicher Kopf auf andere zu wirken, wie er sie nach seinem Sinne zu bilden imstande ist. Wie entfernt man sei, die Gesinnungen eines einzelnen gelten zu lassen, drückte die Sozietät unter ihrem Wappen durch den Wahlspruch aus: Nullius in Verba; und damit man ja vor allem Allgemeinen, vor allem, was eine Theorie nur von fern anzudeuten schien, sicher wäre, so sprach man den Vorsatz bestimmt aus, die Phänomene sowie die Experimente an und für sich zu beobachten, nebeneinander, ohne irgendeine künstlich scheinende Verbindung, einzeln stehen zu lassen.
Die Unmöglichkeit, diesen Vorsatz auszuführen, sahen so kluge Leute nicht ein. Man bemerkte nicht, dass sehr bald nach den Ursachen gefragt wurde, dass der König selbst, indem er der Sozietät natürliche Körper verehrte, nach dem Wie der Wirkungen sich erkundigte. Man konnte nicht vermeiden, sich so gut und schlimm, als es gehen wollte, einige Rechenschaft zu geben; und nun entstanden partielle Hypothesen, die mechanische und machinistische Vorstellungsart gewann die Oberhand, und man glaubte noch immer, wenn man ein Gefolgertes ausgesprochen hatte, dass man den Gegenstand, die Erscheinung ausspreche.
Indem man aber mit Furcht und Abneigung sich gegen jede theoretische Behandlung erklärte, so behielt man ein großes Zutrauen zu der Mathematik, deren methodische Sicherheit in Behandlung körperlicher Dinge ihr, selbst in den Augen der größten Zweifler, eine gewisse Realität zu geben schien. Man konnte nicht leugnen, dass sie, besonders auf technische Probleme angewendet, vorzüglich nützlich war, und so ließ man sie mit Ehrfurcht gelten, ohne zu ahnden, dass, indem man sich vor dem Ideellen zu hüten suchte, man das Ideellste zugelassen und beibehalten hatte.
So wie das, was eigentlich Methode sei, den Augen der Gesellen fast gänzlich verborgen war, so hatte man gleichfalls eine sorgliche Abneigung vor einer Methode zu der Erfahrung. Die Unterhaltung der Gesellschaft in ihren ersten Zeiten war immer zufällig gewesen. Was die einen als eigenes Studium beschäftigte, was die andern als Neuigkeit interessierte, brachte jeder unaufgefordert und nach Belieben vor. Ebenso blieb es nach der übrigens sehr förmlich eingerichteten Konstitution. Jeder teilt mit, was gerade zufällig bereit ist. Erscheinungen der Naturlehre, Körper der Naturgeschichte, Operationen der Technik, alles zeigt sich bunt durcheinander. Manches Unbedeutende, anderes durch einen wunderbaren Schein Interessierende, anderes bloß Kuriose findet Platz und Aufnahme; ja sogar werden Versuche mitgeteilt, aus deren nähern Umständen man ein Geheimnis macht. Man sieht eine Gesellschaft ernsthafter würdiger Männer, die nach allen Richtungen Streifzüge durch das Feld der Naturwissenschaft vornehmen, und weil sie das Unermessliche desselben anerkennen, ohne Plan und Maßregel darin herumschweifen. Ihre Sessionen sind öfters Quodlibets, über die man sich des Lächelns, ja des Lachens nicht enthalten kann. Die Angst der Sozietät vor irgendeiner rationellen Behandlung war so groß, dass sich niemand getraute, auch nur eine empirische Abteilung und Ordnung in das Geschäft zu bringen. Man durfte nur die verschiedenen Klassen der Gegenstände, man durfte Physik, Naturgeschichte und Technik voneinander trennen und in diesen die notwendigsten Unterabteilungen machen, sodann die Einrichtung treffen, dass in jeder Session nur ein Fach bearbeitet werden sollte, so war der Sache schon sehr geholfen.
Porta hatte schon hundert Jahre vorher die physikalischen Phänomene in Rubriken vorgetragen. Man konnte dieses Buch bequem zum Grunde legen, das alte Wunderbare nach und nach sichten und auslöschen, das in der Zwischenzeit Erfundene nachtragen, sodann das jedes Mal bei der Sozietät Vorkommende aus den Protokollen an Ort und Stelle ein tragen, so entging man wenigstens der größten Verwirrung und war sicher, dass sich nichts versteckte oder verlor, wie es zum Beispiel mit Mayows Erfahrungen ging, von welchen die Sozietät Notiz hatte, sie aber vernachlässigte und freilich das Genauere nicht erfuhr, weil sie den von Hooke zum Mitglied vorgeschlagenen Mayow nicht aufnahm.
In seiner neuen Atlantis hatte Bacon für das naturforschende Salomonische Kollegium einen ungeheuern romantischen Palast mit vielen Flügeln und Pavillons gebaut, worin sich denn wohl auch mancher äußerst phantastische Saal befand. Diese Andeutungen konnten freilich einer Gesellschaft, die im wirklichen Leben entsprang, wenig Vorteil gewähren; aber bestimmt genug hatte er am Ende jener Dichtung die Notwendigkeit ausgesprochen, die verschiedenen Funktionen eines solchen Unternehmens unter mehrere Personen zu teilen, oder wenn man will, diese Funktionen als voneinander abgesondert, aber doch immer in gleichem Werte nebeneinander fortschreitend zu betrachten.
«Wir haben zwölf Gesellen, sagte er, um uns Bücher, Materialien und Vorschriften zu Experimenten anzuwerben. Drei haben wir, welche alle Versuche, die sich in Büchern finden, zusammenbringen; drei, welche die Versuche aller mechanischen Künste, der freien und praktischen Wissenschaften, die noch nicht zu einer Einheit zusammengeflossen, sammeln. Wir haben drei, die sich zu neuen Versuchen anschicken, wie es ihnen nützlich zu sein scheint; drei, welche die Erfahrungen aller dieser schon Genannten in Rubriken und Tafeln aufstellen, dass der Geist zu Beobachtungen und Schlüssen sie desto bequemer vor sich finde. Drei haben wir, welche diese sämtlichen Versuche in dem Sinne ansehen, dass sie daraus solche Erfindungen ziehen, die zum Gebrauche des Lebens und zur Ausübung dienen; dann aber drei, die nach vielen Zusammenkünften und Ratschlüssen der Gesellschaft, worin das Vorhandene durchgearbeitet worden, Sorge tragen, dass nachdem, was schon vor Augen liegt, neue, tiefer in die Natur dringende Versuche eingeleitet und angestellt werden; dann drei, welche solche aufgegebene Experimente ausführen und von ihrem Erfolg Nachricht geben. Zuletzt haben wir drei, die jene Erfindungen und Offenbarungen der Natur durch Versuche zu höheren Beobachtungen, Axiomen und Aphorismen erheben und befördern, welches nicht anders als mit Beirat der sämtlichen Gesellschaft geschieht.»
Von dieser glücklichen Sonderung und Zusammenstellung ist keine Spur in dem Verfahren der Sozietät, und ebenso geht es auch mit ihren nach und nach sich anhäufenden Besitzungen. Wie sie jeden Naturfreund ohne Unterschied des Ranges und Standes für sozietätsfähig erklärt hatte, ebenso bekannt war es, dass sie alles, was sich nur einigermaßen auf Natur bezog, annehmen und bei sich aufbewahren wolle. Bei der allgemeinen Teilnahme, die sie erregte, fand sich ein großer Zufluss ein, wie es bei allen empitischen Anhäufungen und Sammlungen zu geschehen pflegt. Der König, der Adel, Gelehrte, Ökonomen, Reisende, Kaufleute, Handwerker, alles drängte sich zu, mit Gaben und Merkwürdigkeiten. Aber auch hier scheint man vor irgendeiner Ordnung Scheu gehabt zu haben, wenigstens sieht man in der frühern Zeit keine Anstalt, ihre Vorräte zu rangieren, Katalogen darüber zu machen und dadurch auf Vollständigkeit auch nur von ferne hinzudeuten. Will man sie durch die Beschränktheit und Unsicherheit ihres Lokals entschuldigen, so lassen wir diesen Einwurf nur zum Teil gelten: denn durch einen wahren Ordnungsgeist wären diese Hindernisse wohl zu überwinden gewesen.
Jede einseitige Maxime muss, wenn sie auch zu gewissen Zwecken tauglich gefunden wird, sich zu andern unzulänglich, ja schädlich erzeigen. Sprat mag mit noch so vieler Beredsamkeit den Vorsatz der Gesellschaft, nicht zu theoretisieren, nicht zu methodisieren, nicht zu ordnen, rühmen und verteidigen, hinter seinen vielen Argumenten glaubt man nur sein böses Gewissen zu entdecken; und man darf nur den Gang des Sozietätsgeschäftes in den Protokollen einige Jahre verfolgen, so sieht man, dass sie die aus ihrer Maxime entspringenden Mängel gar wohl nach und nach bemerkt und dagegen, jedoch leider unzulängliche, Anordnungen macht.
Die Experimente sollen nicht aus dem Stegreife vorgelegt, sondern in der vorhergehenden Session angezeigt werden; man ordnet Versuche in gewissen Folgen an, man setzt Komitees nieder, welche, im Vorbeigehen sei es gesagt, in politischen und praktischen Fällen gut sein mögen, in wissenschaftlichen Dingen aber gar nichts taugen. Neigung oder Abneigung, vorgefasste Meinung der Kommissarien sind hier nicht so leicht wie dort zu kontrollieren. Ferner verlangt man Gutachten und Übersichten; da aber nichts zusammenhängt, so wird eins über das andere vergessen. Selten geschieht, was man sich vorgesetzt hatte, und wenn es geschieht, so ist es meistenteils nicht auslangend noch hinreichend. Und nach welchem Maßstab soll es gemessen, von wem soll es beurteilt werden?
Vielleicht ist hieran auch der im Anfang monatliche Präsidentenwechsel schuld; so wie auch hier die Ungewissheit und Unzulänglichkeit des Lokals, der Mangel eines Laboratoriums und was andere daraus entspringende Hindernisse sind, zur Entschuldigung angeführt werden können.

Mängel, die in der Umgebung und in der Zeit liegen

Von manchem, was sich einem regelmäßigen und glücklichen Fortschritt der Sozietät entgegensetzte, haben wir freilich gegenwärtig kaum eine Ahndung. Man hielt von Seiten der Menge, und zwar nicht eben gerade des Pöbels, die Naturwissenschaften und besonders das Experimentieren auf mancherlei Weise für schädlich, schädlich der Schullehre, der Erziehung, der Religion, dem praktischen Leben, und was dergleichen Beschränktheiten mehr waren.
Ingleichen stellen wir uns nicht vor, wenn wir von jenen englischen Experimentalphilosophen so vieles lesen, wie weit man überhaupt zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts noch im Experimentieren zurückstand. Von der alchimistischen zeit her war noch die Lust am Geheimnis geblieben, von welchem man bei zunehmender Technik, beim Eingreifen des Wissens ins Leben, nunmehr manche Vorteile hoffen konnte. Die Werkzeuge, mit denen man operierte, waren noch höchst unvollkommen. Wer sieht dergleichen Instrumente aus jener Zeit in alten physikalischen Rüstkammern und ihre Unbehülflichkeit nicht mit Verwunderung und Bedauern.
Das größte Übel aber entsprang aus einer gewissen Verfahrungsart selbst. Man hatte kaum den Begriff, dass man ein Phänomen, einen Versuch auf seine Elemente reduzieren könne, dass man ihn zergliedern, vereinfachen und wieder vermannigfaltigen müsse, um zu erfahren, wohin er eigentlich deute. Die fleißigsten Beobachter der damaligen Zeit geben Anlas zu dieser Reflexion, und Newtons Theorie hätte nicht entstehen können, wenn er für diese Hauptmaxime, die den Experimentierenden leiten soll, irgendeinen Sinn gehabt hätte. Man ergriff einen verwickelten Versuch und eilte sogleich zu einer Theorie, die ihn unmittelbar erklären sollte; man tat gerade das Gegenteil von dem, was man in Mund und Wappen führte.

Robert Hooke

Hooke, der Experimentator und Sekretär der Sozietät, war in demselben Falle, und ob ihm gleich die Gesellschaft manches schuldig ist, so hat ihr doch sein Charakter viel Nachteil gebracht. Er war ein lebhafter, unruhig tätiger Mann von den ausgebreitetsten Kenntnissen, aber er wollte auch nichts für neu oder bedeutend gelten lassen, was irgend angebracht und mitgeteilt wurde. Er glaubte es entweder selbst schon zu kennen oder etwas anderes und Besseres zu wissen.
Soviel er auch tat, ja im einzelnen durcharbeitete, so war er doch durchaus unstet und wurde es noch mehr durch seine Lage, da die ganze Erfahrungsmasse auf ihn eindrang und er, um ihr gewachsen zu sein, seine Kräfte bald dahin, bald dorthin wenden musste. Dabei war er zerstreut, nachlässig in seinem Amte, obgleich auf seinem eigenen Wege immer tätig.
Viele Jahre müht sich die Sozietät vergebens mit ihm ab. Sehr ernstlich wird ihm auferlegt: er soll regelmäßig Versuche machen, sie vorher anzeigen, in den folgenden Sessionen wirklich darlegen; wobei die gute Sozietät freilich nicht bedenkt, dass Sessionen nicht dazu geeignet sind, Versuche anzustellen und sich von den Erscheinungen vollständig zu überzeugen. Wie ihnen denn auch einmal ein Vogel den Gefallen nicht tun will, unter der Mayowschen Glocke, ehe die Versammlung auseinander geht, zu sterben.
Ähnliche Fälle benutzt Hooke zu allerlei Ausflüchten. Er gehorcht nicht, oder nur halb; man verkümmert ihm seine Pension, er wird nicht gefügsamer, und wie es in solchen Fällen geht, man ermüdet streng zu sein, man bezahlt ihm zuletzt aus Gunst und Nachsicht seine Rückstände auf einmal. Er zeigt eine Anwandlung von Besserung, die nicht lange dauert, und die Sache schleppt sich ihren alten Gang.
So sah es mit der innern Verfassung eines Gerichtshofes aus, bei dessen Entscheidung über eine bedeutende und weit eingreifende Theorie sich die wissenschaftliche Welt beruhigen sollte.