Zwischenrede

15.
Vorstehendes war geschrieben und das Nachstehende zum größten Teil, als die Frage entstand, ob es nicht rätlich sei, mit wenigem gleich hier anzugeben, worin sich denn die Meinung, welcher wir zugetan sind, von derjenigen unterscheidet, die, von Newton herstammend, sich über die gelehrte und ungelehrte Welt verbreitet hat.

16.
Wir bemerken zuerst, dass diejenige Denkweise, welche wir billigen, uns nicht etwa eigentümlich angehört oder als eine neue, nie vernommene Lehre vorgetragen wird. Es finden sich vielmehr von derselben in den frühern Zeiten deutliche Spuren; ja, sie hat sich immer, durch alle schwankenden Meinungen hindurch, so manche Jahrhunderte her lebendig erhalten und ist von Zeit zu Zeit wieder ausgesprochen worden, wovon uns die Geschichte weiter unterrichten wird.

17.
Newton behauptet, in dem weißen farblosen Lichte überall, besonders aber in dem Sonnenlicht, seien mehrere farbige (die Empfindung der Farbe erregende) verschiedene Lichter wirklich enthalten, deren Zusammensetzung das weiße Licht (die Empfindung des weißen Lichts) hervorbringe.

18.
Damit aber diese Lichter zum Vorschein kommen, setzt er dem weißen Licht gar mancherlei Bedingungen entgegen: durchsichtige Körper, welche das Licht von seiner Bahn ablenken, undurchsichtige, die es zurückwerfen, andere, an denen es hergeht; aber diese Bedingungen sind ihm nicht einmal genug. Er gibt den brechenden Mitteln allerlei Formen, den Raum, in dem er operiert, richtet er auf mannigfaltige Weise ein, er beschränkt das Licht durch kleine Öffnungen, durch winzige Spalten und bringt es auf hunderterlei Art in die Enge. Dabei behauptet er nun, dass alle diese Bedingungen keinen andern Einfluß haben, als die Eigenschaften, die Fertigkeiten (fits) des Lichtes rege zu machen, so dass dadurch sein Inneres auf geschlossen werde und, was in ihm liegt, an den Tag komme.

19.
Jene farbigen Lichter sind die integrierenden Teile seines weißen Lichtes. Es kommt durch alle obgemeldeten Operationen nichts zu dem Licht hinzu, es wird ihm nichts genommen, sondern es werden nur seine Fähigkeiten, sein Inhalt geoffenbart. Zeigt es nun bei der Refraktion verschiedene Farben, so ist es divers refrangibel; auch bei der Reflexion zeigt es Farben, deswegen ist es divers reflexibel: usw. jede neue Erscheinung deutet auf eine neue Fähigkeit des Lichtes, sich aufzuschließen, seinen Inhalt herzugeben.

20.
Die Lehre dagegen, von der wir überzeugt sind und von der wir diesmal nur insofern sprechen, als sie der Newtonischen entgegensteht, beschäftigt sich auch mit dem weißen Lichte. Sie bedient sich auch äußerer Bedingungen, um farbige Erscheinungen hervorzubringen. Sie gesteht aber diesen Bedingungen Wert und Würde zu; sie bildet sich nicht ein, Farben aus dem Licht zu entwickeln; sie sucht uns vielmehr zu überzeugen, dass die Farbe zugleich von dem Lichte und von dem, was sich ihm entgegenstellt, hervorgebracht werde.

21.
Also, um nur des Refraktionsfalles, mit dem sich Newton in der Optik vorzüglich beschäftigt, hier zu gedenken, so ist es keineswegs die Brechung, welche die Farben aus dem Licht hervorlockt; vielmehr bleibt eine zweite Bedingung unerlässlich, dass die Brechung auf ein Bild wirke und solches von der Stelle wegrücke. Ein Bild entsteht nur durch Grenzen; diese Grenzen übersieht Newton ganz, ja er leugnet ihren Einfluß. Wir aber schreiben dem Bilde sowohl als seiner Umgebung, der hellen Mitte sowohl als der dunklen Grenze, der Tätigkeit sowohl als der Schranke in diesem Falle vollkommen gleiche Wirkung zu. Alle Versuche stimmen uns bei, und je mehr wir sie vermannigfaltigen, desto mehr wird ausgesprochen, was wir behaupten, desto planer, desto klarer wird die Sache. Wir gehen vom Einfachen aus, indem wir einen sich wechselseitig entsprechenden Gegensatz zugestehen und durch Verbindung desselben die farbige Welt hervorbringen.

22.
Newton scheint vom Einfacheren auszugehen, indem er sich bloß ans Licht halten will; allein er setzt ihm auch Bedingungen entgegen so gut wie wir, nur dass er denselben ihren integrierenden Anteil an dem Hervorgebrachten ableugnet. Seine Lehre hat nur den Schein, dass sie monadisch oder unitarisch sei. Er legt in seine Einheit schon die Mannigfaltigkeit, die er herausbringen will, welche wir aber viel besser auf der eingestandenen Dualität zu entwickeln und zu konstruieren glauben.

23.
Wie er nun zu Werke geht, um das Unwahre wahr, das Wahre unwahr zu machen, das ist jetzt unser Geschäft zu zeigen und der eigentliche Zweck des gegenwärtigen polemischen Teils