Entoptische Farben (1820)

Ansprache
Bei diesem Geschäft erfuhr ich, wie mehrmals im Leben, günstiges und ungünstiges Geschick, fördernd und hindernd. Nun aber gelange ich nach zwei Jahren an demselben Tage zu ebendemselben Ort, wo ich bei gleich heiterer Atmosphäre die entscheidenden Versuche nochmals wiederholen kann. Möge mir eine hinreichende Darstellung gelingen, wozu ich mich wenigstens wohl zubereitet fühle. Ich war indessen nicht müßig und habe immerfort versucht, erprobt und eine Bedingung nach der andern ausgeforscht, unter welchen die Erscheinung sich offenbaren möchte.
Hierbei muss ich aber jener Beihilfe dankbar anerkennend gedenken, die mir von vorzüglichen wissenschaftlichen Freunden bisher gegönnt worden. Ich erfreute mich des besonderen Anteils der Herren Döbereiner, Hegel, Körner, Lenz, Roux, Schultz, Seebeck, Schweigger, Voigt. Durch gründlich motivierten Beifall, warnende Bemerkungen, Beitrag eingreifender Erfahrung, Mitteilung natürlicher, Bereitung künstlicher Körper, durch Verbesserung und Bereicherung des Apparats und genauste Nachbildung der Phänomene, wie sie sich steigern und Schritt vor Schritt vermannigfaltigen, ward ich von ihrer Seite höchlich gefördert. Von der meinen verfehlte ich nicht, die Versuche fleißig zu wiederholen, zu vereinfachen, zu vermannigfaltigen, zu vergleichen, zu ordnen und zu verknüpfen. Und nun wende ich mich zur Darstellung selbst, die auf vielfache Weise möglich wäre, die ich aber gegenwärtig unternehme, wie sie mir gerade zum Sinne passt; früher oder später wäre sie anders ausgefallen.
Freilich müsste sie mündlich geschehen bei Vorzeigung aller Versuche, wovon die Rede ist; denn Wort und Zeichen sind nichts gegen sicheres, lebendiges Anschauen. Möchte sich der Apparat, diese wichtigen Phänomene zu vergegenwärtigen, einfach und zusammengesetzt, durch Tätigkeit geschickter Mechaniker von Tag zu Tag vermehren.
Übrigens hoff› ich, dass man meine Ansicht der Farben überhaupt, besonders aber der physischen kenne; denn ich schreibe Gegenwärtiges als einen meiner Farbenlehre sich unmittelbar anschließenden Aufsatz, und zwar am Ende der zweiten Abteilung, hinter dem 485sten Paragraphen.
Jena, den 20. Juli 1820

.I. Woher benannt
Die entoptischen Farben haben bei ihrer Entdeckung diesen Namen erhalten nach Analogie der übrigen, mehr oder weniger bekannten und anerkannten physischen Farben, wie wir solche in dem Entwurf zu einer allgemeinen Chromatologie sorgfältig aufgeführt. Wir zeigten nämlich daselbst zuerst dioptrische Farben ohne Refraktion, die aus der reinen Trübe entspringen; dioptrische mit Refraktion, die prismatischen nämlich, bei welchen zur Brechung sich noch die Begrenzung eines Bildes nötig macht; katoptische, die auf der Oberfläche der Körper durch Spiegelung sich zeigen; paroptische, welche sich zu dem Schatten der Körper gesellen; epoptische, die sich auf der Oberfläche der Körper unter verschiedenen Bedingungen flüchtig oder bleibend erweisen; die nach der Zeit entdeckten wurden entoptische genannt, weil sie innerhalb gewisser Körper zu schauen sind, und damit sie, wie ihrer Natur also auch dem Namensklange nach, sich an die vorhergehenden anschlössen. Sie erweiterten höchst erfreulich unseren Kreis, gaben und empfingen Aufklärung und Bedeutung innerhalb des herrlich ausgestatteten Bezirks.

II. Wie sie entdeckt worden
Im Gefolg der Entdeckungen und Bemühungen französischer Physiker, Malus, Biot und Arago, im Jahr 1809 über Spiegelung und doppelte Strahlenbrechung stellte Seebeck im Jahr 1812 sorgfältige Versuche wiederholend und fortschreitend an. jene Beobachter hatten schon bei den ihrigen, die sich auf Darstellung und Aufhebung der Doppelbilder des Kalkspats hauptsächlich bezogen, einige Farbenerscheinungen bemerkt. Auch Seebeck hatte dergleichen gesehen; weil er sich aber eines unbequemen Spiegelapparates mit kleiner Öffnung bediente, so ward er die einzelnen Teile der Figur gewahr, ohne ihr Ganzes zu überschauen. Er befreite sich endlich von solchen Beschränkungen und fand, dass es Gläser gebe, welche die Farbe hervorbringen, andere nicht, und erkannte, dass Erhitzung bis zum Glühen und schnelles Abkühlen den Gläsern die entoptische Eigenschaft verleihe.
Die ihm zugeteilte Hälfte des französischen Preises zeugte von parteiloser Anerkennung von Seiten einer fremden, ja feindlichen Nation; Brewster, ein Engländer, empfing die andere Hälfte. Er hatte sich mit demselben Gegenstand beschäftigt und manche Bedingungen ausgesprochen, unter welchen jene Phänomene zum Vorschein kommen.

III. Wie die entoptischen Farben dem Glase mitzuteilen
Das Experiment in seiner größten Einfalt ist folgendes: Man zerschneide eine mäßig starke Spiegelscheibe in mehrere anderthalbzöllige Quadrate, diese durchglühe man und, verkühle sie geschwind. Was davon bei dieser Behandlung nicht zerspringt, ist nun fähig, entoptische Farben hervorzubringen.

IV. Äußere Grundbedingung
Bei unserer Darstellung kommt nun alles darauf an, dass man sich mit dem Körper, welcher entoptische Farben hervorzubringen vermag, unter den freien Himmel begebe, alle dunkle Kammern, alle kleine Löchlein (Foramina exigua) abermals hinter sich lasse. Eine reine, wolkenlose, blaue Atmosphäre – dies ist der Quell, wo wir eine auslangende Erkenntnis zu suchen haben!

V. Einfachster Versuch
Jene bereiteten Tafeln lege der Beschauer bei ganz reiner Atmosphäre flach auf einen schwarzen Grund, so dass er zwei Seiten derselben mit sich parallel habe, und halte sie nun bei völlig freiem Himmel und niedrigem Sonnenstand so nach der der Sonne entgegengesetzten Himmelsgegend, richte sein Auge dermaßen auf die Platten, dass von ihrem Grunde die Atmosphäre sich ihm zurückspiegele, und er wird sodann in den vier Ecken eines hellen Grundes vier dunkle Punkte gewahr werden. Wendet er sich darauf gegen die Himmelsgegenden, welche rechtwinklig zu der vorigen Richtung stehen, so erblickt er vier helle Punkte auf einem dunklen Grund; diese beiden Erscheinungen zeigen sich auf dem Boden der Glasplatte. Bewegt man die gedachten Quadrate zwischen jenen entschiedenen Stellungen, so geraten die Figuren in ein Schwanken.
Die Ursache, warum ein schwarzer Grund verlangt wird, ist diese, dass man vermeiden solle, entweder durch eine Lokalfarbe des Grundes die Erscheinung zu stören oder durch allzu große Hellung wohl gar aufzuheben. Übrigens tut der Grund nichts zur Sache, indem der Beschauer sein Auge so zu richten hat, dass von dem Grunde der Platte sich ihm die Atmosphäre vollkommen spiegele.
Da es nun aber schon eine gewisse Übung erfordert, wenn der Beschauer diese einfachste Erscheinung gewahr werden soll, so lassen wir sie vorerst auf sich beruhen und steigern unsern Apparat und die Bedingungen desselben, damit wir mit größerer Bequemlichkeit und Mannigfaltigkeit die Phänomene verfolgen können.

Vl. Zweiter, gesteigerter Versuch
Von dieser inneren, einfachen Spiegelung gehen wir zu einer nach außen über, welche zwar noch einfach genug ist, das Phänomen jedoch schon viel deutlicher und entschiedener vorlegt. Ein solider Glaskubus, an dessen Stelle auch ein aus mehreren Glasplatten zusammengesetzter Kubus zu benutzen ist, werde bei Sonnenaufgang oder -Untergang auf einen schwarz belegten Spiegel gestellt oder etwas geneigt darüber gehalten. Man lasse den atmosphärischen Widerschein nunmehr durch den Kubus auf den Spiegel fallen, so wird sich jene obgemeldete Erscheinung, nur viel deutlicher, darstellen; der Widerschein von der der Sonne gegenüberstehenden Himmelsregion gibt die vier dunklen Punkte auf hellem Grund; die beiden Seitenregionen geben das Umgekehrte, vier helle Punkte auf dunklem Grund, und wir sehen bei diesem gesteigerten Versuch zwischen den pfauenaugig sich bildenden Eckpunkten einmal ein weißes, das andere Mal ein schwarzes Kreuz, mit welchem Ausdruck wir denn auch künftig das Phänomen bezeichnen werden. Vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang bei sehr gemäßigter Hellung erscheint das weiße Kreuz auch an der Sonnenseite.
Wir sagen daher, der direkte Widerschein der Sonne, der aus der Atmosphäre zu uns zurückkehrt, gibt ein erhelltes Bild, das wir mit dem Namen des weißen Kreuzes bezeichnen. Der oblique Widerschein gibt ein verdüstertes Bild, das sogenannte schwarze Kreuz. Geht man mit dem Versuch um den ganzen Himmel herum, so wird man finden, dass in den Achtelsregionen ein Schwanken entsteht; wir gewahren eine undeutliche, aber bei genauer Aufmerksamkeit auf eine regelmäßige Gestalt zurückzuführende Erscheinung. Zu bemerken ist, dass wir das helle Bild dasjenige nennen dürfen, welches auf weißem Grund farbige Züge sehen lässt, und umgekehrt das dunkle, wo sich zum dunklen Grunde hellere farbige Züge gesellen.

VII. Warum ein geschwärzter Spiegel
Bei physikalischen Versuchen soll man mit jeder Bedingung sogleich die Absicht derselben anzeigen, weil sonst die Darstellung gar leicht auf Taschenspielerei hinausläuft. Das Phänomen, womit wir uns beschäftigen, ist ein schattiges, beschattetes, ein Skieron, und wird durch allzu große Helle vertrieben, kann nicht zur Erscheinung kommen; deswegen bedient man sich zu den ersten Versuchen billig verdüsterter Spiegelflächen, um einem jeden Beschauer die Erscheinung sogleich vor Augen zu stellen. Wie es sich mit klaren und abgestumpften Spiegelflächen verhalte, werden wir in der Folge zeigen.

VIII. Polarität
Wenn wir den entoptischen Phänomenen Polarität zuschreiben, so geschieht es in dem Sinne, wie wir in unserer Farbenlehre alle Chromagenesie zu entwickeln bemüht gewesen. Finsternis und Licht stehen einander uranfänglich entgegen, eins dem andern ewig fremd; nur die Materie, die in und zwischen beide sich stellt, hat, wenn sie körperhaft undurchsichtig ist, eine beleuchtete und eine finstere Seite, bei schwachem Gegenlicht aber erzeugt sich erst der Schatten. Ist die Materie durchscheinend, so entwickelt sich in ihr im Helldunklen, Trüben in bezug aufs Auge das, was wir Farbe nennen.
Diese, sowie Hell und Dunkel, manifestiert sich überhaupt in polaren Gegensätzen. Sie können auf gehoben, neutralisiert, indifferenziert werden, so dass beide zu verschwinden scheinen; aber sie lassen sich auch umkehren, und diese Umwendung ist allgemein bei jeder Polarität die zarteste Sache von der Welt. Durch die mindeste Bedingung kann das Plus in Minus, das Minus in Plus verwandelt werden. Dasselbe gilt also auch von den entoptischen Erscheinungen. Durch den geringsten Anlass wird das weiße Kreuz in das schwarze, das schwarze in das weiße verwandelt und die begleitenden Farben gleichfalls in ihre geforderten Gegensätze umgekehrt. Dieses aber auseinander zulegen, ist gegenwärtig unsere Pflicht. Man lasse den Hauptbegriff nicht los, und man wird bei aller Veränderlichkeit die Grunderscheinung immer wieder finden.

IX. Nordländische Atmosphäre selten klar
Ist nun die uranfängliche Erscheinung an dem klarsten, reinsten Himmel zu suchen, so lässt sich leicht einsehen, dass wir in unseren Gegenden nur selten eine vollkommene Anschauung zu gewinnen im Falle sind. Nur langsam entdeckte man die Hauptbedingung, langsamer die Nebenumstände, welche das Grundgesetz abermals gesetzmäßig bedingen und mehrfach irreführende Ab- und Ausweichungen verursachen.

X. Beständiger Bezug auf den Sonnenstand
Die Sonne, welche hier weder als leuchtender Körper noch als Bild in Betracht kommt, bestimmt, indem sie den auch in seinem reinsten Zustande immer für trüb zu haltenden Luftkreis erhellt, die erste Grundbedingung aller entoptischen Farben; der direkte Widerschein der Sonne gibt immer das weiße, der rechtwinklige, oblique das schwarze Kreuz; dies muss man zu wiederholen nicht müde werden, da noch manches dabei in Betracht zu ziehen ist.

Xl. Teilung des Himmels in vier gleiche oder ungleiche Teile
Daraus folgt nun, dass nur in dem Moment der Sonnengleiche, bei Aufgang und Untergang, die oblique Erscheinung genau auf dem Meridian einen rechen Winkel bilde. Im Sommer, wo die Sonne nordwärts rückt, bleibt die Erscheinung in sich zwar immer rechtwinklig, bildet aber mit dem Meridian und im Verlauf des Tages mit sich selbst geschobene Andreaskreuze.

XII. Höchster Sonnenstand
Zu Johanni um die Mittagsstunde ist der hellste Moment. Bei Kulmination der Sonne erscheint ein weißes Kreuz rings um den Horizont. Wir sagen deshalb, dass in solcher Stellung die Sonne rings um sich her direkten Widerschein in dem Luftkreis bilde. Da aber bei polaren Erscheinungen der Gegensatz immer sogleich sich manifestieren muss, so findet man da, wo es am wenigsten zu suchen war, das schwarze Kreuz unfern von der Sonne. Und es muss sich in einem gewissen Abstand von ihr ein unsichtbarer Kreis obliquen Lichts bilden, den wir nur dadurch gewahr werden, dass dessen Abglanz im Kubus das schwarze Kreuz hervorbringt.
Sollte man in der Folge den Durchmesser dieses Ringes messen wollen und können, so würde sich wohl finden, dass er mit jenen sogenannten Höfen um Sonne und Mond in Verwandtschaft stehe. ja, wir wagen auszusprechen, dass die Sonne am klarsten Tage immer einen solchen Hof potentia um sich habe, welcher bei nebelartiger, leichtwolkiger Verdichtung der Atmosphäre sich vollständig oder teilweise, größer oder kleiner, farblos oder farbig, ja zuletzt gar mit Sonnenbildern geschmückt, meteorisch wiederholt und durchkreuzt, mehr oder weniger vollkommen darstellt.

XIII. Tiefe Nacht
Da unsere entoptischen Erscheinungen sämtlich auf dem Widerschein der Sonne, den uns die Atmosphäre zusendet, beruhen, so war zu folgern, dass sie sich in den kürzesten Nächten sehr spät noch zeigen würden, und so fand sich’s auch. Am 18. Juli nachts halb 10 Uhr war das schwarze Kreuz des Versuches VI noch sichtbar; am 23. August schon um 8 Uhr nicht mehr. Das weiße Kreuz, welches ohnehin im zweifelhaften Falle etwas schwerer als das schwarze darzustellen ist, wollte sich mir nicht offenbaren; zuverlässige Freunde versichern mich aber, es zu gleicher Zeit gesehen zu haben.

XIV. Umwandlung durch trübe Mittel
Zu den ersten Beobachtungen und Versuchen haben wir den klarsten Himmel gefordert; denn es war zu bemerken, dass durch Wolken aller Art das Phänomen unsicher werden könne. Um aber auch hierüber zu einiger Gesetzlichkeit zu gelangen, beobachtete man die verschiedensten Zustände der Atmosphäre; endlich glückte Folgendes. Man kennt die zarten, völlig gleich ausgeteilten Herbstnebel, welche den Himmel mit reinem leichten Schleier, besonders des Morgens, bedecken und das Sonnenbild entweder gar nicht oder doch nur strahlenlos durchscheinen lassen. Bei einer auf diese Weise bedeckten Atmosphäre gibt sowohl die Sonnenseite als die gegenüberstehende das schwarze Kreuz, die Seitenregionen aber das weiße.
An einem ganz heitern, stillen Morgen in Karlsbad anfangs Mal 182o, als der Rauch, aus allen Essen aufsteigend, sich über dem Tal sanft zusammenzog und nebelartig vor der Sonne stand, konnte ich bemerken, dass auch dieser Schleier an der Sonnenseite das weiße Kreuz in das schwarze verwandelte, anstatt dass auf der reinen Westseite über dem Hirschsprung das weiße Kreuz in völliger Klarheit bewirkt wurde.
Ein gleiches erfuhr ich, als ein verästeter, verzweigter Luftbaum sich vor und nach Aufgang der Sonne im Osten zeigte; erkehrte die Erscheinung um wie Nebel und Rauch.
Völlig überzogener Regenhimmel kehrte die Erscheinung folgendermaßen um: die Ostseite gab das schwarze Kreuz, die Süd- und Nordseite das weiße; die Westseite, ob sie gleich auch überzogen war, hielt sich dem Gesetz gemäß und gab das weiße Kreuz.
Nun hatten wir aber auch zu unserer großen Zufriedenheit einen uralten, sehr getrübten Metallspiegel gefunden, welcher die Gegenstände zwar noch deutlich genug, aber doch sehr verdüstert wiedergibt. Auf diesen brachte man den Kubus und richtete ihn bei dem klarsten Zustand der Atmosphäre gegen die verschiedenen Himmelsgegenden. Auch hier zeigte sich das Phänomen umgekehrt, der direkte Widerschein gab das schwarze, der oblique das weiße Kreuz, und dass es ja an Mannigfaltigkeit der Versuche nicht fehle, wiederholte man sie bei rein verbreitetem Nebel; nun gab die Sonnenseite und ihr direkter Widerschein das weiße, die Seitenregionen aber das schwarze Kreuz. Von großer Wichtigkeit scheinen uns diese Betrachtungen.

XV. Rückkehr zu den entoptischen Gläsern
Nachdem wir nun die entoptischen Körper zuerst in ihrem einfachen Zustand benutzt und vor allen Dingen in den Höhen und Tiefen der Atmosphäre den eigentlichen Urquell der Erscheinungen zu entdecken, auch die polare Umkehrung derselben teils auf natürlichem, teils auf künstlichem Wege zu verfolgen gesucht, so wenden wir uns nun abermals zu gedachten Körpern, an denen wir die Phänomene nachgewiesen, um nun auch die mannigfaltigen Bedingungen, welchen diese Vermittler unterworfen sind, zu erforschen und aufzuzählen.

XVI. Nähere Bezeichnung der entoptischen Erscheinung
Um vorerst das. Allgemeinste auszusprechen, so lässt sich sagen, dass wir Gestalten erblicken, von gewissen Farben begleitet, und wieder Farben, an gewisse Gestalten gebunden, welche sich aber beiderseits nach der Form des Körpers richten müssen.
Sprechen wir von Tafeln, und es sei ein Viereck gemeint, gleichseitig, länglich, rhombisch; es sei ein Dreieck jeder Art; die Platte sei rund oder oval: jede regelmäßige sowie jede zufällige Form nötigt das erscheinende Bild, sich nach ihr zu bequemen, welchem denn jedesmal gewisse gesetzliche Farben anhängen. Von Körpern gilt dasselbige was von Platten.
Das einfachste Bild ist dasjenige, was wir schon genugsam kennen; es wird in einer einzelnen viereckten Glasplatte hervorgebracht.
Vier dunkle Punkte erscheinen in den Ecken des Quadrats, die einen weißen, kreuzförmigen Raum zwischen sich lassen; die Umkehrung zeigt uns helle Punkte in den Ecken des Quadrats, der übrige Raum scheint dunkel.
Dieser Anfang des Phänomens ist nur wie ein Hauch, zwar deutlich und erkennbar genug, doch größerer Bestimmtheit, Steigerung, Energie und Mannigfaltigkeit fähig, welches alles zusammen durch Vermehrung aufeinander gelegter Platten hervorgebracht wird.
Hier merke man nun auf ein bedeutendes Wort- Die dunkeln und hellen Punkte sind wie Quellpunkte anzusehen, die sich aus sich selbst entfalten, sich erweitern, sich gegen die Mitte des Quadrats hindrängen, erst bestimmtere Kreuze, dann Kreuz nach Kreuzen bei Vermehrung der aufeinander gelegten Platten vielfach hervorbringen.
Was die Farben betrifft, so entwickeln sie sich nach dem allgemeinen, längst bekannten, noch aber nicht durchaus anerkannten ewigen Gesetz der Erscheinungen in und an dem Trüben, die hervortretenden Bilder werden unter ebendenselben Bedingungen gefärbt. Der dunkle Quellpunkt, der sich nach der Mitte zu bewegt und also über hellen Grund geführt wird, muss Gelb hervorbringen; da aber, wo er den hellen Grund verlässt, wo ihm der helle Grund nachrückt, sich über ihn erstreckt, muss er ein Blau sehen lassen. Bewegen sich im Gegenfalle die hellen Punkte nach dem inneren, düstern, so erscheint vorwärts gesetzlich Blaurot, am hinteren Ende hingegen Gelb und Gelbrot. Dies wiederholt sich bei jedem neu entstehenden Kreuze, bis die hintereinander folgenden Schenkel nahe rücken, wo alsdann durch Vermischung der Ränder Purpur und Grün entsteht.
Da nun durch Glasplatten, übereinander gelegt, die Steigerung gefördert wird, so sollte folgen, dass ein Kubus schon in seiner Einfachheit gesteigerte Figuren hervorbringe; doch dies bewahrheitet sich nur bis auf einen gewissen Grad. Und obgleich derjenige, welcher sämtliche Phänomene Zuschauern und Zuhörern vorlegen will, einen soliden, guten entoptischen Kubus nicht entbehren kann, so empfiehlt sich doch ein Kubus von übereinander befestigten Platten beim Liebhaber dadurch, weil er leichter anzuschaffen und noch überdies die Phänomene auffallender darzustellen geschickt ist. Was von dreieckigen und runden Platten zu sagen wäre, lassen wir auf sich beruhen; genug, wie die Form sich ändert, so ändert sich auch die Erscheinung; der Naturfreund wird sich dieses alles gar leicht selbst vor Augen führen können.

XVII. Abermalige Steigerung
Vorrichtung mit zwei Spiegeln
Die im Vorhergehenden angezeigte gesteigerte, vermannigfaltigte Erscheinung können wir jedoch auf obige einfache Weise kaum gewahr werden; es ist daher eine dritte zusammengesetzte Vorrichtung nötig.
Wir bilden unsern Apparat aus zwei angeschwärzten, zueinander gerichteten, einander antwortenden Spiegeln, zwischen welchen der Kubus angebracht ist. Der untere Spiegel ist unbeweglich, so gestellt, dass er das Himmelslicht aufnehme und es dem Kubus zuführe; der obere ist aufgehängt, um eine perpendikulare Achse beweglich, so dass er das Bild des von unten erleuchteten Kubus dem Zuschauer ins Auge bringe. Hängt er gleichnamig mit dem untern, so wird man die helle Erscheinung sehen; wendet man ihn nach der Seite, so obliquiert er das Licht, zeigt es obliquiert, und wir sehen das schwarze Kreuz, sodann aber bei der Achtelswendung schwankende Züge.
Manche andere spiegelnde Flächen, die wir durchversucht, Fensterscheiben, farbiges Glas, geglättete Oberflächen jeder Art bringen die Wirkung des unteren Spiegels hervor; auch wird sie wenig geschwächt noch verändert, wenn wir die atmosphärische Beleuchtung erst auf eine Glastafel, von da aber auf den einfachen oder zusammengesetzten Apparat fallen lassen.
Das klarste Licht des Vollmonds erhellt die Atmosphäre zu wenig, um von dort her die nötige Beleuchtung erhalten zu können; lässt man es aber auf eine Glastafel fallen, von da auf den Apparat, so tut es Wirkung und hat genugsame Kraft, das Phänomen hervorzubringen.

XVIII. Wirkung der Spiegel in Absicht auf Hell und Dunkel
Wir entfernen die entoptischen Körper nunmehr, um die Spiegel und ihre einzelne oder verbündete Wirksamkeit näher zu betrachten. Einem jeden Kunst- und Naturfreund, der auf einer, durch Anschwärzung der einen Seite zum verkleinerten Konvexspiegel \ erwandelten Glaslinse Landschaften betrachtet hat, ist wohl bekannt, dass sowohl Himmel als Gegenstände um ein Bedeutendes dunkler erscheinen, und so wird ihm nicht auffallen, wenn er, von unserem Doppelapparat den obern Spiegel wegnehmend, unmittelbar auf den untern blickt, die heiterste Atmosphäre nicht schön blau, sondern verdüstert gewahr zu werden. Dass bei parallel wieder Eingehängtem oberen Spiegel, bei verdoppelter Reflexion, abermals eine Verdüsterung vor sich gehe, ist gleichfalls eine natürliche Folge. Das Blau hat sich in ein Aschgrau verwandelt.
Aber noch weit stärker ist die Verdüsterung bei Seitenstellung des oberen Spiegels. Der nunmehr obliquierte Widerschein zeigt sich merklich dunkler als der direkte, und hierin legt sich die nächste Ursache der erhellenden und verdunkelnden Wirkung auf entoptische Gläser vor Augen.

XIX. Wirkung der Spiegel in Absicht auf irgendein Bild
Um sich hiervon aufs Kürzeste in Kenntnis zu setzen, stelle man eine Kerze dergestalt, dass das Bild der Flamme auf den untern Spiegel falle; man betrachte dasselbe sodann durch den obern, parallel mit dem unteren hängenden Spiegel; die Kerze wird aufgerichtet und die Flamme, als durch zwei verdüsterte Spiegel zum Auge gelangend, um etwas verdunkelt sein.
an führe den Spiegel in den rechten Winkel, die Kerze wird horizontal liegend erscheinen und die Flamme bedeutend verdunkelt.
Abermals führe man den Spiegel weiter in die Gegenstellung der ersten Richtung, die Flamme wird auf dem Kopfe stehen und wieder heller sein. Man drehe den Spiegel ferner um seine Achse, die Kerze scheint horizontal und abermals verdüstert, bis sie denn endlich, in die erste Stellung zurückgeführt, wieder hell wie vom Anfang erscheint. Ein jedes helles Bild auf dunklem Grunde, das man an die Stelle der Kerze bringt, wird dem aufmerksamen Beobachter dieselbe Erscheinung gewähren. Wir wählen dazu einen hellen Pfeil auf dunklem Grunde, woran sowohl die Veränderung der Stellung des Bildes als dessen Erhellung und Verdüsterung deutlich gesehen wird.

XX. Identität durch klare Spiegel
Bisher wäre also nichts Verwunderungswürdiges vorgekommen; bei der größten Mannigfaltigkeit bleibt alles in der Regel; so ist auch folgende Erscheinung ganz dem Gesetz gemäß, ob sie uns gleich bei der ersten Entdeckung wunderbar überraschte.
ei dem Apparat mit zwei Spiegeln nehme man zum untersten, der das Himmelslicht aufnimmt, einen mit Quecksilber belegten und richte ihn bei dunkelblauer Atmosphäre gegen den Seitenschein, der im Würfel das schwarze Kreuz erzeugt; dieses wird nun auch erscheinen und identisch bleiben, wenn schon der Oberspiegel gleichnamig gestellt ist; denn die Eigenschaft des atmosphärischen Scheins wird durch den klaren Spiegel vollkommen überliefert, ebenso wie es bei jener Erfahrung mit einem Spiegel unmittelbar geschieht.
Wir haben zur Bedingung gemacht, dass der Himmel so blau sein müsse, als es in unsern Gegenden möglich ist, und hier zeigt sich abermals der Himmel als eine verschleierte Nacht, wie wir ihn immer ansehen. Er ist es nun, der sein verdüstertes Licht in den klaren Spiegel sendet, welches alsdann, dem Kubus mitgeteilt, sich gerade in dem mäßigen Gleichgewicht befindet, das zur Erscheinung unumgänglich nötig ist.

XXI. Abgeleiteter Schein und Widerschein
Wir haben den unmittelbaren Widerschein von den verschiedenen Himmelsgegenden her als den ersten und ursprünglichen angenommen; aber auch abgeleiteter Schein und Widerschein bringt dieselben Phänomene hervor.
Weißer Battist, vor ein besonntes Fenster gezogen, gibt zwar mit (lern einfachen Apparat keine Erscheinung, wahrscheinlich weil das davon herkommende Licht noch allzu stark und lebhaft ist; der Kubus aber, zwischen die Doppelspiegel gelegt, gibt sowohl das weiße als schwarze Kreuz; denn der helle Schein der Battistfläche wird durch die beiden Spiegel gemäßigt.
Vom abgeleiteten Widerschein wäre vielleicht nur folgendes zu sagen: Haben wir, durch unsern zweiten Apparat (VI) von irgend einer Himmelsgegend her die entoptische Erscheinung bewirkt, so stelle man derselben atmosphärischen Region eine unbelegte spiegelnde Glastafel entgegen, wende sich mit dem Apparat nun zu ihr, Lind man wird die abgeleitete Erscheinung mit der ursprünglichen gleich finden.

XXII. Doppelt refrangierende Körper
Der durchsichtige rhombische Kalkspat, dessen Eigenschaft, Bilder zu verdoppeln, ja zu vervielfachen, schon lange Zeit Forscher Lind Erklärer beschäftiget, gab immerfort bei Unzulänglichkeit frülieren Bemühens zu neuen Untersuchungen Anlass. Hier wurde nach und nach entdeckt, dass mehrere kristallinisch gebildete Körper L, 1 ne solche Eigenschaf t besitzen, und nicht allein dieses ward gefunden, sondern auch bei vielfachster Behandlung solcher Gegenstände noch andere begleitende Erscheinungen. Da man nun beim rhombischen Kalkspat gar deutlich bemerken konnte, dass der verschiedene Durchgang der Blätter und die deshalb gegeneinander wirkenden Spiegelungen die nächste Ursache der Erscheinung sei, so ward man auf Versuche geleitet, das Licht durch spiegelnde, auf verschiedene Weise gegeneinander gerichtete Flächen dergestalt zu bedingen, dass künstliche Wirkungen, jenen natürlichen ähnlich, hervorgebracht werden konnten.
Hierbei war freilich sehr viel gewonnen; man hatte einen äußern, künstlichen Apparat, wodurch man den innern, natürlichen nachahmen, kontrollieren und beide gegen einander vergleichen konnte.
Nach dem Gange unserer Darstellung haben wir zuerst den künstlichen Apparat in seiner größten Einfalt mit der Natur in Rapport gesetzt, wir haben den Urquell aller dieser Erscheinungen in der Atmosphäre gefunden, sodann unsere Vorrichtungen gesteigert, um das Phänomen in seiner größten Ausbildung darzustellen; nun gehen wir zu den natürlichen, durchsichtigen, kristallisierten Körpern über und sprechen also von ihnen aus, dass die Natur in das Innerste solcher Körper einen gleichen Spiegelapparat aufgebaut habe, wie wir es mit äußerlichen physisch-mechanischen Mitteln getan, und es bleibt uns noch zu zeigen Pflicht, wie die doppelt refrangierenden Körper gerade die sämtlichen, uns nun schon bekannten Phänomene gleichfalls hervorbringen, dass wir daher, wenn wir ihren natürlichen Apparat mit unserm künstlichen verbinden, die anmutigsten Erscheinungen vor Augen zu stellen fähig sind. Auch hier werden wir aufs Einfachste verfahren und nur drei Körper in Anspruch nehmen, da sich die Erscheinung bei andern ähnlichen immerfort wiederholen muss und wiederholt. Diese drei Körper aber sind der Glimmer, das Fraueneis und der rhombische Kalkspat.

XXIII. Glimmerblättchen
Die Glimmerblätter haben von der Natur den Spiegelungsapparat in sich und zugleich die Fähigkeit, entoptische Farben hervorzubringen; deshalb ist es so bequem als lehrreich, sie mit unsern künstlichen Vorrichtungen zu verbinden.
Um nun das Glimmerblättchen an und für sich zu untersuchen, wird es allein zwischen beide, vorerst parallel gestellte Spiegel gebracht, und hier entdecken sich nach und nach die für uns so merkwürdigen Eigenschaften.
Man bewege das Blättchen hin und her, und der Beschauer wird sogleich bemerken, dass ihm das Gesichtsfeld bald heller, bald dunkler erscheine; ist er recht aufmerksam und die Eigenschaft des Glimmerblättchens vollkommen zusagend, so wird er gewahr werden, dass die helle Erscheinung von einem gelblichen, die dunkle von einem bläulichen Hauch begleitet ist. Wir greifen nun aber zu einer Vorrichtung, welche uns dient, genauere Versuche vorzunehmen.,
Wir stellen den entoptischen Kubus zwischen die zwei parallelen Spiegel an den gewohnten Ort, legen das Glimmerblatt darauf und bewegen es hin und her, auch hier findet die Abänderung vom Hellen ins Dunkle, vom Gelblichen ins Bläuliche statt, dieses aber ist sogleich mit einer Umkehrung der Formen und der Farben in dem Kubus verbunden. Ein solches nun geschieht durch innere Spiegelung des Glimmers, da unsere äußeren Spiegel unbewegt bleiben. Um nun hierüber ferner ins Klare zu kommen, verfahre man folgendermaßen. Man wende das auf dem Kubus liegende Blättchen so lange hin und her, bis die Erscheinung des weißen Kreuzes vollkommen rein ist, als wenn sich nichts zwischen dem Kubus und unsern Augen befände. Nun zeichne man mit einer scharf einschneidenden Spitze auf das Glimmerblatt einen Strich an der Seite des Kubus, die mit uns parallel ist, her und schneide mit der Schere das Glimmerblatt in solcher Richtung durch. Hier haben wir nun die Basis unserer künftigen Operationen. Man drehe nun das Glimmerblatt immer horizontal auf dem Kubus bedächtig herum, und man wird erst Figur und Farbe im Schwanken, endlich aber die völlige Umkehrung, das schwarze Kreuz erblicken. Nun zeichne man die gegenwärtige Lage des Glimmerblattes zu der uns immer noch parallelen Seite des Kubus und schneide auch in dieser Richtung das Glimmerblatt durch, so wird man einen Winkel von 135 Graden mit der Grundlinie finden; hiernach lässt sich nun, ohne weiteres empirisches Herumtasten, sogleich die Form der Tafel angeben, welche uns künftig sämtliche Phänomene gesetzlich zeigen soll; es ist die, welche wir einschalten.
Hier sehen wir nun ein größeres Quadrat, aus dem sich zwei kleinere entwickeln, und sagen, um beim Bezeichnen unsrer Versuche alle Buchstaben und Zahlen zu vermeiden: der Beschauer halte die längere Seite parallel mit Sich, so wird er die lichte Erscheinung erblicken; wählt man die schmale Seite, so haben wir die finstere Erscheinung.
Die etwas umständliche Bildung solcher Tafeln können wir uns dadurch erleichtern, wenn wir nach obiger Figur eine Karte ausschneiden und sie unter die Spiegel, die lange Seite parallel mit uns haltend, bringen, auf derselben aber das Glimmerblatt hin und her bewegen, bis wir die helle Erscheinung vollkommen vor uns sehen. Klebt man in diesem Moment das Blättchen an die Karte fest, so dient uns der Ausschnitt als sichere Norm bei allen unsern Versuchen.
Wenn wir nun die Erscheinungen sämtlich mehrmals durchgehen, so finden wir Blättchen, welche uns entschiedenen Dienst leisten und das Phänomen vollkommen umkehren; andere aber bringen es nicht völlig dazu, sie erregen jedoch ein starkes Schwanken. Dieses ist sehr unterrichtend, indem wir nun daraus lernen, dass die bekannten Kreuze nicht etwa aus zwei sich durchschneidenden Linien entstehen, sondern aus zwei Haken, welche sich aus den Ecken hervor gegen einander bewegen, wie es bei den Chladnischen Tonfiguren der Fall ist, wo solche Haken gleichfalls von der Seite hereinstreben, um das Kreuz im Sande auszubilden.
Ferner ist zu bemerken, dass es auch Glimmerblättchen gebe, welche kaum eine Spur von allen diesen Erscheinungen bemerken lassen. Diese Art ist, da die übrigen meist farblos wie Glastafeln anzusehen sind, auch in ihren feinsten Blättern tombackbraun; die meinigen sind von einer großen Glimmersäule abgetrennt.
Schließlich haben wir nun noch einer sehr auffallenden Farbenerscheinung zu gedenken, welche sich unter folgenden Bedingungen erblicken lässt. Es gibt Glimmerblätter, vorgeschriebenermaßen als sechsseitige Tafeln zugerichtet; diese zeigen in der ersten Hauptrichtung, das heißt, die längere Seite parallel mit dem Beobachter gelegt, keine besondere Farbe als allenfalls einen gelblichen und, wenn wir den oberen Spiegel zur Seite richten, bläulichen Schein; legen wir aber die schmale Seite parallel mit uns, so erscheinen
sogleich die schönsten Farben, die sich bei Seitenwendung des Spiegels in ihre Gegensätze verwandeln, und zwar

Hell

Gelb

Gelbrot

Purpur

Dunkel

Violett

Blau

Grün.

Wobei zu bemerken, dass, wenn man dergleichen Blätter auf den entoptischen Kubus bringt, die Erscheinung des hellen und dunklen Kreuzes mit den schönsten bezüglichen Farben begleitet und überzogen wird.
Und hier stehe denn eine Warnung eingeschaltet am rechten Platze: wir müssen uns wohl in acht nehmen, diese Farben, von denen wir gegenwärtig handeln, nicht mit den epoptischen zu vermischen. Wie nahe sie auch verwandt sein mögen, so besteht doch zwischen ihnen der große Unterschied, dass die epoptischen unter dem Spiegelapparat nicht umgekehrt werden, sondern, gleichviel ob direkt oder von der Seite angeschaut, immer dieselbigen bleiben, dagegen die im Glimmerblättchen erscheinenden beweglicher Art sind und also auf einer höhern Stufe stehen.
Ferner bringen wir den Umstand zur Sprache, dass der stumpfe Winkel der sechsseitigen Tafel, welcher auf unserer Basis aufgerichtet wird und das Umkehren des Phänomens entscheidet, zusammengesetzt ist aus 90 Graden des rechten Winkels und aus 45, welche dem kleinen Quadrat angehören, zusammen 135 Grade. Es wird uns also auf eine sehr einfache Weise auf jene 35 bis 36 Grade gedeutet, unter welchen bei allen Spiegelungen die Erscheinung erlangt wird.
Ferner fügen wir bemerkend hinzu, dass uns noch nicht gelingen wollte zu erfahren, wie unsere empirisch-theoretische sechsseitige Tafel mit den von Natur sechsseitig gebildeten Glimmersäulen und deren Blättern in Übereinstimmung trete. Leider sind unsere wirksamen Glimmertafeln schon in kleine Fensterscheiben geschnitten, deren Seiten zu unseren Phänomen in keinem Bezug stehen. Die einzelnen Glimmerblätter aber, an welchen die sechsseitige Kristallisation nachzuweisen ist, sind gerade diejenigen, welche die Umkehrung hartnäckig verweigern.

XXIV. Fraueneis
Mit durchsichtigen Gipsblättchen verhält es sich gleichermaßen; man spaltet sie so fein als möglich und verfährt mit ihnen auf dieselbe Weise, wie bei dem Glimmer gezeigt worden.
Man untersuche ein solches Blättchen an und für sich zwischen den beiden Spiegeln, und man wird eine Richtung finden, wo es vollkommen klar ist; diese bezeichne man als Basis der übrigen Versuche; man bilde sodann ein Sechseck und richte eine der kürzeren Seiten parallel mit sich, und man wird das Gesichtsfeld mit Farben von der größten Schönheit begabt sehen. Bei der Seitenstellung des Spiegels wechseln sie sämtlich, und es kommen an derselben Stelle die geforderten Gegensätze hervor. Gesellt man ein solches Blättchen zum Kubus, so wird jene erste Richtung die entoptische Erscheinung völlig identisch lassen, in dem zweiten Falle aber das Bild verändert sein. Es werfen sich nämlich die beiden Farben, Purpur und Grün, an die hellen oder dunkeln Züge der Bilder, so dass die Umkehrung als Umkehrung nicht deutlich wird, die Färbung jedoch auf eine solche Veränderung hinweist; denn sobald man den Spiegel nunmehr seitwärts wendet, so erscheint zwar das Bild noch immer vollkommen farbig, allein die Züge, die man vorher grün gesehen, erscheinen purpur, und umgekehrt.
Man sieht hieraus, dass schon bei den zartesten Tafeln das Bild einige Undeutlichkeit erleiden müsse; werden nun gar mehrere über einander gelegt, so wird das Bild immer undeutlicher, bis es zuletzt gar nicht mehr zu erkennen ist. Ich sehe daher das Verschwinden der Erscheinung bei dem Umkehren nur als eine materielle Verdüsterung an, die ganz allein der Unklarheit des angewendeten Mittels zuzuschreiben ist.

XXV. Doppelspat
Von diesem bedeutenden, so oft besprochenen, beschriebenen, bemessenen, berechneten und bemeinten Naturkörper haben wir nur so viel zu sagen, als seine Eigenschaften sich in unserm Kreise manifestieren. Er verhält sich gerade wie die vorhergehenden beiden, nur dass seine rhombische Figur und die Dicke seiner Kristalle einigen Unterschied machen mögen. Legen wir ihn übrigens zwischen die beiden Spiegel so, dass die längere oder kürzere Achse auf dem Beschauer perpendikulär steht, so erscheint das Gesichtsfeld helle, und wir dürften alsdann nur den zu uns gekehrten Winkel abstutzen, so hätten wir, wenn die Operation an der langen Seite geschah, ein Sechseck mit zwei stumpfern Winkeln, und wenn wir die kürzere Diagonale abstutzen, ein etwas spitzwinkligeres Sechseck als unser regelmäßiges erhalten, aber doch immer ein Sechseck, dessen kürzere Seiten, gegen uns gekehrt, das Gesichtsfeld dunkler machen. Hierbei ist es aber keineswegs nötig, dass wir unsere Kristalle verderben, sondern wir heften unsere ausgeschnittene Karte nach bekannter Weise über den Kristall oder zeichnen unsere Intention durch einen leichten Federstrich.
Nun sprechen wir aber mit den vorigen Fällen völlig übereinstimmend aus: die erste Richtung, die das helle Sehfeld bewirkt, lässt die Erscheinung identisch, die Seitenwendung jedoch des bekannten Winkels kehrt die Erscheinung um, welches noch ganz deutlich, jedoch mehr der Farbe als der Form nach an der Umkehrung der blauen Augen in gelbe bemerkt werden kann. Also ist auch hier ein Verschwinden, welches durch vermehrte Körperlichkeit des Mittels hervorgebracht würde, kein physischer, sondern ein ganz gemeiner Effekt der zunehmenden Undurchsichtigkeit.
Nun aber erwartet uns eine höchst angenehme Erscheinung. Lässt man einen solchen rhombischen isländischen Kristall durch Kunst dergestalt zurichten, dass zwei der langen Achsenfläche parallele Abschnitte der Ecken verfugt und geschliffen werden, so wird man, wenn der Körper in dieser Lage zwischen die zwei Spiegel gebracht wird, einmal ein helles, das andere Mal ein dunkles Bild gewahr werden, analog jenen uns bekannten gefärbten entoptischen Bildern; vier helle Punkte stehen zuerst innerhalb eines Kreises, um den sich mehr Kreise versammeln, und es gehen vier pinselartige Strahlungen aus von den Punkten, als hell und durchscheinend. Bei der Seitenwendung zeigt sich der Gegensatz; wir sehen, in Ringe gefasst, ein schwarzes Kreuz, von welchem gleichfalls vier schwarze büschelartige Strahlungen sich entfernen.
Hier hätten wir nun die sämtlichen Erscheinungen beisammen: klare, helle Spiegelung und Identität, dunkle Spiegelung mit Umkehrung, letztere besonders von inwohnenden, aber formlosen Farben begleitet, nun aber den Körper selbst durch künstliche Bereitung in seinem Innern aufgeschlossen und eine bewundernswürdige Erscheinung zum Anschauen gebracht.
So wäre denn also dieser höchst problematische Körper durch Untersuchung nur noch immer problematischer geworden, und mit ihm so mancher andere. Freilich ist es wunderbar genug, dass ihm dreierlei Arten der Farbenerscheinung zugeteilt sind: die prismatischen bei der Brechung, und zwar doppelt und vielfach, die epoptischen zwischen seinen zarten Lamellen, wenn sich diese nur im mindesten mit beibehaltener Berührung auseinander geben, und die entoptischen, durch künstliche Vorbereitung aus seinem Innern aufgeschlossen. Viel ist hiervon gesagt, viel ist zu sagen, für unsere Zwecke sei das Wenige hinreichend.

XXVI. Apparat, vierfach gesteigert
Was man bei allen Experimenten beobachten Sollte, wollten wir, wie sonst auch geschehen, bei dem unsrigen zu leisten suchen. Zuerst sollte das Phänomen in seiner ganzen Einfalt erscheinen, sein Herkommen aussprechen und auf die Folgerung hindeuten.
Unser einfachster Apparat (V) besteht aus einer entoptischen Glastafel, horizontal auf einen dunklen Grund gelegt und gegen die klare Atmosphäre in verschiedenen Richtungen gehalten, da sich denn der ätherische Ursprung der Erscheinungen und die Wirkung des direkten und obliquen Widerscheins sogleich ergibt, dergestalt dass, wenn wir dies recht eingesehen, wir keiner ferneren Versuche bedürften.
Aber es ist nötig, dass wir weiter gehen, die Abhängigkeit von äußeren Umständen zu mindern suchen, um das Phänomen bequemer, auffallender und nach Willen öfter darstellen zu können.
Hierzu bahnt nun unser zweiter Versuch (VI) den Weg, wir bedienen uns eines entoptischen Kubus und eines schwarzen Spiegels; durch jenen lassen wir die atmosphärische Wirkung hindurchgehen und erblicken die farbigen Bilder außerhalb desselben auf dem Spiegel, allein hierbei sind wir immer noch von der Atmosphäre abhängig; ohne einen völlig reinblauen Himmel bringen wir die Erscheinung nicht hervor.
Wir schreiten daher zu dem dritten zusammengesetzteren Apparat (XVII). Wir richten zwei Spiegel gegen einander, von welchen der untere die allseitige Atmosphäre vorstellt, der obere hingegen die jedesmalige besondere Richtung, sie sei direkt, oblique oder in der Diagonale. Hier verbirgt sich nun schon das wahre Naturverhältnis, das Phänomen als Phänomen ist auffallender; aber wenn man von vorn herein nicht schon fundiert ist, so wird man schwerlich rückwärts zur wahren anschauenden Erkenntnis gelangen. Indessen dient uns dieser Apparat täglich und stündlich und wird uns deshalb so wert, weil wir die Zusammenwirkung desselben mit den natürlichen Körpern und ihr wechselseitiges Betragen höchst belehrend finden.
Nun aber haben wir noch einen vierten Apparat, dessen zu erwähnen wir nun Gelegenheit nehmen; er ist zwar der bequemste und angenehmste, dagegen verbirgt er aber noch mehr das Grundphänomen, welches sich niemand rückwärts daraus zu entwickeln unternehmen würde. Er ist höchst sauber und zierlich gearbeitet von dem Glasschleifer Niggl in München und durch die Gunst des Herrn Professor Schweigger in meinen Besitz gekommen; er besteht aus vier Spiegeln, welche, sich auf einander beziehend, sämtliche Phänomene leicht und nett hervorbringen. Der erste Spiegel außerhalb des Apparats fast horizontal gelegen, nimmt das Tageslicht unmittelbar auf und überliefert solches dem zweiten, welcher, innerhalb des Instrumentes schief gestellt, wie der untere erste Spiegel des vorigen Apparates, das empfangene Licht aufwärts schickt; unmittelbar über ihm wird der entoptische Kubus eingeschoben, auf welchen man perpendikular durch ein Sehrohr hinunterblickt; in diesem nun sind statt des Okulars zwei Spiegel angebracht, wovon der eine das Bild des Kubus von unten aufnimmt, der andere solches dem Beschauer ins Auge führt. Kehrt man nun die mit den beiden verbundenen Spiegeln zusammen bewegliche Hülse in die direkte oder Seitenstellung, so verwandeln sich die Bilder gar bequem und erfreulich Farb› und Form nach, und um desto auffallender, da durch das viermal wiederholte Abspiegeln das Licht immer mehr gedämpft und gemäßigt worden. Noch ein anderes höchst erfreuendes Phänomen lässt sich zugleich darstellen, wenn man nämlich an die Stelle des Okulars ein kleines Prisma von Doppelspat setzt, wodurch man die gleichzeitige Erhellung und Verdunkelung bei fortgesetzter Kreisbewegung der Hülse höchst angenehm und überraschend beschauen und wiederholen kann.
Sieht man nun zurück und vergegenwärtigt sich Schritt vor Schritt, wie jene Steigerung vorgegangen, was dazu beigetragen, was sie uns aufgeklärt, was sie verbirgt, so kann man uns in diesem ganzen Felde nichts Neues mehr vorzeigen, indem wir mit den Augen des Leibes und Geistes ungehindert methodisch vor- und rückwärts blicken.

XXVII. Warnung
Wie nahe wir durch unsern vierfach gesteigerten Apparat an den Punkt gekommen, wo das Instrument, anstatt das Geheimnis der Natur zu entwickeln, sie zum unauflöslichen Rätsel macht, möge doch jeder naturliebende Experimentator beherzigen. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass man durch mechanische Vorrichtung sich in den Stand setze, gewisse Phänomene bequemer und auffallender nach Willen und Belieben vorzuzeigen; eigentliche Belehrung aber befördern sie nicht, ja, es gibt unnütze und schädliche Apparate, wodurch die Naturanschauung ganz verfinstert wird, worunter auch diejenigen gehören, welche das Phänomen teilweise oder außer Zusammenhang vorstellen. Diese sind es eigentlich, worauf Hypothesen gegründet, wodurch Hypothesen Jahrhunderte lang erhalten werden; da man aber hierüber nicht sprechen kann, ohne ins Pole mische zu fallen, so darf davon bei unserm friedlichen Vortrag die Rede nicht sein.

XXVIII. Von der innern Beschaffenheit des entoptischen Glases
Wir haben vorhin, indem wir von den entoptischen Eigenschaften gewisser Gläser gesprochen, welche in ihrem Innern Formen und Farben zeigen, uns nur ans Phänomen gehalten, ohne weiter darauf einzugehen, ob sich ausmitteln lasse, wodurch denn diese Erscheinung eigentlich bewirkt werde. Da wir nun jedoch erfahren, dass gleiche Phänomene innerhalb natürlicher Körper zu bemerken sind, deren integrierende Teile durch eigentümliche Gestalt und wechselseitige Richtung gleichfalls Formen und Farben hervorbringen, so dürfen wir nun auch weitergehen und aufsuchen, welche Veränderung innerhalb der Glasplatten bei schnellem Abkühlen sich ereignen und ihnen jene bedeutend-anmutige Fähigkeit erteilen möchte.
Es lässt sich beobachten, dass in Glastafeln, indem sie erhitzt werden, eine Undulation vorgehe, die bei allmählichem Abkühlen verklingt und verschwindet. Durch einen solchen geruhigen Obergang erhält die Masse eine innere Bindung, Konsistenz und Kraft, um bis auf einen gewissen Grad äußerer Gewalt widerstehen zu können. Der Bruch ist muschlig, und man könnte diesen Zustand, wenn auch uneigentlich, zäh nennen.
Ein schnelles Abkühlen aber bewirkt das Gegenteil, die Schwingungen scheinen zu erstarren, die Masse bleibt innerlich getrennt, spröde, die Teile stehen nebeneinander und, obgleich vor wie nach durchsichtig, behält das Ganze etwas, das man Punktualität genannt hat. Durch den Demant geritzt, bricht die Tafel reiner als eine des langsam abgekühlten Glases; sie braucht kaum nachgeschliffen zu werden.
Auch zerspringen solche Gläser entweder gleich oder nachher, entweder von sich selbst oder veranlasst. Man kennt jene Flaschen und Becher, welche durch hineingeworfene Steinchen rissig werden, ja zerspringen.
Wenn von geschmolzenen Glastropfen, die man zu schnellster Verkühlung ins Wasser fallen ließ, die Spitze abgebrochen wird, zerspringen sie und lassen ein pulverartiges Wesen zurück; darunter findet ein aufmerksamer Beobachter einen noch zusammenhängenden kleinen Bündel stengliger Kristallisation, die sich um das in der Mitte eingeschlossene Luftpünktchen bildete. Eine gewisse solutio continui ist durchaus zu bemerken.
Zugleich mit diesen Eigenschaften gewinnt nun das Glas die Fähigkeit, Figuren und Farben in seinem Innern sehen zu lassen. Denke man sich nun jene beim Erhitzen beobachteten Schwingungen unter dem Erkalten fixiert, so wird man sich nicht mit Unrecht dadurch entstehende Hemmungspunkte, Hemmungslinien einbilden können und dazwischen freie Räume, sämtlich in einem gewissen Grade trüb, so dass sie, bezugsweise bei veränderter Lichteinwirkung, bald hell, bald dunkel erscheinen können.
Kaum aber haben wir versucht, uns diese wundersame Naturwirkung einigermaßen begreiflich zu machen, so werden wir abermals weiter gefordert; wir finden unter andern veränderten Bedingungen wieder neue Phänomene. Wir erfahren nämlich, dass diese Hemmungspunkte, diese Hemmungslinien in der Glastafel nicht unauslöschlich fixiert und für immer befestigt dürfen gedacht werden; denn obschon die ursprüngliche Figur der Tafel vor dem Glühen den Figuren und Farben, die innerhalb erscheinen sollen, Bestimmung gibt, so wird doch auch nach dem Glühen und Verkühlen bei veränderter Form die Figur verändert. Man schneide eine viereckte Platte mitten durch und bringe den parallelepipedischen Teil zwischen die Spiegel, so werden abermals vier Punkte in den Ecken erscheinen, zwei und zwei weit von einander getrennt, und von den langen Seiten herein der helle oder dunkle Raum viel breiter als von den schmalen. Schneidet man eine viereckte Tafel in der Diagonale durch, so erscheint eine Figur, derjenigen ähnlich, die sich fand, wenn man Dreiecke glühte.
Suchten wir uns nun vorhin mit einer mechanischen Vorstellungsart durchzuhelfen, so werden wir schon wieder in eine höhere, in die allgemeine Region der ewig lebenden Natur gewiesen; wir erinnern uns, dass das kleinste Stück eines zerschlagenen magnetischen Eisensteins ebenso gut zwei Pole zeigt als das Ganze.

XXIX. Umsicht
Wenn es zwar durchaus tätlich, ja höchst notwendig ist, das Phänomen erst an sich selbst zu betrachten, es in sich selbst sorgfältig zu wiederholen und solches von allen Seiten aber und abermals zu beschauen, so werden wir doch zuletzt angetrieben, uns nach außen zu wenden und von unserm Standpunkte aus allenthalben umherzublicken, ob wir nicht ähnliche Erscheinungen zu Gunsten unseres Vornehmens auffinden möchten; wie wir denn soeben an den so weit abgelegenen Magneten zu gedenken unwillkürlich genötigt worden.
Hier dürfen wir also die Analogie als Handhabe, als Hebel, die Natur anzufassen und zu bewegen, gar wohl empfehlen und anrühmen. Man lasse sich nicht irre machen, wenn Analogie manchmal irre führt, wenn sie, als zu weit gesuchter willkürlicher Witz, Völlig in Rauch aufgeht. Verwerfen wir ferner nicht ein heiteres, humoristisches Spiel mit den Gegenständen, schickliche und unschickliche Annäherung, ja Verknüpfung des Entferntesten, womit man uns in Erstaunen zu setzen, durch Kontrast auf Kontrast zu überraschen trachtet. Halten wir uns aber zu unserm Zweck an eine reine, methodische Analogie, wodurch Erfahrung erst belebt wird, indem das Abgesonderte und entfernt Scheinende verknüpft, dessen Identität entdeckt und das eigentliche Gesamtleben der Natur auch in der Wissenschaft nach und nach empfunden wird.
Die Verwandtschaft der entoptischen Figuren mit den übrigen physischen haben wir oben schon angedeutet; es ist die nächste, natürlichste und nicht zu verkennen. Nun müssen wir aber auch der physiologischen gedenken, welche hier in vollkommener Kraft und Schönheit hervortreten. Hieran finden wir abermals ein herrliches Beispiel, dass alles im Universen zusammenhängt, sich aufeinander bezieht, einander antwortet. Was in der Atmosphäre vorgeht, begibt sich gleichfalls in des Menschen Auge, und der entoptische Gegensatz ist auch der Physiologe. Man schaue in dem obern Spiegel des dritten Apparates das Abbild des untenliegenden Kubus; man nehme sodann diesen schnell hinweg, ohne einen Blick vom Spiegel zu verwenden, so wird die Erscheinung, die helle wie die dunkle, als gespenstiges Bild umgekehrt im Auge stehen und die Farben zugleich sich in Ihre Gegensätze verwandeln, das Bräunlichgelb in Blau, und umgekehrt, dem natursinnigen Forscher zu großer Freude und Kräftigung.
Sodann aber wenden wir uns zur allgemeinen Naturlehre und versichern nach unserer Überzeugung folgendes: sobald die verschiedene Wirkung des direkten und obliquen Widerscheins eingesehen, die Allgemeinheit jenes Gesetzes anerkannt sein wird, so muss die Identität unzähliger Phänomene sich alsobald betätigen; Erfahrungen werden sich aneinander schließen, die man als unzusammenhängend bisher betrachtet und vielleicht mit einzelnen hypothetischen Erklärungsweisen vergebens begreiflicher zu machen gesucht. Da wir aber gegenwärtig nur die Absicht haben können, den Geist zu befreien und anzuregen, so blicken wir ringsumher, um näher oder ferner auf gewisse Analogien zu deuten, die sich in der Folge an einander schließen, sich aus und gegen einander entwickeln mögen. Weiter kann unser Geschäft nicht gehen; denn wer will eine Arbeit übernehmen, die der Folgezeit noch manche Bemühung zumuten wird!

XXX. Chladnis Tonfiguren
Alle geistreiche, mit Naturerscheinungen einigermaßen bekannte Personen, sobald sie unsern entoptischen Kubus zwischen den Spiegeln erblickten, riefen jedesmal die Ähnlichkeit mit den Chladnischen Figuren, ohne sich zu besinnen, lebhaft aus, und wer wollte sie auch verkennen! Dass nun diese äußeren auffallenden Erscheinungen ein gewisses inneres Verhältnis und in der Entstehungsart viel Übereinstimmung haben, ist gegenwärtig darzutun.

Figuren
Chladnis Seebecks
entstehen
1) durch Schwingungen 1) durch Schwingungen
Diese werden bewirkt
2) durch Erschüttern der Glastafeln; 2) durch Glühen der Glastafeln, durch Druck ec.;
verharren
3) in Ruhe; 3) durch schnelle Verkühlung;
verschwinden
4) durch neues Erschüttern; 4) durch neues Glühen und langsame Erkaltung;
sie richten sich
5) nach der Gestalt der Tafel; 5) nach der Gestalt der Tafel;
sie bewegen sich
6) von außen nach innen; 6) von außen nach innen;
ihre Anfänge sind
7) parabolische Linien, welche mit ihren Gipfeln gegeneinander streben, beim Quadrat von der Seite, um ein Kreuz zu bilden; 7) parabolische Linien, welche mit ihren Gipfeln gegeneinander streben, beim Quadrat aus den Ecken, um ein Kreuz zu bilden;
sie vermannigfaltigen sich
8) bei Verbreiterung der Tafel; 8) bei Vermehrung der übereinander gelegten Tafeln;
sie beweisen sich
9) als oberflächlich. 9) als innerlichst.

Mögen vorerst diese Bezüge hinreichen, um die Verwandtschaft im allgemeinen anzudeuten; gewiss wird dem Forscher nichts angenehmer sein als eine hierüber fortgesetzte Betrachtung. Ja, die reale Vergleichung beider Versuche, die Darstellung derselben nebeneinander durch zwei Personen, welche solchen Experimenten gewachsen wären, müsste viel Vergnügen geben und dem innern Sinn die eigentliche Vergleichung überlassen, die freilich mit Worten nie vollkommen dargestellt werden kann, weil das innere Naturverhältnis, wodurch sie bei himmelweiter Verschiedenheit einander ähnlich werden, immer von uns nur geahnet werden kann.

XXXI. Atmosphärische Meteore
Da nach unserer Überzeugung die nähere Einsicht in die Effekte des direkten und obliquen Widerscheins auch zur Erklärung der atmosphärischen Meteore das ihrige beitragen wird, so gedenken wir derselben gleichfalls an dieser Stelle. Der Regenbogen, ob wir ihn gleich als durch Refraktion gewirkt anerkennen, hat doch das Eigene, dass wir die dabei entspringenden Farben eigentlich innerhalb der Tropfen sehen; denn auf dem Grunde derselben spiegelt sich die bunte Verschiedenheit.
Nun kommen die Farben des untern Bogens nach einem gewissen Gesetze zu unserm Auge und auf eine etwas kompliziertere Weise die Farben des oberen Bogens gleichfalls; sobald wir dies eingesehen, so folgern wir, dass aus dem Raum zwischen den zwei Bogen kein Licht zu unserm Auge gelangen könne, und dieses bestätigt sich dem aufmerksamen Beobachter durch folgenden Umstand. Wenn wir auf einer reinen, vollkommen dichten Regenwand, weIcher die Sonne klar und mächtig gegenübersteht, die beiden Bogen vollkommen ausgedrückt finden, so sehen wir den Raum zwischen beiden Bogen dunkelgrau, und zwar entschieden dunkler als über und unter der Erscheinung.
Wir schöpften daher die Vermutung, dass auch hier ein in gewissem Sinne obliquiertes Licht bewirkt werde, und richteten unseren zweiten entoptischen Apparat gegen diese Stelle, waren aber noch nicht so glücklich, zu einem entschiedenen Resultate zu gelangen. So viel konnten wir bemerken, dass, wenn der Regenbogen selbst durch unsern entoptischen Kubus durchfiel, das weiße Kreuz erschien und er sich also dadurch als direkten Widerschein erwies. Der Raum unmittelbar drüber, welcher nach der Vermutung das schwarze Kreuz hätte hervorbringen Sollen, gab uns keine deutliche Erscheinung, da wir, seit wir auf diesen Gedanken gekommen, keinen entschieden vollkommenen doppelten Regenbogen und also auch keinen gesättigten dunklen Raum zwischen beiden beobachten konnten. Vielleicht gelingt es andern Naturfreunden besser.
Die Höfe, in deren Mitte Sonne und Mond stehen, die Nebensonnen und anderes erhalten durch unsere Darstellung gewiss in der Folge manche Aufklärung. Die Höfe, deren Diameter vierzig Grad ist, koinzidieren wahrscheinlich mit dem Kreise, in welchem man bei dem höchsten Stand der Sonne um sie her das schwarze Kreuz bemerkt, ehe die entoptische Erscheinung von dem gewaltsamen Lichte aufgehoben wird. Hier wäre nun der Platz, mit Instrumenten zu operieren; Zahlen und Grade würden sehr willkommen sein Richtet sich dereinst die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diese Punkte, gewinnt unser Vortrag sich mit der Zeit Vertrauen, so wird auch hierzu Rat werden wie zu so vielem andern.
Ein auffallendes Meteor, welches offenbar durch direkten Widerschein hervorgebracht worden, beschreibt uns der aufmerksame Reisende Bory de St. Vincent folgendermaßen:
»Le soir du 2. Germinal l’an X nous vîmes un très-beau phénomène lumineux. Le ciel était pur, surtout vers le couchant; et au moment où le soleil approchait de l’horizon, on distingua du côzé diamétralement opposé cinq ou six faisceaux de rayons lumineux. Ils partaient, en divergeant, d’un demi-disque pareil à un grand globe, dont l’horizon sensible eût caché la moitié. Ce demi-disque &ait de la couleur du ciel, quand son azur brille du plus grand éclat. Les rayons paraissaient d’autant plus vifs, que le soleil était le plus près de disparaître.
Le couchant s’étant rempli de nuages, qui dérobaient la vue du soleil, le phénomène lumineux ne cessa pas; I’instant où il fut le plus sensible, fut celui où l’astre du jour dût être descendu sous l’horizon; dès-lors son éclat diminua, et disparut peu-à-peu.«

XXXII. Paradoxer Seitenblick auf die Astrologie
Ein phantastisches Analogon der Wirksamkeit unseres direkten und obliquen Widerscheins finden wir schon in der Astrologie, doch mit dem Unterschiede, dass von ihren Eingeweihten der direkte Widerschein, den wir als heilsam erkennen, für schädlich geachtet wird; mit dem Geviertschein jedoch, welcher mit unserm obliquierten zusammenfällt und den auch wir als deprimierend ansprechen, haben sie es getroffen, wenn sie denselben für widerwärtig und unglücklich erklärten. Wenn sodann der Gedrittschein und Gesechstschein, welchen wir für schwankend erklären, von ihnen als heilsam angenommen wird, so möchte dies allenfalls gelten und würde der Erfahrung nicht sehr widersprechen; denn gerade an dem Schwankenden, Gleichgültigen beweist der Mensch seine höhere Kraft und wendet es gar leicht zu seinem Vorteil.
Durch diese Bemerkungen wollen wir nur so viel sagen, dass gewisse Ansichten der irdischen und überirdischen Dinge, dunkel und klar, unvollständig und vollkommen, gläubig und abergläubisch, von jeher vor dem Geiste der Menschen gewaltet, welches kein Wunder ist, da wir alle auf gleiche Weise gebaut sind und wohlbegabte Menschen sämtlich die Welt aus einem und demselben Sinne anschauen; daher denn, es werde entdeckt, was da wolle, immer ein Analogon davon in früherer Zeit aufgefunden werden kann.
Und so haben die Astrologen, deren Lehre auf gläubige, unermüdete Beschauung des Himmels begründet war, unsere Lehre von Schein, Rück-, Wider- und Nebenschein vorempfunden; nur irrten sie darin, dass sie das Gegenüber für ein Widerwärtiges erklärten, da doch der direkte Rück- und Widerschein für eine freundliche Erwiderung des ersten Scheins zu achten. Der Vollmond steht der Sonne nicht feindlich entgegen, sondern sendet ihr gefällig das Licht zurück, das sie ihm verlieh; es ist Artemis, die freundlich und sehnsuchtsvoll den Bruder anblickt.
Wollte man daher diesem Wahnglauben fernerhin einige Aufmerksamkeit schenken, so müsste man nach unsern Angaben und Bestimmungen bedeutende Horoskope, die schon in Erfüllung gegangen sind, rektifizieren und beachten, inwiefern unsere Auslegungsart besser als jene Annahme mit dem Erfolg übereintreffe.
So würde z. B. eine Geburt, die gerade in die Zeit des Vollmondes fiele, für höchst glücklich anzusehen sein; denn der Mond erscheint nun nicht mehr als Widersacher, den günstigen Einfluss der Sonne hemmend und sogar aufhebend, sondern als ein freundlich milder, nachhelfender Beistand, als Lucina, als Hebamme. Welche große Veränderung der Sterndeutekunst durch diese Auslegungsart erwüchse, fällt jedem Freund und Gönner solcher Wunderlichkeiten alsobald in die Augen.

XXXIII. Mechanische Wirkung
Sollten wir nun vielleicht den Vorwurf hören, dass wir mit Verwandtschaften, Verhältnissen, mit Bezügen, Analogien, Deutungen und Gleichnissen zu weit umhergegriffen, so erwidern wir, dass der Geist sich nicht beweglich genug erhalten könne, weil er immer fürchten muss, an diesem oder jenem Phänomen zu erstarren; doch wollen wir uns sogleich zur nächsten Umgebung zurückwenden und die Fälle zeigen, wo wir jene allgemeinen kosmischen Phänomene mit eignet Hand technisch hervorbringen und also ihre Natur und Eigenschaft näher einzusehen glauben dürfen. Aber im Grunde sind wir doch nicht, wie wir wünschen, durchaus gefördert; denn selbst was wir mechanisch leisten, müssen wir nach allgemeinen Naturgesetzen bewirken, und die letzten Handgriffe haben immer etwas Geistiges, wodurch alles körperlich Greifbare eigentlich belebt und zum Unbegreiflichen erhoben wird.
Man spanne ein starkes Glastäfelchen, das keine entoptischen Eigenschaften hat, in einen metallnen Schraubstock dergestalt, dass zwei entgegengesetzte Punkte der Peripherie vorzüglich affiziert werden, man bringe diese Vorrichtung unter die Spiegel, so wird man eine von jenen beiden Punkten ausgehende Erscheinung erblicken; sie ist büschelförmig, teils hell, teils dunkel nach dem Gesetz gefärbt und sucht sich durch eine ovale Neigung gegen einander zu verbinden. Durch den Druck geht also eine Veränderung der Textur der Bestandteile vor, ihre Lage gegen einander wird verändert, und wir dürfen eine solutio continui, wie bei dem schnell verkühlten Glase vorgeht, annehmen.
Eine ähnliche Erfahrung gibt uns hierüber abermals einiges Licht. Es fand sich ein knopfartig gearbeitetes Stück Bernstein, vollkommen klar, in der Mitte durchbohrt; zwischen die Spiegel gebracht, zeigten sich vier aus dem Mittelpunkt ausgehende weiße und bei der Umkehrung schwarze Strahlenbüschel. Hier scheint der Bohrer, aus der Mitte gegen die Seite drückend, eben dieselbe Wirkung hervorgebracht zu haben, als die Zwinge auf die Seiten der Glastafel, nur dass hier immanent geblieben war, was bei der Glastafel, wenn die Zwinge geöffnet wird, sogleich vorüber ist. Wir ließen, um der Sache mehr beizukommen, einige Stücke Bernstein durchbohren; das Phänomen gelang aber nicht zum zweiten Mal.

XXXIV. Damastweberei
Wo wir aber diese Erscheinung mit Händen greifen können, indem wir sie selbst technisch hervorbringen, ist bei dem Damastweben. Man nehme eine gefaltete Serviette von schön gearbeitetem, wohl gewaschenem und geglättetem Tafelzeuge und halte sie flach vor sich gegen das Licht; man wird Figuren und Grund deutlich unterscheiden. In einem Fall sieht man den Grund dunkel und die Figuren hell; kehre man die Serviette im rechten Winkel nunmehr gegen das Licht, so wird der Grund hell, die Figuren aber dunkel erscheinen; wendet man die Spitze gegen das Licht, dass die Fläche diagonal erleuchtet wird, so erblickt man weder Figuren noch Grund, sondern das Ganze ist von einem gleichgültigen Schimmer erleuchtet.
Diese Erscheinung beruht auf dem Prinzip der Damastweberei, wo das nach Vorschrift abwechselnde Muster darzustellen, die Fäden auf eine eigene Weise übers Kreuz gerichtet sind, so dass die Gestalten hell erscheinen, wenn das Licht der Fadenlänge nach zu unserm Auge kommt, dunkel aber von denen Fäden, welche quer gezogen sind. Die auf den Beschauer gerichteten Fäden leiten das Licht bis zu den Augen und bringen solches direkt zur Erscheinung; die durchkreuzenden dagegen führen das Licht zur Seite und müssen daher als dunkel oder beschattet gesehen werden. In der Diagonale beleuchtet, führen sie beide das Licht vom Auge abwärts und können sich nur als gleichgültigen Schein manifestieren.
Hier geht nun eben dasselbe hervor, was sich am großen Himmel ereignet, und des Webers Geschicklichkeit verständigt uns über die Eigenschaften der Atmosphäre. Zu meinem Apparat ließ ich durch eine geschickte Näherin erst ein Damenbrettmuster, woran sich die Erscheinung am entschiedensten zeigt, mit den zartesten Fäden sticken, sodann aber das entoptische Kreuz mit den Punkten in den Ecken, das man denn, je nachdem die Fläche gegen das Licht gerichtet ist, hell oder dunkel schauen kann.

XXXV. Ähnelnde theoretische Ansicht
Da wir uns bemühen, in dem Erfahrungskreise analoge Erscheinungen aufzusuchen, so ist es nicht weniger wichtig, wenn wir auf Vorstellungsarten treffen, welche, theoretisch ausgesprochen, auf unsere Absicht einiges Licht werfen können.
Ein geistreicher Forscher hat die entoptischen Erscheinungen und die damit nahe verwandten Phänomene der doppelten Refraktion dadurch aufzuklären getrachtet, dass er longitudinale und transversale Schwingungen des Lichtes annahm. Da wir nun in der Damastweberei den Widerschein des Lichtes durch Fäden bedingt sehen, welche teils der Länge, teils der Quere nach zu unserm Auge gerichtet sind, so wird uns niemand verargen, wenn wir in dieser Denkart eine Annäherung an die unsrige finden; ob wir gleich gern bekennen, dass wir jene Bedingungen nach unserer Weise nicht im Licht als Licht, sondern am Lichte, das uns nur mit der erfüllten Räumlichkeit, mit der zartesten und dichtesten Körperlichkeit zusammentreffend erscheinen kann, bewirkt finden.

XXXVI. Gewässertes Seidenzeug
Dieses wird erst in Riefen oder Maschen gewoben oder gestrickt und alsdann durch einen ungleich glättenden Druck dergestalt geschoben, dass Höhen und Tiefen miteinander abwechseln, wodurch bei verschiedener Richtung des Seidenzeuges gegen den Tag der Widerschein bald unserm Auge zugewendet, bald abgewendet wird.

XXXVII. Gemodelte Zinn-Oberfläche
Hierher gehört gleichfalls die mannigfaltige und wundersam erfreuliche Erscheinung, wenn eine glatte Zinn-Oberfläche durch verdünnte Säuren angegriffen und dergestalt behandelt wird, dass dendritische Figuren darauf entstehen. Der Beobachter stelle sich mit dem Rücken gegen das Fenster und lasse das Licht von der einen Seite auf die vertikale Tafel fallen, so wird man den einen Teil der Zweige hell und erhöht, den andern dunkel und vertieft erblicken; nun kehre man sich leise herum, bis das Licht zur rechten Seite hereintritt: das erst Helle wird nun dunkel, das Dunkele hell, das Erhöhte vertieft und beschattet, das Vertiefte erhöht und erleuchtet in erfreulicher Mannigfaltigkeit erscheinen. Solche Bleche, mit farbigem Lackfirnis überzogen, haben sich durch ihren anmutigen Anblick zu mancherlei Gebrauch empfohlen. Auch an solchen lackierten Flächen lässt sich der Versuch gar wohl anstellen; doch ist es besser, beim entoptischen Apparat der Deutlichkeit wegen ungefirniste Bleche vorzuzeigen.

XXXVIII. Oberflächen natürlicher Körper
Alle diejenigen Steinarten, welche wir schillernde nennen, schließen sich hier gleichfalls an. Mehreres, was zum Feldspat gerechnet wird, Adular, Labrador, Schriftgranit, bringen das Licht durch Widerschein zum Auge, oder anders gerichtet leiten sie es ab. Man schleift auch wohl dergleichen Steine etwas erhaben, damit die Wirkung auffallender und abwechselnder werde und die helle Erscheinung gegen die dunkle schneller und kräftiger kontrastiere. Das Katzenauge steht hier obenan; doch lassen sich Asbeste und Selenite gleichmäßig zurichten.

XXXIX. Rückkehr und Wiederholung
Nachdem wir nun die Bahn, die sich uns eröffnete, nach Kräften zu durchlaufen gestrebt, kehren wir zum Anfang, zum Ursprung sämtlicher Erscheinungen wieder zurück. Der Urquell derselben ist die Wirkung der Sonne auf die Atmosphäre, auf die unendliche blaue Räumlichkeit. In freister Welt müssen wir immer wieder unsere Belehrung suchen.
Bei heiterem Himmel vor Aufgang der Sonne sehen wir die Seite, wo sie sich ankündigt, heller als den übrigen Himmel, der uns rein und gleich blau erscheint; eben dasselbe gilt vom Untergange. Die Bläue des übrigen Himmels erscheint uns völlig gleich. Tausendmal haben wir das reine, heitere Gewölb des Himmels betrachtet, und es ist uns nicht in die Gedanken gekommen, dass es je eine ungleiche Beleuchtung heruntersenden könne, und doch sind wird hierüber nunmehr durch Versuche und Erfahrungen belehrt. –‹
Da wir nun aber über diese Ungleichheit der atmosphärischen Wirkung schon aufgeklärt waren, versuchten wir mit Augen zu sehen, was wir folgern konnten: es müsse nämlich im direkten Gegenschein der Sonne der Himmel ein helleres Blau zeigen als zu beiden Seiten; dieser Unterschied war jedoch nie zu entdecken, auch dem Landschaftsmaler nicht, dessen Auge wir zum Beistand anrief en.
Dass aber die durch entoptische Gläser entdeckte ungleiche Beleuchtung für ein glücklich gebornes, geübtes Malerauge bemerklich sei, davon gibt Nachstehendes sichere Kunde.

XL. Wichtige Bemerkung eines Malers
Ein vorzüglicher, leider allzu früh von uns geschiedener Künstler, Ferdinand Jagemann, dem die Natur nebst andern Erfordernissen ein scharfes Auge für Licht und Schatten, Farbe und Haltung gegeben, erbaut sich eine Werkstatt zu größeren und kleineren Arbeiten; das einzige hohe Fenster derselben wird nach Norden, gegen den freisten Himmel gerichtet, und nun dachte man allen Bedingungen dieser Art genug getan zu haben.
Als unser Freund jedoch eine Zeitlang gearbeitet, wollte ihm beim Porträtmalen scheinen, dass die Physiognomien, die er nachbildete, nicht zu jeder Stunde des Tages gleich glücklich beleuchtet seien, und doch war an ihrer Stellung nicht das Mindeste verrückt, noch die Beschaffenheit einer vollkommen hellen Atmosphäre irgend verändert worden.
Die Abwechselung des günstigen und ungünstigen Lichts hielt ihre Tagesperioden; am frühsten Morgen erschien es am widerwärtigsten grau und unerfreulich; es verbesserte sich, bis endlich, etwa eine Stunde vor Mittag, die Gegenstände ein ganz anderes Ansehen gewannen, Licht, Schatten, Farbe, Haltung, alles in seiner größten Vollkommenheit sich dem Künstlerauge darbot, so wie er es der Leinwand anzuvertrauen nur wünschen konnte. Nachmittags verschwindet diese herrliche Erscheinung; die Beleuchtung verschlimmert sich, auch am klarsten Tage, ohne dass in der Atmosphäre irgend eine Veränderung vorgegangen wäre.
Als mir diese Bemerkung bekannt ward, knüpfte ich solche sogleich in Gedanken an jene Phänomene, mit denen wir uns so lange beschäftigten, und eilte, durch einen physischen Versuch dasjenige zu bestätigen und zu erläutern, was ein hellsehender Künstler ganz für sich, aus eingeborner Gabe, zu eigner Verwunderung, ja Bestürzung entdeckt hatte. Ich schaffte unsern zweiten entoptischen Apparat herbei, und dieser verhielt sich, wie man nach Obigem vermuten konnte. Zur Mittagszeit, wenn der Künstler seine Gegenstände am besten beleuchtet sah, gab der nördliche direkte Widerschein das weiße Kreuz, in Morgen- und Abendstunden hingegen, wo ihm das widerwärtige, obliquierte Licht beschwerlich fiel, zeigte der Kubus das schwarze Kreuz, in der Zwischenzeit erfolgten die Übergänge.
Unser Künstler also hatte mit zartem geübten Sinn eine der wichtigsten Naturwirkungen entdeckt, ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Der Physiker kommt ihm entgegen und zeigt, wie das Besondere auf dem Allgemeinen ruhe.
Wir gedenken ähnlicher Fälle, die uns überraschten lange vorher, ehe die Kenntnis dieser Erscheinung uns freute. In Rom, wo wir zehn Wochen des allerreinsten Himmels ohne die mindeste Wolke genossen, war es überhaupt gute Zeit, Gemälde zu sehen. Ich erinnere mich aber, dass eine in meinem Zimmer aufgestellte Aquarellzeichnung mir auf einmal so unendlich schön vorkam, als ich sie niemals gesehen. Ich schrieb es damals eben dem reinen Himmel und einer glücklichen augenblicklichen Disposition der Augen zu; nun, wenn ich der Sache wieder gedenke, erinnere ich mich, dass mein Zimmer gegen Abend lag, dass diese Erscheinung mir des Morgens zuerst auffiel, den ganzen Tag aber wegen des hohen Sonnenstandes Platz greifen konnte.
Da nun aber gegenwärtig diese entschiedene Wirkung zum Bewusstsein gekommen ist, so können Kunstfreunde beim Beschauen und Vorzeigen ihrer Bilder sich und andern den Genuss gar sehr erhöhen, ja Kunsthändler den Wert ihrer Bilder durch Beobachtung eines glücklichen Widerscheins unglaublich steigern.
Wenn uns nun kein Geheimnis blieb, wie wir ein fertiges Bild stellen müssen, um solches in seinem günstigsten Lichte zu zeigen, so wird der Künstler um so mehr, wenn er etwas nachbildet, das oblique Licht vermeiden und seine Werkstatt allenfalls mit zwei Fenstern versehen, eines gegen Abend, das andere gegen Norden. Das erste dient ihm für die Morgenstunden, das zweite bis zwei, drei Uhr Nachmittag, und dann mag er wohl billig feiern. Es sagte jemand im Scherz, der fleißige Maler müsse seine Werkstatt wie eine Windmühle beweglich anlegen, da er denn bei leichtem Drehen um die Achse, wo nicht gar durch ein Uhrwerk wie ein umgekehrtes Helioskop, dem guten Licht von Augenblick zu Augenblick folgen könne.
Ernsthafter ist die Bemerkung, dass im hohen Sommer, wo der Himmel schon vor zehn Uhr ringsumher das weiße Kreuz gibt und sich bis gegen Abend bei diesem günstigen Licht erhält, der Maler, wie durch die Jahreszeit so auch durch diesen Umstand aufgefordert, am fleißigsten zu sein Ursache habe.
Leider muss ich jedoch bei unserer oft umhüllten Atmosphäre zugleich bekennen, dass die Wirkungen sich oft umkehren und gerade das Gegenteil von dem Gehofften und Erwarteten erfolgen könne; denn so wird z. B. bei den Nebelmorgen die Nordseite das weiße Kreuz und also ein gutes Licht geben, und der Maler, der hierauf achtete, würde sich einiger guter Stunden getrösten können. Deswegen sollte jeder Künstler unsern zweiten Apparat in seiner Werkstatt haben, damit er sich von den Zuständen und Wirkungen der Atmosphäre jederzeit unterrichten und seine Maßregeln darnach nehmen könne.

XLI. Fromme Wünsche
Aus dem Bisherigen folgt, dass man bei einer so mühsamen Bearbeitung dieses Gegenstandes eine lebhaftere Teilnahme als bisher hoffen und wünschen muss.
An die Mechaniker ergeht zuerst unsere Bitte, dass sie sich doch möchten auf die Bereitungen entoptischer Tafeln legen. Die reinste Glasart aus Quarz und Kali ist hierzu die vorzüglichste. Wir haben Versuche mit verschiedenen Glasarten gemacht und zuletzt auch mit dem Flintglas, fanden aber, dass diese nicht allein häufiger sprangen als andere, sondern auch durch die Reduktion des Bleies innerlich fleckig wurden, obgleich die wenigen Platten, welche an beiden Fehlern nicht litten, die Erscheinung vollkommen sehen ließen.
Ferner bitten wir die Mechaniker, aus solchen Tafeln, die nur 11/4 Zoll im Viereck zu haben brauchen, übereinander gelegt einen Kubus zu bilden und ihn in eine messingene Hülse zu fassen, oben und unten offen, an deren einem Ende sich ein schwarz angelaufener Spiegel im Scharnier gleichsam als ein Deckelchen bewegte. Diesen einfachen Apparat, womit die eigentlichen Haupt- und Urversuche können angestellt werden, empfehlen wir jedem Naturfreunde; uns wenigstens kommt er nicht von der Seite. Reisenden würden wir ihn besonders empfehlen; denn wie angenehm müsste es sein, in einem Lande, wo der Himmel monatelang blau ist, diese Versuche von der frühesten Morgendämmerung bis zur letzten Abenddämmerung zu wiederholen. Man würde alsdann in den längsten Tagen auch schon mit einem einfachen Apparat den Bezirk um die Sonne, wo der schwarze Kreis erscheint, näher bestimmen können; ferner würde, je mehr man sich der Linie nähert, zu Mittage rings um den Horizont der weiße Kreis vollkommen sichtbar sein. Auf hohen Bergen, wo der Himmel immer mehr ein tieferes Blau zeigt, würde sehr interessant sein, zu erfahren, dass die Atmosphäre, auch aus dem dunkelsten Blau den direkten Widerschein zu uns herabsendend, immer noch das weiße Kreuz erzeugt; ferner müsste in nördlichen Ländern, wo die Nächte kurz, oder wo die Sonne gar nicht untergeht, dieses allgemeine Naturgesetz wieder auf eine besondere Weise sich betätigen. Auch wären bei leichten oder dichteren Nebeln die Beobachtungen nicht zu versäumen, und wer weiß, was nicht alles für Gelegenheiten einem geistreichen Beobachter die anmutigste Belehrung darböten, nicht gerechnet, dass er sogar ein heiteres Spielzeug in der Tasche trägt, wodurch er jedermann überraschen, unterhalten und zugleich ein Phänomen allgemeiner bekannt machen kann, welches, als eine der wichtigsten Entdeckungen der neuesten Zeit, immer mehr geachtet werden wird. Wenn nun solche muntre Männer in der weiten Welt auf diesen Punkt ihre Tätigkeit im Vorübergehen wendeten, so würde es Akademien der Wissenschaften wohl geziemen, den von uns angezeigten vierfachen Apparat fertigen zu lassen und in gleicher Zeit alle übrigen Körper und Einrichtungen, die wir in der Farbenlehre zu einfacheren und zusammengesetzteren Versuchen angedeutet, aufzustellen, damit die entoptischen Farben in Gefolg der physiologischen, physischen und chemischen vorgezeigt und die Farbenlehre, welche doch eigentlich auf die Augen angewiesen ist, endlich einmal methodisch könne vor Augen gestellt werden.
Es würde sodann auch der Vortrag akademischer Lehrer in diesem Fache mehr Klarheit gewinnen und dem frischen Menschenverstande der Jugend zu Hilfe kommen, anstatt dass man jetzt noch immer die Köpfe verderben muss, um sie belehren zu können. Und gerade in diesem Fache, vielleicht mehr als irgend einem andern, drohet der Physik eine Verwirrung, die mehrere Lustra anhalten kann; denn indem man das alte Unhaltbare immer noch erhalten und fortpflanzen will, so dringt sich doch auch das neue Wahrhaftige, und wär› es auch nur in einzelnen Teilen, den Menschen auf; nun kommt die Zeit, wo man jenes nicht ganz verwerfen, dieses nicht ganz aufnehmen will, sondern beides einander zu akkommodieren sucht, wodurch eine Halbheit und Verderbtheit in den Köpfen entsteht, durch keine Logik wiederherzustellen.

XLII. Schlußanwendung, praktisch
Zum Schlusse wiederholten wir, was nicht genug zu wiederholen ist, dass eine jede echte, treu beobachtete und redlich ausgesprochene Naturmaxime sich in tausend und abertausend Fällen bewahrheiten und, insofern sie prägnant ist, ihre Verwandtschaft mit ebenso fruchtbaren Sätzen betätigen müsse und eben dadurch überall ins Praktische eingreifen werde, weil ja das Praktische eben in verständiger Benutzung und klugem Gebrauch desjenigen besteht, was uns die Natur darbietet.
Aus dieser Überzeugung fließt unsere Art, die Naturlehre zu behandeln; hierauf gründet sich unsere Gewissenhaftigkeit, erst die Phänomene in ihrem Urstande aufzusuchen und sie sodann in ihrer mannigfaltigsten Ausbreitung und Anwendung zu verfolgen.
Nach dieser Überzeugung haben wir unsere ganze Chromatik und nun auch das Kapitel der entoptischen Farben aufgestellt; die Art unseres Verfahrens ist mit großem Bedacht unternommen, auch die Stellung und Folge der Phänomene naturgemäß vorgetragen worden, wodurch wir unsere Arbeit den Freunden der Naturwissenschaft aufs Beste zu empfehlen hoffen; andern, welche, mit unserer Verfahrungsart unzufrieden, eine Umstellung des Vorgetragenen wünschen, we impose the easiest of all tasks, that of undoing what has been done.
Jena, den 1. August 1820