Schlussbetrachtung über Sprache und Terminologie

751.
Man bedenkt niemals genug, dass eine Sprache eigentlich nur symbolisch, nur bildlich sei und die Gegenstände niemals unmittelbar, sondern nur im Widerscheine ausdrücke. Dieses ist besonders der Fall, wenn von Wesen die Rede ist, welche an die Erfahrung nur herantreten und die man mehr Tätigkeiten als Gegenstände nennen kann, dergleichen im Reiche der Naturlehre immerfort in Bewegung sind. Sie lassen sich nicht festhalten, und doch soll man von ihnen reden; man sucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigstens gleichnisweise beizukommen.

752.
Metaphysische Formeln haben eine grosse Breite und Tiefe, jedoch sie würdig auszufüllen, wird ein reicher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl. Mathematische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem und glücklich anwenden, aber es bleibt ihnen immer etwas Steifes und Ungelenkes, und wir fühlen bald ihre Unzulänglichkeit, weil wir selbst in Elementarfällen, sehr früh ein Inkommensurables gewahr werden; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geister verständlich. Mechanische Formeln sprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber sie sind auch gemeiner und behalten immer etwas Rohes. Sie verwandeln das Lebendige in ein Totes; sie töten das innre Leben, um von aussen ein unzulängliches heranzubringen. Korpuskularformeln sind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird starr durch sie, Vorstellung und Ausdruck ungeschlacht. Dagegen erscheinen die moralischen Formeln, welche freilich zartere Verhältnisse ausdrücken, als blosse Gleichnisse und verlieren sich denn auch wohl zuletzt in Spiele des Witzes.

753.
Könnte man sich jedoch aller dieser Arten der Vorstellung und des Ausdrucks mit Bewusstsein bedienen und in einer mannigfaltigen Sprache seine Betrachtungen über Naturphänomene überliefern, hielte man sich von Einseitigkeit frei und fasste einen lebendigen Sinn in einen lebendigen Ausdruck, so liesse sich manches Erfreuliche mitteilen.

754.
Jedoch wie schwer ist es, das Zeichen nicht an die Stelle der Sache zu setzen, das Wesen immer lebendig vor sich zu haben und es nicht durch das Wort zu töten. Dabei sind wir in den neuern Zeiten in eine noch grössere Gefahr geraten, indem wir aus allem Erkenn- und Wissbaren Ausdrücke und Terminologien herübergenommen haben, um unsre Anschauungen der einfacheren Natur auszudrücken. Astronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeschichte, ja Religion und Mystik werden zu Hülfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Besonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt und verdunkelt als aufgehellt und näher gebracht. Wir kennen das Bedürfnis recht gut, wodurch eine solche Sprache entstanden ist und sich ausbreitet; wir wissen auch, dass sie sich in einem gewissen Sinne unentbehrlich macht: allein nur ein mässiger, anspruchsloser Gebrauch mit Überzeugung und Bewusstsein kann Vorteil bringen.

755.
Am wünschenswertesten wäre jedoch, dass man die Sprache, wodurch man die Einzelheiten eines gewissen Kreises bezeichnen will, aus dem Kreise selbst nähme; die einfachste Erscheinung als Grundformel behandelte und die mannigfaltigern von daher ableitete und entwickelte.

756.
Die Notwendigkeit und Schicklichkeit einer solchen Zeichensprache, wo das Grundzeichen die Erscheinung selbst ausdrückt, hat man recht gut gefühlt, indem man die Formel der Polarität, dem Magneten abgeborgt, auf Elektrizität und so weiter hinübergeführt hat. Das Plus und Minus, was an dessen Stelle gesetzt werden kann, hat bei so vielen Phänomenen eine schickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkünstler ist, wahrscheinlich ohne sich um jene andern Fächer zu bekümmern, durch die Natur veranlasst worden, die Hauptdifferenz der Tonarten durch Majeur und Mineur auszudrücken.

757.
So haben auch wir seit langer Zeit den Ausdruck der Polarität in die Farbenlehre einzuführen gewünscht; mit welchem Rechte und in welchem Sinne, mag die gegenwärtige Arbeit ausweisen. Vielleicht finden wir künftig Raum, durch eine solche Behandlung und Symbolik, welche ihr Anschauen jederzeit mit sich führen müsste, die elementaren Naturphänomene nach unsrer Weise aneinander zu knüpfen, und dadurch dasjenige deutlicher zu machen, was hier nur im allgemeinen und vielleicht nicht bestimmt genug ausgesprochen worden.