Vierte Proposition. Drittes Theorem *

* Was in diesen Zeilen ausgesprochen ist, charakterisiert vollkommen die atomistische, der Goetheschen vollkommen widersprechende Naturanschauung. Nach Goethes Anschauung vereinigen sich die Elemente zu einer höheren Einheit, die dann als Einheitlich-Ganzes wirkt, und in welcher die Teile nicht mehr als solche, als einzelne wirklich sind. Sie haben sich in einer höhern Einheit verloren. So ist für ihn das Grün die höhere Einheit von Gelb und Blau, Purpur die höhere Einheit von Rot und Blau. (R. Steiner)

Man kann Farben durch Zusammensetzung hervorbringen, welche den Farben des bomogenen Lichts gleich sind dem Ansehn der Farben nach, aber keineswegs, was ihre Unveränderlichkeit und die Konstitution des Lichtes betrifft. Und je mehr man diese Farben zusammensetzt, desto weniger satt und stark werden sie ; ja, sie können, wenn man sie allzu sehr zusammensetzt, so diluiert und geschwächt werden, dass sie verschwinden und sich in Weiß oder Grau verwandeln. Auch lassen sich Farben durch Zusammensetzung hervorbringen, welche nicht vollkommen den Farben des homogenen Lichtes gleich sind.

488.
Was diese Proposition hier bedeuten solle, wie sie mit dem Vorhergehenden eigentlich zusammenhänge und was sie für die Folge beabsichtige, müssen wir vor allen Dingen unsern Lesern deutlich zu machen suchen. Die falsche Ansicht des Spektrums, dass es ursprünglich aus einer stetigen Farbenreihe bestehe, hatte Newton in dem Vorhergehenden noch mehr befestigt, indem er darin eine der Tonleiter ähnliche Skale gefunden haben wollte.

489.
Nun wissen wir aber, dass man, um der Erscheinung auf den Grund zu kommen, zugleich ein verrücktes helles und ein verrücktes dunkles Bild betrachten muss. Da finden sich nun zwei Farben, die man für einfach ansprechen kann, Gelb und Blau, zwei gesteigerte, Gelbrot und Blaurot, und zwei gemischte, Grün und Purpur. Auf diese Unterschiede hatte Newton keine acht, sondern betrachtete nur die bei starker Verrückung eines hellen Bildes vorkommenden Farben, unterschied, zählte sie, nahm ihrer fünf oder sieben an, ja ließ deren, weil in einer stetigen Reihe sich unendliche Einschnitte machen lassen, unzählige gelten, und diese alle sollten nun, soviel ihrer auch sein möchten, primitive, primäre, in dem Licht für sich befindliche Urfarben sein.

490.
Bei genauerer Betrachtung musste er jedoch finden, dass manche von diesen einfachen Urfarben gerade so aussahen wie andere, die man durch Mischung hervorbringen konnte. Wie nun aber das Gemischte dem Ursprünglichen und das Ursprüngliche dem Gemischten ähnlich, ja gleich sein könne, dies wäre freilich in einem naturgemäßen Vortrag schwer genug darzustellen gewesen; in der Newtonischen Behandlung wird es jedoch möglich, und wir wollen, ohne uns weiter im allgemeinen aufzuhalten, gleich zu dem Vortrag des Verfassers übergehen und in kurzen Anmerkungen wie bisher unsere Leser aufmerksam machen, worauf es denn eigentlich mit diesem Mischen und Wiedermischen am Ende hinausgeht.

491.
Denn eine Mischung von homogenem Rot und Gelb bringt ein Orange hervor, gleich an Farbe dem Orange, das in der Reihe von ungemischten prismatischen Farben zwischeninne liegt; aber das Licht des einen Orange ist homogen, die Refrangibilität betreffend, das andere aber ist heterogen; denn die Farbe des ersten, wenn man sie durch ein Prisma ansieht, bleibt unverändert, die von dem zweiten wird verändert und in die Farben zerlegt, die es zusammensetzen, nämlich Rot und Gelb.

492.
Da uns der Verfasser mit so verschiedenen umständlichen Versuchen gequält hat, warum gibt er nicht auch hier den Versuch genau an? Warum bezieht er sich nicht auf einen der vorigen, an den man sich halten könnte? Wahrscheinlicherweise ist er denjenigen ähnlich, die wir oben (154 und 155) mit eingeführt haben, wo ein paar prismatische Bilder entweder im ganzen oder teilweise objektiv übereinandergeworfen und dann, durch ein Prisma angesehen, subjektiv auseinandergerückt werden. Newtons Intention hierbei ist aber keine andere, als eine Ausflucht sich zu bereiten, damit, wenn bei abermaliger Verrückung seiner homogenen Farbenbilder sich neue Farben zeigen, er sagen könne, jene seien eben nicht homogen gewesen; da denn freilich niemand einem, der auf diese Weise lehrt und disputiert, etwas anhaben kann.

493.
Auf dieselbe Weise können andere benachbarte homogene Farben neue Farben hervorbringen, den homogenen gleich, welche zwischen ihnen liegen, z. B. Gelb und Grün.

494.
Man bemerke, wie listig der Verfasser auftritt! Er nimmt hier sein homogenes Grün, da doch Grün als eine zusammengesetzte Farbe durchaus anerkannt ist.

495.
Gelb und Grün also bringen die Farbe hervor, die zwischen ihnen beiden liegt.

496.
Das heißt also ungefähr ein Papageigrün, das nach der Natur und in unserer Sprache durch mehr Gelb und weniger Blau hervorgebracht wird. Aber man gebe nur weiter acht!

497.
Und nachher, wenn man Blau dazutut, so wird es ein Grün werden von der mittlern Farbe der drei, woraus es zusammengesetzt ist.

498.
Erst macht er also Grün zur einfachen Farbe und erkennt das Gelb und Blau nicht an, woraus es zusammengesetzt ist; dann gibt er ihm ein Übergewicht von Gelb, und dieses übergewicht von Gelb nimmt er durch eine Beimischung von Blau wieder weg, oder vielmehr, er verdoppelt nur sein erstes Grün, indem er noch eine Portion neues Grün hinzubringt. Er weiß aber die Sache ganz anders auszulegen.

499.
Denn das Gelbe und Blaue an jeder Seite, wenn sie in gleicher Menge sind, ziehen das mittlere Grün auf gleiche Weise zu sich und halten es, wie es war, im Gleichgewicht, so dass es nicht mehr gegen das Gelbe auf der einen, noch gegen das Blaue an der andern sich neigt, sondern durch ihre gemischten Wirkungen als eine Mittelfarbe erscheint.

500.
Wie viel kürzer wär er davongekommen, wenn er der Natur die Ehre erzeigt und das Phänomen, wie es ist, ausgesprochen hätte, dass nämlich das prismatische Blau und Gelb, die erst im Spektrum getrennt sind, sich in der Folge verbinden und ein Grün machen, und dass im Spektrum an kein einfaches Grün zu denken sei. Was hilft es aber! Ihm und seiner Schule sind Worte lieber als die Sache.

501.
Zu diesem gemischten Grün kann man noch etwas Rot und Violett hinzutun, und das Grüne wird nicht gleich verschwinden, sondern nur weniger voll und lebhaft werden. Tut man noch mehr Rot und Violett hinzu, so wird es immer mehr und mehr verdünnt, bis durch das Übergewicht von hinzugetanen Farben es überwältigt und in Weiß oder in irgendeine andre Farbe verwandelt wird.

502.
Hier tritt wieder das Hauptübel der Newtonischen Lehre herein, dass sie das (…….) der Farbe verkennt und immer glaubt, mit Lichtern zu tun zu haben. Es sind aber keineswegs Lichter, sondern Halblichter, Halbschatten, welche durch gewisse Bedingungen als verschiedenfarbig erscheinen. Bringt man nun diese verschiedenen Halblichter, diese Halbschatten übereinander, so werden sie zwar nach und nach ihre Spezifikation aufgeben, sie werden aufhören, Blau, Gelb oder Rot zu sein, aber sie werden keineswegs dadurch diluiert. Der Fleck des weißen Papiers, auf den man sie wirft, wird dadurch dunkler; es entsteht ein Halblicht, ein Halbschatten, aus soviel andern Halblichtern, Halbschatten zusammengesetzt.

503.
So wird, wenn man zu der Farbe von irgendeinem homogenen Lichte das weiße Sonnenlicht, das aus allen Arten Strahlen zusammengesetzt ist, hinzutut, diese Farbe nicht verschwinden oder ihre Art verändern, aber immer mehr und mehr verdünnt werden.

504.
Man lasse das Spektrum auf eine weiße Tafel fallen, die im Sonnenlicht steht, und es wird bleich aussehen wie ein anderer Schatten auch, auf welchen das Sonnenlicht wirkt, ohne ihn ganz aufzuheben.

505.
Zuletzt, wenn man Rot und Violett mischt, so werden nach verschiedenen Proportionen verschiedene Purpurfarben zum Vorschein kommen, und zwar solche, die keiner Farbe irgendeines homogenen Lichtes gleichen.

506.
Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das eigentliche, wahre, reine Rot, das sich weder zum Gelben noch zum Blauen hinneigt. Diese vornehmste Farbe, deren Entstehung wir im Entwurf in physiologischen, physischen und chemischen Fällen hinreichend nachgewiesen haben, fehlt dem Newton, wie er selbst gesteht, in seinem Spektrum ganz, und das bloß deswegen, weil er nur das Spektrum eines verrückten hellen Bildes zum Grunde seiner Betrachtung legt und das Spektrum eines verrückten dunklen Bildes nicht zugleich aufführt, nicht mit dem ersten parallelisiert. Denn wie bei Verrückung des hellen Bildes endlich in der Mitte Gelb und Blau zusammenkommen und Grün bilden, so kommen bei Verrückung des dunklen Bildes endlich Gelbrot und Blaurot zusammen. Denn das, was Newton am einen Ende seiner Farbenskala Rot nennt, ist eigentlich nur Gelbrot, und er hat also unter seinen primitiven Farben nicht einmal ein vollkommenes Rot. Aber so muss es allen ergehen, die von der Natur abweichen, welche das Hinterste zuvörderst stellen, das Abgeleitete zum Ursprünglichen erheben, das Ursprüngliche zum Abgeleiteten erniedrigen, das Zusammengesetzte einfach, das Einfache zusammengesetzt nennen. Alles muss bei ihnen verkehrt werden, weil das erste verkehrt war; und doch finden sich Geister vorzüglicher Art, die sich auch am Verkehrten erfreuen.

507.
Und aus diesen Purpurfarben, wenn man Gelb und Blau hinzumischt, können wieder andre, neue Farben erzeugt werden.

508.
Und so hätte er denn sein Mischen und Mengen auf die konfuseste Weise zustande gebracht; worauf es aber eigentlich angesehn ist, zeigt sich im folgenden.
Durch diese Mischung der Farben sucht er ihre spezifische Wirkung endlich zu neutralisieren und möchte gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen, welches ihm zwar in der Erfahrung nicht gerät, ob er gleich mit Worten immer versichert, dass es möglich und tulich sei.