V. Über den zu diesen Versuchen nötigen Apparat und besonders über die mit diesem Stücke ausgegebenen Karten

74.
Sobald ich mir vornahm, die Erfahrungen über die Entstehung der prismatischen Farben dem Publikum vorzulegen, empfand ich gleich den Wunsch, sie so schnell als möglich wenigstens in meinem Vaterlande bekannt und ausgebreitet zu sehen. Da hierbei alles auf den Augenschein ankommt, so war es nötig zu sorgen, dass jedermann mit der größten Leichtigkeit dazu gelangen könne; es wollte weder eine Beschreibung noch ausgemalte Kupfertafeln, die der Schrift angefügt würden, zu diesem Zwecke hinreichen. Ich beschloss also, die großen Tafeln, welche ich zu meinen Versuchen verfertigt, im kleinen nachahmen zu lassen und dadurch sowohl einen jeden sogleich durch das Anschauen zu überzeugen als auch ein lebhafteres Interesse zu erregen. Diejenigen Liebhaber, die einen ernsthafteren Anteil daran nehmen, werden nun leicht die Tafeln 1, 2, 3, 4, 7, 10, 14, 19, 20, 21, 22, 23 in beliebig großem Format nachmachen lassen und die Versuche alsdann mit desto mehr Bequemlichkeit und größerem Sukzeß wiederholen. ja, sie werden durch eigenes Nachdenken noch mehrere Abwechselungen erfinden können, als ich für diesmal anbringen konnte. Denn jede schwarze Figur auf weißem Grunde und jede weiße auf schwarzem Grunde bringt neue Erscheinungen hervor, die man ins Unendliche vervielfältigen kann. Ich empfehle besonders Andreaskreuze, Sterne U. dergl., nicht weniger alle Arten von Mustern, die durch Abwechselung von schwarzen und weißen Vierecken entstehen, welch letztere oft, wie die Karte Nr.22 zeigt, von dreierlei Seiten verschiedene farbige Phänomene darstellen.

75.
Man wird, indem man selbst dergleichen Versuche ersinnt, immer mehr von der Konsequenz desjenigen überzeugt werden, was oben vorgetragen worden ist. Um die Abwechselung des Oben und Unten der beiden farbigen Pole recht deutlich einzusehen, verfertige man sich einen schwarzen Stern auf weißem und einen weißen Stern auf schwarzem Grunde und durchbohre ihn mit einer Nadel dergestalt, dass man ihn auf derselben wie auf einer Achse herumdrehen kann. Während des Drehens beobachte man denselben durchs Prisma, und man wird diesen Versuch mit Vergnügen und Nachdenken wiederholen.

76.
Ich habe meinen Vortrag dergestalt eingerichtet, dass die Versuche durch jedes gewöhnliche gleichseitige Prisma angestellt werden können, wenn es nur von weißem Glase ist; ja, selbst mit einem Prisma von grünlichern Glase lassen sie sich anstellen, wenn man die geringe Differenz, welche die Farbe verursacht, bei der Beobachtung in Gedanken abrechnen will.

77.
Zu der völligen Evidenz der vorgetragenen Sätze gehört aber, dass man ein spitzwinkliges Prisma von zehn bis zwanzig Graden anwende. Es kann ein jeder Glasschleifer solche leicht aus einer starken Glastafel verfertigen, und wenn sie auch nur einen starken Zoll hoch und einige Zoll breit sind, so dass man nur mit einem Auge durchsieht, indem man das andere zuschließt, so sind sie vorerst hinreichend. Ich werde aber dafür sorgen, dass Prismen von reinem Glase und nach genau bestimmtem Maße an Liebhaber mit den folgenden Stücken ausgegeben werden können. Wie denn überhaupt der nötige Apparat zu den anzustellenden Versuchen nach und nach wachsen wird, so genau ich auch zu Werke gehen werde, die Versuche zu simplifizieren.

78.
Da sich aber doch der Fall oft ereignen kann, dass diese kleine Schrift mit den dazu gehörigen Tafeln an Orte gelangt, wo keine Prismen vorhanden sind, so habe ich farbige Tafeln hinzugefügt, um dem Beobachter wenigstens auf einige Weise zu Hilfe zu kommen und ihm, bis er sich nach einem Prisma umgesehen, einstweilen verständlich zu sein. Auch demjenigen, der das nötige Instrument besitzt, werden diese gemalten Karten nicht unnütz sein. Er kann seine Beobachtungen damit vergleichen und überzeugt sich eher von dem Gesetz – einer Erscheinung, welche er vor sich auf dem Papier schon fixiert sieht.

79.
Ich muss aber freilich hier zum voraus bemerken, dass man die Farben dieser Tafeln nicht mit den absoluten Farben der prismatischen Erscheinungen in Absicht ihrer Schönheit vergleichen möge; denn es sind dieselben nur wie jeder andere Holzschnitt bei einem wissenschaftlichen Buche anzusehen, der weder künstlich noch gefällig, sondern bloß mechanisch und nützlich ist.

80.
Nur die unmittelbare Nähe einer Kartenfabrik macht es möglich, diese Tafeln, so wie sie sind, um einen Preis zu liefern, der niemand abschrecken wird, und es war hier nicht die Frage, ein Werk für Bibliotheken auszuarbeiten, sondern einer kleinen Schrift die möglichste Ausbreitung zu verschaffen.

81.
Man wird daher diesen Tafeln manches nachsehen, wenn man sie zur Deutlichkeit nützlich findet. Ich werde bemüht sein, in der Folge diese Tafeln vollkommner zu machen, und sie auch einzeln ausgeben, damit jeder Liebhaber eine solche durch den Gebrauch leicht zerstörte Sammlung sich verbessert wieder anschaffen kann. Ich füge noch einige Beobachtungen hinzu, damit man bei diesen Karten in den anzustellenden Erfahrungen nicht gestört werde.

82.
Es ist die Absicht, dass der Beobachter das Prisma, dessen Winkel unterwärts gekehrt ist, in der rechten Hand halte, bei den anzustellenden Erfahrungen die schwarz und weißen Karten zuerst etwa einen halben Fuß hinter dem Prisma entfernt halte, indem er solche mit der linken Hand an der Seite, wo die Nummern befindlich sind, ergreift und die Nummern mit dem Daumen zudeckt.

83.
Da einige Karten nicht allein vertikal, sondern auch horizontal gehalten werden müssen, so versteht sich’s von selbst, dass man sich gewöhnt, sie auf die eine wie auf die andre Weise zu wenden. Man entferne alsdann das Prisma nach und nach bis zur Weite von zwei Fuß oder so weit, bis die Zeichnung der Karten undeutlich wird; man bringe sie wieder herbei und gewöhne sich selbst nach und nach an die verschiedenen Phänomene.

84.
Wer diese schwarzen und weißen Tafeln in größerem Format nachahmt, wird diese Erscheinung in größerer Entfernung und mit mehr Bequemlichkeit beobachten können.

85.
Zum Verständnis des § 65, 66, 67 lege man die drei Karten Nr. 23, 17 und 18 dergestalt vor sich, dass die schwarze Hälfte zur linken Seite des Beobachters bleibt; die Nummern an diesen Karten mögen aufgeklebt sein, wie sie wollen.

86.
Die Tafeln Nr. 16, 24, 25, 26, 27 werden erst in den folgenden Stücken nötig werden.

87.
So wie auch der Versuch mit der Tafel Nr. 14 in der Reihe des gegenwärtigen Vortrags nicht Platz nehmen konnte; indessen kann man denselben einstweilen zur Belustigung anstellen. Wenn man die Tafel Nr. 14 durch das Prisma betrachtet, so wird die abgebildete Fackel einem angezündeten Lichte ähnlich erscheinen, wie die 15te Tafel solches darstellt. Sehen wir bei Nachtzeit ein angezündetes Licht auch nur mit bloßen Augen, so werden wir die Spitze desselben rot und gelb, den untern Teil desselben blau sehen. Diese Farben werden sich in einem ungeheuren Grade verstärken, wenn wir das brennende Licht durch ein Prisma betrachten. Inwiefern sich diese Erfahrung an die übrigen von uns bisher beobachteten anschließt, wird sich erst künftig zeigen.

88.
Ich wiederhole nochmals, dass die Beschreibung der Versuche, besonders des zweiten Kapitels, nur alsdann mit den Erfahrungen übereinstimmen könne, wenn der Beobachter den sogenannten brechenden Winkel unterwärts gekehrt hat und so die Gegenstände betrachtet. Wie sich die Farben alsdann zeigen, geben die gemalten Karten an; die Ausdrücke: oben, unten, horizontal, perpendikular, beziehen sich auf diese Richtung. Sie würden sich, wenn man den gedachten Winkel nunmehr auch nach oben, nach der rechten oder linken Hand wendete, folgendermaßen verändern:

Der Winkel des Prismas gekehrt

nach unten nach oben nach der Rechten nach der Linken
unten oben rechts links
oben unten links rechts
horizontal horizontal perpendikular perpendikular
perpendikular perpendikular horizontal horizontal

Man sieht leicht, dass, wenn man sich diese Richtung des Prismas in einem Kreise denkt, sich das Oben und Unten, Rechts und Links auf ein Innen und Außen beziehe, welches sich deutlicher ergeben wird, wenn wir dereinst Versuche durch Linsen anstellen werden.