Sprüche in Prosa

(Aus: 4. Abt. – Naturwissenschaft)

Wie manches Bedeutende sieht man sich aus Teilen zusammensetzen. Man be-trachte die Werke der Baukunst. Man sieht manches ,sich regel- und unregelmäßig anhäufen; daher ist uns der atomistische Begriff nah und bequem zur Hand, deshalb wir uns nicht scheuen, ihn auch in organischen Fällen anzuwenden.

Denn eben wenn man Probleme, die nur dynamisch erklärt werden können, beiseite schiebt, dann kommen mechanische Erklärungsarten wieder zur Tagesordnung.

Spannung ist der indifferent scheinende Zustand eines energischen Wesens, in völliger Bereitschaft, sich zu manifestieren, zu differenzieren, zu polarisieren.

Licht und Geist, jenes im Physischen, dieser im Sittlichen herrschend, sind die höchsten denkbaren unteilbaren Energien.

Unsere Zustände schreiben wir bald Gott, bald dem Teufel zu, und fehlen ein- wie das andere mal: in uns selbst liegt das Rätsel, die wir Ausgeburt zweier Welten sind. Mit der Farbe geht’s ebenso; bald sucht man sie im Lichte, bald draußen im Weltall, und kann sie gerade da nicht finden, wo sie zu Hause ist.

Und gehört die Farbe nicht ganz eigentlich dem Gesicht an?

Ich habe nichts dagegen, wenn man die Farbe sogar zu fühlen glaubt; ihr eigenes Eigenschaftliche würde nur dadurch noch mehr betätigt.

Auch zu schmecken ist sie. Blau wird alkalisch, gelbrot sauer schmecken. Alle Manifestationen der Wesen sind verwandt.

Diejenigen, die das einzige grundklare Licht aus farbigen Lichtern zusammenset-zen, sind die eigentlichen Obskuranten.

Die Zeit ist selbst ein Element.

Man sehe die Physik genau durch, und man wird finden, dass die Phänomene, so wie die Versuche, worauf sie gebaut ist, verschiedenen Wert haben.

Auf die primären, die Urversuche, kommt alles an, und das Kapitel, das hierauf gebaut ist, steht sicher und fest: aber es gibt auch sekundäre, tertiäre usw. Gesteht man diesen das gleiche Recht zu, so verwirren sie nur das, was von den ersten aufge-klärt war.

Es ist von einem Experiment zu viel gefordert, wenn es alles leisten soll. Konnte man doch die Elektrizität erst nur durch Reiben darstellen, deren höchste Erscheinung jetzt durch bloße Berührung hervorgebracht wird.

Wer weiß etwas von Elektrizität, sagte ein heiterer Naturforscher, als wenn er im Finstern eine Katze streichelt oder Blitz und Donner neben ihm niederleuchten und rasseln? Wie viel und wie wenig weiß er alsdann davon?

Der Magnet ist ein Urphänomen, das man nur aussprechen darf, um es erklärt zu haben; dadurch wird es denn auch ein Symbol für alles übrige, wofür wir keine Worte noch Namen zu suchen brauchen.›

Es wird eine Zeit kommen, wo man eine pathologische Experimentalphysik vorträgt und alle jene Spiegelfechtereien ans Tageslicht bringt, welche den Verstand hinterge-hen, sich eine Überzeugung erschleichen und, was das Schlimmste daran ist, durch-aus jeden praktischen Fortschritt verhindern. Die Phänomene müssen ein- für allemal aus der düstern empirisch- mechanisch- dogmatischen Marterkammer vor die Jury des gemeinen Menschenverstandes gebracht werden.

Dass Newton bei seinen prismatischen Versuchen die Öffnung so klein als möglich nahm, um eine Linie zum Lichtstrahl bequem zu symbolisieren, hat eine unheilbare Verwirrung über die Welt gebracht, an der vielleicht noch Jahrhunderte leiden.

Durch dieses kleine Löchlein ward Malus zu einer abenteuerlichen Theorie getrie-ben, und wäre Seebeck nicht so umsichtig, so musste er verhindert werden, den Ur-grund, dieser Erscheinungen, die entoptischen Figuren und Farben, zu entdecken.

Was aber das Allersonderbarste ist: der Mensch, wenn er auch den Grund des Irrtums aufdeckt, wird den Irrtum selbst deshalb doch nicht los. Mehrere Engländer, besonders Dr. Reade, sprechen gegen Newton leidenschaftlich aus: «das prismatische Bild sei keineswegs das Sonnenbild, sondern das Bild der Öffnung unseres Fensterla-dens, mit Farbensäumen geschmückt; im prismatischen Bilde gebe es kein ursprüng-lich Grün, dieses entstehe durch das Übereinandergreifen des Blauen und Gelben, so dass ein schwarzer Streif ebenso gut als ein weißer in Farben aufgelöst scheinen könne, wenn man hier von Auflösen reden wolle.» Genug, alles, was wir seit vielen Jahren dargetan haben, legt dieser gute Beobachter gleichfalls vor. Nun aber lässt ihn die fixe Idee einer diversen Refrangibilität nicht los; doch kehrt er sie um und ist wo-möglich noch befangener als sein großer Meister. Anstatt durch diese neue Ansicht begeistert aus jenem Chrysalidenzustande sich herauszureißen, sucht er die schon erwachsenen und entfalteten Glieder aufs neue in die alten Puppenschalen unterzu-bringen.

Falsche Vorstellung, dass man ein Phänomen durch Kalkül oder durch Worte abtun und beseitigen könne.

Man erkundige sich ums Phänomen, nehme es so genau damit als möglich und sehe, wie weit man in der Einsicht und in praktischer Anwendung damit kommen kann, und lasse das Problem ruhig liegen. Umgekehrt handeln die Physiker: sie gehen gera-de aufs Problem los und verwickeln sich unterwegs in so viel Schwierigkeiten, dass ihnen zuletzt jede Aussicht verschwindet.

Da seit einiger Zeit meiner Farbenlehre mehr nachgefragt wird, machen sich frisch illuminierte Tafeln nötig. Indem ich nun dieses kleine Geschäft besorge, muss ich lächeln, welche unsägliche Mühe ich mir gegeben, das Vernünftige sowohl als das Absurde palpabel zu machen. Nach und nach wird man beides erfassen und anerken-nen.

Der Newtonische Irrtum steht so nett im Konversations-Lexikon, dass man die Oktavseite nur auswendig lernen darf, um die Farbe fürs ganze Leben los zu sein.

Der Kampf mit Newton geht eigentlich in einer niedern Region vor. Man bestreitet ein schlecht gesehenes, schlecht entwickeltes, schlecht angewendetes, schlecht theoretisiertes Phänomen. Man beschuldigt im Versuchen den andern einer Unvorsich-tigkeit, in dem folgenden einer Absichtlichkeit, beim Theoretisieren der Übereilung, beim Verteidigen der Hartnäckigkeit, im ganzen einer halb bewussten, halb bewusstlo-sen Unredlichkeit.

So ganz leere Worte, wie die von der Dekomposition und Polarisation des Lichts, müssen aus der Physik hinaus, wenn etwas aus ihr werden soll. Doch wäre es möglich, ja es ist wahrscheinlich, dass diese Gespenster noch bis in die zweite Hälfte des Jahr-hunderts hinüber spuken.

Man nehme das nicht übel! Eben dasjenige, was niemand zugibt, niemand hören will, muss desto öfter wiederholt werden.

Der Newtonische Versuch, auf dem die herkömmliche Farbenlehre beruht, ist von der vielfachsten Komplikation; er verknüpft folgende Bedingungen.
Damit das Gespenst erscheine, ist nötig:
-Erstens – ein gläsern Prisma;
-Zweitens – dreiseitig;
-Drittens – klein;
-Viertens – ein Fensterladen;
-Fünftens – eine Öffnung darin;
-Sechstens – diese sehr klein;
-Siebentens – Sonnenlicht, das hereinfällt;
-Achtens – aus einer gewissen Entfernung;
-Neuntens – in einer gewissen Richtung aufs Prisma fällt;
-Zehntens – sich auf einer Tafel abbildet;
-Elftens – die in einer gewissen Entfernung hinter das Prisma gestellt ist.

Nehme man von diesen Bedingungen drei, sechs und elf weg, man mache die Öffnung groß, man nehme ein großes Prisma, man stelle die Tafel nah heran, und das beliebte Spektrum kann und wird nicht zum Vorschein kommen.›

Hundert graue Pferde machen nicht einen einzigen Schimmel.

Man spricht geheimnisvoll von einem wichtigen Experimente, womit man die Lehre erst recht bekräftigen will; ich kenn› es recht gut und kann es auch darstellen: das ganze Kunststück ist, dass zu obigen Bedingungen noch ein paar hinzugefügt werden, wodurch da s Hokuspokus sich noch mehr verwickelt.

Der Fraunhofersche Versuch, wo Querlinien im Spektrum erscheinen, ist von der-selben Art, sowie auch die Versuche, wodurch eine neue Eigenschaft des Lichts ent-deckt werden soll. Sie sind doppelt und dreifach kompliziert; wenn sie was nützen sollten, müssten sie in ihre Elemente zerlegt werden, welches dem Wissenden nicht schwerfällt, welches aber zufassen und zu begreifen kein Laie weder Vorkenntnis noch Geduld, kein Gegner weder Intention noch Redlichkeit genug mitbringt; man nimmt lieber überhaupt an, was man sieht, und zieht die alte Schlussfolge daraus.

Ich weiß wohl, dass diese Worte vergebens dastehen, aber sie mögen als offenba-res Geheimnis der Zukunft bewahrt bleiben. Vielleicht interessiert sich auch noch einmal ein La Grange für diese Angelegenheit.