Zur Geschichte der Urzeit

Die Zustände ungebildeter Völker, sowohl der alten als der neuern Zeit, sind sich meistens ähnlich. Stark in die Sinne fallende Phänomene werden lebhaft aufgefasst.
In dem Kreise meteorischer Erscheinungen musste der seltnere, unter gleichen Bedingungen immer wiederkehrende Regenbogen die Aufmerksamkeit der Naturmenschen besonders an sich ziehen. Die Frage, woher irgendein solches Ereignis entspringe, ist dem kindlichen Geiste wie dem ausgebildeten natürlich. Jener löst das Rätsel bequem durch ein phantastisches, höchstens poetisches Symbolisieren; und so verwandelten die Griechen den Regenbogen in ein liebliches Mädchen, eine Tochter des Thaumas (des Erstaunens); beides mit Recht: denn wir werden bei diesem Anblick das Erhabene auf eine erfreuliche Weise gewahr. Und so ward sie diesem Gestalt liebenden Volke ein Individuum, Iris, ein Friedensbote, ein Götterbote überhaupt; andern, weniger Form bedürfenden Nationen ein Friedenszeichen.
Die übrigen atmosphärischen Farbenerscheinungen, allgemein, weit ausgebreitet, immer wiederkehrend, waren nicht gleich auffallend. Die Morgenröte nur noch erschien gestaltet.
Was wir überall und immer um uns sehen, das schauen und genießen wir wohl, aber wir beobachten es kaum, wir denken nicht darüber. Und wirklich entzog sich die Farbe, die alles Sichtbare bekleidet, selbst bei gebildeteren Völkern gewissermaßen der Betrachtung. Desto mehr Gebrauch suchte man von den Farben zu machen, indem sich färbende Stoffe überall vorfanden. Das Erfreuliche des Farbigen, Bunten, wurde gleich gefühlt; und da die Zierde des Menschen erstes Bedürfnis zu sein scheint und ihm fast über das Notwendige geht, so war die Anwendung der Farben auf den nackten Körper und zu Gewändern bald im Gebrauch.
Nirgends fehlte das Material zum Färben. Die Fruchtsäfte, fast jede Feuchtigkeit außer dem reinen Wasser, das Blut der Tiere, alles ist gefärbt; so auch die Metallkalke, besonders des überall vorhandnen Eisens. Mehrere verfaulte Pflanzen geben einen entschiedenen Färbestoff, dergestalt daß der Schlick an seichten Stellen großer Flüsse als Farbematerial benutzt werden konnte.
Jedes Beflecken ist eine Art von Färben, und die augenblickliche Mitteilung konnte jeder bemerken, der eine rote Beere zerdrückte. Die Dauer dieser Mitteilung erfährt man gleichfalls bald. Auf dem Körper bewirkte man sie durch Tatuieren und Einreiben. Für die Gewänder fanden sich bald farbige Stoffe, welche auch die beizende Dauer mit sich führen, vorzüglich der Eisenrost, gewisse Fruchtschalen, durch welche sich der Übergang zu den Galläpfeln mag gefunden haben.
Besonders aber machte sich der Saft der Purpurschnecke merkwürdig, indem das damit Gefärbte nicht allein schön und dauerhaft war, sondern auch zugleich mit der Dauer an Schönheit wuchs. Bei dieser jedem Zufall freigegebenen Anfärbung, bei der Bequemlichkeit, das Zufällige vorsätzlich zu wiederholen und nachzuahmen, mußte auch die Aufforderung entstehen, die Farbe zu entfernen. Durchsichtigkeit und Weiße haben an und für sich schon etwas Edles und Wünschenswertes. Alle ersten Gläser waren farbig; ein farbloses Glas mit Absicht darzustellen, gelang erst spätern Bemühungen. Wenig Gespinste oder was sonst zu Gewändern benutzt werden
kann, ist von Anfang weiß, und so mußte man aufmerksam werden auf die entfärbende Kraft des Lichtes, besonders bei Vermittlung gewisser Feuchtigkeiten. Auch hat man gewiß bald genug den günstigen Bezug eines reinen weißen Grundes zu der darauf zu bringenden Farbe in früheren Zeiten eingesehen.
Die Färberei konnte sich leicht und bequem vervollkommnen. Das Mischen, Sudlen und Manschen ist dem Menschen angeboren. Schwankendes Tasten und Versuchen ist seine Lust. Alle Arten von Infusionen gehen in Gärung oder in Fäulnis über; beide Eigenschaften begünstigen die Farbe in einem entgegengesetzten Sinne. Selbst untereinander gemischt und verbunden heben sie die Farbe nicht auf, sondern bedingen sie nur. Das Saure und Alkalische in seinem rohsten empirischen Vorkommen, in seinen absurdesten Mischungen wurde von jeher zur Färberei gebraucht, und viele Färberezepte bis auf den heutigen Tag sind lächerlich und zweckwidrig.
Doch konnte bei geringem Wachstum der Kultur bald eine gewisse Absonderung der Materialien sowie Reinlichkeit und Konsequenz statt Enden, und die Technik gewann durch Überlieferung unendlich. Deswegen finden wir die Färberei bei Völkern von stationären Sitten auf einem so hohen Grade der Vollkommenheit, bei Ägyptern, Indern, Chinesen.
Stationäre Völker behandeln ihre Technik mit Religion. Ihre Vorarbeit und Vorbereitung der Stoffe ist höchst reinlich und genau, die Bearbeitung stufenweise sehr umständlich. Sie gehen mit einer Art von Naturlangsamkeit zu Werke; dadurch bringen sie Fabrikate hervor, welche bildungsfähigern, schnell vorschreitenden Nationen unnachahmlich sind.
Nur die technisch höchstgebildeten Völker, wo die Maschinen wieder zu verständigen Organen werden, wo die größte Genauigkeit sich mit der größten Schnelligkeit verbindet, solche reichen an jene hinan und übertreffen sie in vielem. Alles Mittlere ist nur eine Art von Pfuscherei, welche eine Konkurrenz, sobald sie entsteht, nicht aushalten kann.
Stationäre Völker verfertigen das Werk um sein selbst willen, aus einem frommen Begriff, unbekümmert um den Effekt; gebildete Völker aber müssen auf schnelle augenblickliche Wirkung rechnen, um Beifall und Geld zu gewinnen.
Der charakteristische Eindruck der verschiedenen Farben wurde gar bald von den Völkern bemerkt, und man kann die verschiedene Anwendung in diesem Sinne bei der Färberei und der damit verbundenen Weberei, wenigstens manchmal, als absichtlich und aus einer richtigen Empfindung entspringend ansehen.
Und so ist alles, was wir in der früheren Zeit und bei ungebildeten Völkern bemerken können, praktisch. Das Theoretische begegnet uns zuerst, indem wir nunmehr zu den gebildeten Griechen übergehen.