Fünfte Proposition. Viertes Theorem

Das homogene Licht wird regelmäßig, ohne Erweiterung, Spaltung oder Zerstreuung der Strahlen refrangiert, und die verworrene Ansicht der Gegenstände, die man durch brechende Mittel im heterogenen Lichte betrachtet, kommt von der verschiedenen Refrangibilität mehrerer Arten und Strahlen.

248.
Der erste Teil dieser Proposition ist schon früher durch das fünf te Experiment genugsam erwiesen worden;

249.
Dass das fünfte Experiment nichts bewies, haben wir umständlich dargetan.

250.
-und die Sache wird durch nachstehende Versuche noch deutlicher werden.

251.
Durch unsre Bemerkung wird noch deutlicher werden, dass die Behauptung grundlos und unerweislich ist

Zwölfter Versuch.
252.
Ein schwarzes Papier

253.
Warum ein schwarzes Papier? Zu diesem Zweck ist jede durchlöcherte Tafel von Holz, Pappe oder Blech vollkommen geeignet; vielleicht auch wieder ein schwarzes Papier, um recht vorsichtig zu scheinen, dass kein störendes Licht mitwirke.

254.
Ein schwarzes Papier, worin eine runde Öffnung befindlich war, deren Durchmesser etwa den fünften oder sechsten Teil eines Zolls hatte,

255.
Warum war die Öffnung so klein? Doch nur, dass die Beobachtung schwerer und jeder Unterschied unbemerklicher wäre.

256.
stellte ich so, dass es ein Bild aus homogenem Lichte, so wie wir es in der vorhergehenden Proposition beschrieben haben, aufnahm und ein Teil dieses Lichts durch die Öffnung durchging. Dann fing ich diesen durchgegangenen Teil mit einem hinter das Papier gestellten Prisma dergestalt auf, dass es in der Entfernung von zwei bis drei Fuß auf eine weiße Tafel senkrecht auffiel. Nach dieser Vorrichtung bemerkte ich, dass jenes Bild, das auf der weißen Tafel durch Brechung jenes homogenen Lichtes abgemalt war, nicht länglich sei wie jenes, als wir im dritten Experiment das zusammengesetzte Sonnenlicht gebrochen hatten. Vielmehr war es, insofern ich mit bloßen Augen urteilen konnte, an Länge und Breite gleich und vollkommen rund. Woraus folgt, dass dieses Licht regelmäßig gebrochen worden sei, ohne weitere Verbreiterung der Strahlen.

257.
Hier tritt abermals ein Kunstgriff des Verfassers hervor. Dieses Experiment ist völlig dem sechsten gleich, nur mit wenig veränderten Umständen; hier wird es aber wieder als ein neues gebracht, die Zahl der Experimente wird unnötig vermehrt, und der Unaufmerksame, der eine Wiederholung vernimmt, glaubt eine Bestätigung, einen neuen Beweis zu hören. Das einmal gesagte Falsche drückt sich nur stärker ein, und man glaubt in den Besitz neuer Überzeugungsgründe zu gelangen.
Was wir daher gegen den sechsten Versuch umständlich angeführt, gilt auch gegen diesen, und wir enthalten uns, das of t Wiederholte zu wiederholen.

258.
Doch machen wir noch eine Bemerkung. Der Verfasser sagt, dass er ein homogenes Licht durch die Öffnung gelassen und sodann zum zweitenmal gebrochen habe; er sagt aber nicht, welche Farbe. Gewiss war es die rote, die ihm zu diesen Zwecken so angenehme gelbrote, weil sie gleichsam mit ihm konspiriert und das verhehlt, was er gern verhehlen möchte. Versuch› er es doch mit den übrigen Farben, und wie anders werden die Versuche, wenn er recht zu beobachten Lust hat, ausfallen!

259.
Die beiden folgenden Experimente sind nun prismatisch subjektive, von denen unsre Leser durch den Entwurf genugsam unterrichtet sind. Wir wollen jedoch nicht verschmähen, auch beide hier nochmals zu entwickeln

Dreizehnter Versuch
260.
Ins homogene Licht

261.
Doch wohl wahrscheinlich wieder ins rote.

262.
stellte ich eine papierne Scheibe, deren Diameter ein Viertelszoll war.

263.
Was soll nun wieder dieses winzige Scheibchen? Was ist für eine Bemerkung daran zu machen? Doch freilich sind wir mit winzigen Öffnungen im Laden zu operieren gewohnt, warum nicht auch mit Papierschnitzeln!

264.
Dagegen stellte ich in das weiße heterogene Sonnenlicht,

265.
Man merke noch besonders: nun ist das homogene und heterogene Licht vollkommen fertig. Das, was noch immer bewiesen werden soll, wird schon als ausgemacht, bestimmt, benamset ausgesprochen und drückt sich in das Gehirn des gläubigen Schülers immer tiefer ein.

266.
das noch nicht gebrochen war, eine andre papierne Scheibe von derselbigen Größe.

267.
Wohl auch deshalb so klein, damit die ganze Fläche nachher, durchs Prisma angeschaut, sogleich gefärbt würde.

268.
Dann trat ich einige Schritte zurück und betrachtete beide Scheiben durch das Prisma. Die Scheibe, welche von dem heterogenen Sonnenlicht erleuchtet war, erschien sehr verlängert, wie jene helle Öffnung im vierten Experiment, so dass die Breite von der Länge vielmal übertroffen wurde; die Scheibe aber, vom homogenen Lichte erleuchtet, schien völlig rund und genau begrenzt, ebenso als wenn man sie mit nackten Augen ansah;

269.
Wahrscheinlich war also diese letzte, wie schon oben erwähnt, im roten Lichte, und wir können, da Newton selbst im ersten Experiment gefärbtes Papier an die Stelle der prismatischen Farben setzt, unsre Leser vollkommen auf das, was teils bei Gelegenheit des sechsten Experiments, teils bei Gelegenheit des ersten gesagt worden, verweisen. Man nehme unsre dritte Tafel wieder zur Hand, worauf sich neben andern Vierecken auch ein rotes und weißes auf schwarzem Grunde finden wird; man betrachte sie durch ein Prisma und lese dazu, was wir früher ausgeführt (E. 271-272.), und man wird begreifen, woher der Schein kam, durch welchen Newton sich täuschte, ja ein für allemal täuschen wollte. Wenn er nun fortfährt

270.
mit welchem Versuch denn also beide Teile dieser Proposition bewiesen werden,

271.
so wird wohl niemand, der sich besser belehrte, mit ihm einstimmen, vielmehr den alten Irrtum erkennen und, wenn er ihn je selbst gehegt haben sollte, auf immer von sich werfen

Vierzehnter Versuch
272.
Damit unsre Leser den Wert dieses Versuchs sogleich beurteilen können, haben wir auf einer Tafel sechs Felder*, mit den Hauptfarben illuminiert, angebracht und auf selbige verschiedene dunkle, helle und farbige Körper gezeichnet. Man betrachte diese Tafeln nunmehr durchs Prisma, lese alsdann die Newtonische Darstellung der eintretenden Erscheinung und bemerke wohl, dass er bloß dunkle Körper in dem sogenannten homogenen Licht beobachtet und beobachten kann, dass unser Versuch hingegen eine Mannigfaltigkeit von Fällen darbietet, wodurch wir allein über das Phänomen zu einer völligen und reinen Einsicht gelangen mögen.

273.
Wenn ich Fliegen und andre dergleichen kleine Körper, vom homogen en Lichte beschienen, durchs Prisma betrachtete, so sah ich ihre Teile so genau begrenzt, als wenn ich sie mit bloßen Augen beschaute.

274.
Das hier eintretende Verhältnis muss unsern Lesern, besonders denen, auf die unser didaktischer Vortrag Eindruck gemacht, schon genugsam bekannt sein. Es ist nämlich dieses, dass die Ränder eines farbigen Bildes auf dunklem Grunde, besonders wenn die Farben selbst dunkel sind, sich nur mit Aufmerksamkeit beobachten lassen. Hier ist der Fall umgekehrt. Newton bringt dunkle Bilder auf farbigen Grund, welche noch überdies von dem farbigen Lichte, das den Grund hervorbringt, selbst beschienen und einigermaßen tingiert werden. Dass die prismatischen Ränder sodann weniger an diesen Gegenständen erscheinen, sondern sich mit ihnen vermischen oder am entgegengesetzten Ende aufgehoben werden, ist natürlich, so dass sie also ziemlich begrenzt und ohne merkliche Säume gesehen werden. Um aber das Phänomen von allen Seiten auf einmal deutlich zu machen, so haben wir auf unserer zwölf ten Tafel auf den farbigen Gründen helle, dunkle und farbige Bilder angebracht. Der Beobachter kann sie sogleich durchs Prisma anschauen und wird die Ränder und Säume nach den verschiedenen Verhältnissen des Hellen und Dunklen sowie nach den Eigenschaften der verschiedenen Farben überall erkennen und beobachten lernen. Er wird einsehen, wie unglücklich der Newtonische Vortrag ist, der aus allen Phänomenen immer nur eins, nur dasjenige heraushebt, was ihm günstig sein kann, alle die übrigen aber verschweigt und verbirgt und so von Anfang bis zu Ende seiner belobten Optik verfährt.
Kaum wäre es nötig, den Überrest, der sich auf dieses Experiment bezieht, zu übersetzen und zu beleuchten; wir wollen uns aber diese kleine Mühe nicht reuen lassen.

275.
Wenn ich aber dieselben Körper im weißen, heterogenen, noch nicht gebrochenen Sonnenlicht

276.
Man merke wohl: Schwarz auf Weiß!

277.
gleichfalls durch das Prisma ansah, so erschienen ihre Grenzen sehr verworren, so dass man ihre kleineren Teile nicht erkennen konnte.

278.
Ganz recht! Denn die kleineren, schmäleren Teile wurden völlig von den Säumen überstrahlt und also unkenntlich gemacht.

279.
Gleichfalls, wenn ich kleine gedruckte Buchstaben erst im homogenen, dann im heterogenen Licht durchs Prisma ansah, erschienen sie in dem letztern so verworren und undeutlich, dass man sie nicht lesen konnte, in dem ersteren aber so deutlich, dass man sie bequem las und so genau erkannte, als wenn man sie mit bloßen Augen sähe. In beiden Fällen habe ich die Gegenstände in derselben Lage, durch dasselbe Prisma, in derselben Entfernung betrachtet.

280.
Hier gebärdet sich der Verfasser, als wenn er recht genau auf die Umstände achtgäbe, da er doch den Hauptumstand außer acht gelassen.

281.
Nichts war unterschieden, als dass sie von verschiedenem Licht erleuchtet wurden, davon das eine einfach und das andre zusammengesetzt war.

282.
Und nun hätten wir denn also das einfache und zusammengesetzte Licht völlig fertig, das freilich schon viel früher fertig war; denn es stak schon in der ersten Proposition und kam immer gleich unerwiesen in jeder Proposition und in jedem Experimente zurück.

283.
Deswegen also keine andre Ursache sein kann, warum wir jene Gegenstände in einem Fall so deutlich, in dem andern so dunkel sehen, als die Verschiedenheit der Lichter.

284.
jawohl, der Lichter; aber nicht insofern sie farbig oder farblos, einfach oder zusammengesetzt sind, sondern insofern sie heller oder dunkler scheinen.

285.
Wodurch denn zugleich die ganze Proposition bewiesen wird.

286.
Wodurch denn aber, wie wir unter hoffentlicher Beistimmung aller unserer Leser ausrufen, nichts bewiesen ist!

287.
Ferner ist in diesen drei Experimenten das auch höchst bemerkenswert, dass die Farbe des homogenen Lichtes bei diesen Versuchen um nichts verändert worden.

288.
Es ist freilich höchst bemerkenswert, dass Newton erst hier bemerkt, was zu dem ABC der prismatischen Erfahrungen gehört, dass nämlich eine farbige Fläche so wenig als eine schwarze, weiße oder graue durch Refraktion verändert werde, sondern dass allein die Grenzen der Bilder sich bunt bezeichnen. Betrachtet man nun durch ein Prisma das farbige Spektrum in ziemlicher Nähe, so dass es nicht merklich vom Flecke gerückt und seine Versatilität (E. 350-356) nicht offenbar werde, so kann man die von demselben beschienene Fläche als eine wirklich gefärbte zu diesem Zwecke annehmen. Und somit gedenken wir denn, da der Verfasser glücklich ans Ende seines Beweises gelangt zu sein glaubt, wir hingegen überzeugt sind, dass ihm seine Arbeit, ungeachtet aller Bemühung, höchst missglückt sei, seinen ferneren Konsequenzen auf dem Fuße zu folgen