Bernhardinus Telesius

(geboren 1508, gestorben 1588)
Durch die Buchdruckerei wurden mehrere Schriften der Alten verbreitet. Aristoteles und Plato fesselten nicht allein die Aufmerksamkeit; auch andere Meinungen und theoretische Gesinnungen wurden bekannt, und ein guter Kopf konnte sich die eine oder die andre zur Nachfolge wählen, je nachdem sie ihm seiner Denkweise gemäß schien. Dennoch hatte Autorität im allgemeinen so großes Gewicht, daß man kaum etwas zu behaupten unternahm, was nicht früher von einem Alten schon geäußert worden; wobei man jedoch zu bemerken nicht unterlassen kann, daß sie den abgeschlossenen Kreis menschlicher Vorstellungsarten völlig, wenngleich oft nur flüchtig und genialisch, durchlaufen hatten, so daß der Neuere, indem er sie näher kennen lernt, seine geglaubte Originalität oft beschämt sieht.
Daß die Elemente, wonach Aristoteles und die Seinigen die Anfänge der Dinge darstellen und einteilen wollen, empirischen, und wenn man will, poetischen Ursprungs seien, war einem frei aufblickenden Geiste nicht schwer zu entdecken. Telesius fühlte, daß man, um zu Anfängen zu gelangen, ins Einfachere gehen müsse. Er setzt daher die Materie voraus und stellt sie unter den Einfluß von zwei empfindbaren aber ungreiflichen Prinzipien, der Wärme und der Kälte. Was er hierbei frühern Überlieferungen schuldig, lassen wir unausgemacht.
Genug, er faßte jene geheimnisvolle Systole und Diastole, aus der sich alle Erscheinungen entwickeln, gleichfalls unter einer empirischen Form auf, die aber doch, weil sie sehr allgemein ist und die Begriffe von Ausdehnung und Zusammenziehung, von Solideszenz und Liqueszenz hinter sich hat, sehr fruchtbar ist und eine höchst mannigfaltige Anwendung leidet.
Wie Bernhardinus dieses geleistet und wie er denn doch zuletzt empfunden, daß sich nicht alle Erscheinungen unter seiner Formel aussprechen lassen, ob sie gleich überall hindeutet, davon belehrt uns die Geschichte der Philosophie eines weitern. Was aber für uns höchst merkwürdig ist, er hat ein Büchelchen De colorum generatione geschrieben, das 1570 zu Neapel in Quart herauskam. Wir haben es leider nie zu sehen Gelegenheit gehabt und wissen nur so viel, daß er die Farben gleichfalls sämtlich aus den Prinzipien der Wärme und Kälte ableitet. Da auch unsre Ableitung derselben auf einem Gegensatz beruht, so würde es interessant sein zu sehen, wie er sich benommen und inwiefern sich schon eine Annäherung an das, was wir für wahr halten, bei ihm zeige. Wir wünschen dieses um so mehr zu erfahren, als im achtzehnten Jahrhundert Westfeld mit dem Gedanken hervortritt, daß die Farbe, wenn sie auch nicht der Wärme zuzuschreiben sei, doch wenigstens mit derselben und ihren Modifikationen in genauer Verwandtschaft stehe.