Alchimisten

Auf eben diesem Wege gingen die Alchimisten fort und mußten sich, weil darunter wenig originelle Geister, hingegen viele Nachahmer sich befanden, immer tiefer zur Geheimniskrämerei ihre Zuflucht nehmen, deren Dunkelheiten aus dem vorigen Jahrhundert herübergekommen waren. Daher die Monotonie aller dieser Schriften.
Betrachtet man die Alchimie überhaupt, so findet man an ihr dieselbe Entstehung, wie wir oben bei anderer Art Aberglauben bemerkt haben. Es ist der Mißbrauch des Echten und Wahren, ein Sprung von der Idee, vom Möglichen, zur Wirklichkeit, eine falsche Anwendung echter Gefühle, ein lügenhaftes Zusagen, wodurch unsern liebsten Hoffnungen und Wünschen geschmeichelt wird.
Hat man jene drei erhabenen, untereinander im innigsten Bezug stehenden Ideen, Gott, Tugend und Unsterblichkeit, die höchsten Forderungen der Vernunft genannt, so gibt es offenbar drei ihnen entsprechende Forderungen der höheren Sinnlichkeit, Gold, Gesundheit und langes Leben. Gold ist so unbedingt mächtig auf der Erde, wie wir uns Gott im Weltall denken. Gesundheit und Tauglichkeit fallen zusammen. Wir wünschen einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. Und das lange Leben tritt an die Stelle der Unsterblichkeit. Wenn es nun edel ist, jene drei hohen Ideen in sich zu erregen und für die Ewigkeit zu kultivieren, so wäre es doch auch gar zu wünschenswert, sich ihrer irdischen Repräsentanten für die Zeit zu bemächtigen. Ja diese Wünsche müssen leidenschaftlich in der menschlichen Natur gleichsam wüten und können nur durch die höchste Bildung ins Gleichgewicht gebracht werden. Was wir auf solche Weise wünschen, halten wir gern für möglich; wir suchen es auf alle Weise, und derjenige, der es uns zu liefern verspricht, wird unbedingt begünstigt.
Daß sich hierbei die Einbildungskraft sogleich tätig erzeige, läßt sich erwarten. Jene drei obersten Erfordernisse zur höchsten irdischen Glückseligkeit scheinen so nahe verwandt, daß man ganz natürlich findet, sie auch durch ein einziges Mittel erreichen zu können. Es führt zu sehr angenehmen Betrachtungen, wenn man den poetischen Teil der Alchimie, wie wir ihn wohl nennen dürfen, mit freiem Geiste behandelt. Wir finden ein aus allgemeinen Begriffen entspringendes, auf einen gehörigen Naturgrund aufgebautes Märchen.
Etwas Materielles muß es sein, aber die erste allgemeine Materie, eine jungfräuliche Erde. Wie diese zu finden, wie sie zu bearbeiten, dieses ist die ewige Ausführung alchimischer Schriften, die mit einem unerträglichen Einerlei, wie ein anhaltendes Glockengeläute, mehr zum Wahnsinn als zur Andacht hindrängen.
Eine Materie soll es sein, ein Unorganisiertes, das durch eine der organischen ähnliche Behandlung veredelt wird. Hier ist ein Ei, ein Sperma, Mann und Weib, Vierzig Wochen, und so entspringt zugleich der Stein der Weisen, das Universalrezipe und der allzeit fertige Kassier.
Die Farbenerscheinungen, welche diese Operation begleiten, und die uns eigentlich hier am meisten interessieren müssen, geben zu keiner bedeutenden Bemerkung Anlaß. Das Weiße, das Schwarze, das Rote und das Bunte, das bei chemischen Versuchen vorkommt, scheint vorzüglich die Aufmerksamkeit gefesselt zu haben.
Sie legten jedoch in alle diese Beobachtungen keine Folge, und die Lehre der chemischen Farben erhielt durch sie keine Erweiterung, wie doch hätte geschehen können und sollen. Denn da ihre Operationen sämtlich auf Übergänge, Metaschematismen und Verwandlungen hindeuteten und man dabei eine jede, auch die geringste, Veränderung des bearbeiteten Körpers zu beachten Ursache hatte, so wäre zum Beispiel jene höchst bedeutende Wirkung der Farbennatur, die Steigerung, am ersten zu bemerken und, wenn auch nur irrig, als Hoffnungsgrund der geheimnisvollen Arbeit anzusehen gewesen. Wir erinnern uns jedoch nicht, etwas darauf Bezügliches gefunden zu haben.
Übrigens mag ein Musterstück, wie sie ihr Geschäft überhaupt, besonders aber die Farbenerscheinung behandelt, in der Übersetzung hier Platz finden.
Calid, ein fabelhafter König von Ägypten, unterhält sich mit einem palästinischen Einsiedler Morienus, um über das große Werk des wunderbaren Steins belehrt zu werden. Der König: Von der Natur und dem Wesen jenes großen Werkes hast du mir genug eröffnet, nun würdige mich auch, mir dessen Farbe zu offenbaren. Dabei möchte ich aber weder Allegorie noch Gleichnisse hören. Morienus: Es war die Art der Weisen, daß sie ihr Assos von dem Stein und mit dem Stein immer verfertigten. Dieses aber geschah, ehe sie damit etwas anders färbten. Assos ist ein arabischer Ausdruck und könnte lateinisch Alaun verdolmetscht werden. O guter König, dir sei genug, was ich hier vorbringe. Laß uns zu ältern Zeugnissen zurückkehren, und verlangst du ein Beispiel, so nimm die Worte Datin des Philosophen wohl auf, denn er sagt: Unser Lato, ob er gleich zuerst rot ist, so ist er doch unnütz; wird er aber nach der Röte ins Weiße verwandelt, so hat er großen Wert. Deswegen spricht Datin zum Euthices: O Euthices, dieses wird alles fest und wahrhaft bleiben; denn so haben die Weisen davon gesprochen: Die Schwärze haben wir weggenommen, und nun mit dem Salz Anatron, das ist Salpeter, und Almizadir, dessen Eigenschaft kalt und trocken ist, halten wir die Weiße fest. Deswegen geben wir ihm den Namen Borreza, welches arabisch Tinkar heißt. Das Wort aber Datin des Philosophen wird durch Hermes Wort bestätigt. Hermes aber sagt: Zuerst ist die Schwärze, nachher mit dem Salz Anatron folgt die Weiße. Zuerst war es rot und zuletzt weiß, und so wird alle Schwärze weggenommen und sodann in ein helles leuchtendes Rot verwandelt. Maria sagt gleichfalls: Wenn Laton mit Alzebric, das heißt mit Schwefel, verbrennt und das Weichliche drauf gegossen wird, so daß dessen Hitze aufgehoben werde, dann wird die Dunkelheit und Schwärze davon weggenommen und derselbe in das reinste Gold verwandelt. Nicht weniger sagt Datin der Philosoph: Wenn du aber Laton mit Schwefel verbrennst und das Weichliche wiederholt auf ihn gießest, so wird seine Natur aus dem Guten ins Bessere mit Hülfe Gottes gewendet. Auch ein anderer sagt: Wenn der reine Laton so lange gekocht wird, bis er wie Fischaugen glänzt, so ist seine Nützlichkeit zu erwarten. Dann sollst du wissen, daß er zu seiner Natur und zu seiner Farbe zurückkehrt. Ein anderer sagt gleichfalls: Je mehr etwas gewaschen wird, desto klarer und besser erscheint es. Wird er nicht abgewaschen, so wird er nicht rein erscheinen, noch zu seiner Farbe zurückkehren. Desgleichen sagt Maria: Nichts ist, was vom Lato die Dunkelheit noch die Farbe wegnehmen könne, aber Azoc ist gleichsam seine Decke, nämlich zuerst, wenn er gekocht wird: denn er färbt ihn und macht ihn weiß; dann aber beherrscht Lato den Azoc, macht ihn zu Wein, das ist rot.
Wie sehr der König Calid durch diese Unterhaltung sich erbaut und aufgeklärt gefunden habe, überlassen wir unsern Lesern selbst zu beurteilen.