730.
Sind wir bei unsern Arbeiten dem Mathematiker aus dem Wege gegangen, so haben wir dagegen gesucht, der Technik des Färbers zu begegnen. Und obgleich diejenige Abteilung, welche die Farben in chemischer Rücksicht abhandelt, nicht die vollständigste und umständlichste ist, so wird doch sowohl darin als in dem, was wir Allgemeines von den Farben ausgesprochen, der Färber weit mehr seine Rechnung finden als bei der bisherigen Theorie, die ihn ohne allen Trost liess.
731.
Merkwürdig ist es, in diesem Sinne die Anleitungen zur Färbekunst zu betrachten. Wie der katholische Christ, wenn er in seinen Tempel tritt, sich mit Weihwasser besprengt und vor dem Hochwürdigen die Knie beugt und vielleicht alsdann, ohne sonderliche Andacht, seine Angelegenheiten mit Freunden bespricht oder Liebesabenteuern nachgeht, so fangen die sämtlichen Färbelehren mit einer respektvollen Erwähnung der Theorie geziemend an, ohne dass sich auch nachher nur eine Spur fände, dass etwas aus dieser Theorie herflösse, dass diese Theorie irgend etwas erleuchte, erläutere und zu praktischen Handgriffen irgendeinen Vorteil gewähre.
732.
Dagegen finden sich Männer, welche den Umfang des praktischen Färbewesens wohl eingesehen, in dem Falle, sich mit der herkömmlichen Theorie zu entzweien, ihre Blössen mehr oder weniger zu entdecken und ein der Natur und Erfahrung gemässeres Allgemeines aufzusuchen. Wenn uns in der Geschichte die Namen Castel und Gülich begegnen, so werden wir hierüber weitläuftiger zu handeln Ursache haben, wobei sich zugleich Gelegenheit finden wird zu zeigen, wie eine fortgesetzte Empirie, indem sie in allem Zufälligen umhergreift, den Kreis, in den sie gebannt ist, wirklich ausläuft und sich als ein hohes Vollendetes dem Theoretiker, wenn er klare Augen und ein redliches Gemüt hat, zu seiner grossen Bequemlichkeit überliefert.