Säugetiere und Menschen

LIV.

662.
Hier fangen die Elementarfarben an, uns ganz zu verlassen. Wir sind auf der höchsten Stufe, auf der wir nur flüchtig verweilen.

663.
Das Säugetier steht überhaupt entschieden auf der Lebensseite. Alles, was sich an ihm äußert, ist lebendig. Von dem Innern sprechen wir nicht, also hier nur einiges von der Oberfläche. Die Haare unterscheiden sich schon dadurch von den Federn, dass sie der Haut mehr angehören, dass sie einfach, fadenartig, nicht geästet sind. An den verschiedenen Teilen des Körpers sind sie aber auch, nach Art der Federn kürzer, länger, zarter und stärker, farblos oder gefärbt, und dies alles nach Gesetzen, welche sich aussprechen lassen.

664.
Weiß und Schwarz, Gelb, Gelbrot und Braun wechseln auf mannigfaltige Weise, doch erscheinen sie niemals auf eine solche Art, dass sie uns an die Elementarfarben erinnerten. Sie sind alle vielmehr gemischte, durch organische Kochung bezwungene Farben und bezeichnen mehr oder weniger die Stufenhöhe des Wesens, dem sie angehören.

665.
Eine von den wichtigsten Betrachtungen der Morphologie, insofern sie Oberflächen beobachtet, ist diese, dass auch bei den vierfüßigen Tieren die Flecken der Haut auf die innern Teile, über welche sie gezogen ist, einen Bezug haben. So willkürlich übrigens die Natur dem flüchtigen Anblick hier zu wirken scheint, so konsequent wird dennoch ein tiefes Gesetz beobachtet, dessen Entwicklung und Anwendung freilich nur einer genauen Sorgfalt und treuen Teilnehmung vorbehalten ist.

666.
Wenn bei Affen gewisse nackte Teile bunt, mit Elementarfarben, erscheinen, so zeigt dies die weite Entfernung eines solchen Geschöpfs von der Vollkommenheit an: denn man kann sagen, je edler ein Geschöpf ist, je mehr ist alles Stoffartige in ihm verarbeitet; je wesentlicher seine Oberfläche mit dem Innern zusammenhängt, desto weniger können auf derselben Elementarfarben erscheinen. Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zusammen ausmachen soll, kann sich nicht hier und da etwas Spezifisches absondern.

667.
Von dem Menschen haben wir wenig zu sagen, denn er trennt sich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Menschen Inneres ist so viel verwandt, dass seine Oberfläche nur sparsamer begabt werden konnte.

668.
Wenn man nimmt, dass schon unter der Haut die Tiere mit Interkutanmuskeln mehr belastet als begünstigt sind; wenn man sieht, dass gar manches Überflüssige nach außen strebt, wie zum Beispiel die großen Ohren und Schwänze, nicht weniger die Haare, Mähnen, Zotten: so sieht man wohl, dass die Natur vieles abzugeben und zu verschwenden hatte.

669.
Dagegen ist die Oberfläche des Menschen glatt und rein und lässt, bei den vollkommensten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stellen, die schöne Form sehen: denn im Vorbeigehen sei es gesagt, ein Überfluss der Haare an Brust, Armen, Schenkeln deutet eher auf Schwäche als auf Stärke, wie denn wahrscheinlich nur die Poeten, durch den Anlass einer übrigens starken Tiernatur verführt, mitunter solche haarige Helden zu Ehren gebracht haben.

670.
Doch haben wir hauptsächlich an diesem Ort von der Farbe zu reden. Und so ist die Farbe der menschlichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, sondern eine durch organische Kochung höchst bearbeitete Erscheinung.

671.
Dass die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterschied der Charaktere deute, ist wohl keine Frage, wie wir ja schon einen bedeutenden Unterschied an blonden und braunen Menschen gewahr werden; wodurch wir auf die Vermutung geleitet worden, dass ein oder das andre organische System vorwaltend eine solche Verschiedenheit hervorbringe. Ein Gleiches lässt sich wohl auf Nationen anwenden, wobei vielleicht zu bemerken wäre, dass auch gewisse Farben mit gewissen Bildungen zusammentreffen, worauf wir schon durch die Mohrenphysiognomien aufmerksam geworden.

672.
Übrigens wäre wohl hier der Ort, der Zweiflerfrage zu begegnen, ob denn nicht alle Menschenbildung und Farbe gleich schön und nur durch Gewohnheit und Eigendünkel eine der andern vorgezogen werde. Wir getrauen uns aber in Gefolge alles dessen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, dass der weiße Mensch, das heißt derjenige, dessen Oberfläche vom Weißen ins Gelbliche, Bräunliche, Rötliche spielt, kurz, dessen Oberfläche am gleichgültigsten erscheint, am wenigsten sich zu irgend etwas Besonderem hinneigt, der schönste sei. Und so wird auch wohl künftig, wenn von der Form die Rede sein wird, ein solcher Gipfel menschlicher Gestalt sich vor das Anschauen bringen lassen nicht als ob diese alte Streitfrage hierdurch für immer entschieden sein sollte: denn es gibt Menschen genug, welche Ursache haben, diese Deutsamkeit des Äußern in Zweifel zu setzen; sondern dass dasjenige ausgesprochen werde, was aus einer Folge von Beobachtung und Urteil einem Sicherheit und Beruhigung suchenden Gemüte hervorspringt. Und so fügen wir zum Schluss noch einige auf die elementarchemische Farbenlehre sich beziehende Betrachtungen bei.