89.
Man kann die Höfe in subjektive und objektive einteilen. Die letzten werden unter den physischen Farben abgehandelt, nur die ersten gehören hierher. Sie unterscheiden sich von den objektiven darin, dasssie verschwinden, wenn man den leuchtenden Gegenstand, der sie auf der Netzhaut hervorbringt, zudeckt.
90.
Wir haben oben den Eindruck des leuchtenden Bildes auf die Retina gesehen und wie es sich auf derselben vergrössert; aber damit ist die Wirkung noch nicht vollendet. Es wirkt nicht allein als Bild, sondern auch als Energie über sich hinaus; es verbreitet sich vom Mittelpunkte aus nach der Peripherie.
91.
Dassein solcher Nimbus um das leuchtende Bild in unserm Auge bewirket werde, kann man am besten in der dunkeln Kammer sehen, wenn man gegen eine mässig grosseÖffnung im Fensterladen hinblickt. Hier ist das helle Bild von einem runden Nebelschein umgeben.
Einen solchen Nebelschein sah ich mit einem gelben und gelbroten Kreise umgeben, als ich mehrere Nächte in einem Schlafwagen zubrachte und morgens bei dämmerndem Tageslichte die Augen aufschlug.
92.
Die Höfe erscheinen am lebhaftesten, wenn das Auge ausgeruht und empfänglich ist. Nicht weniger vor einem dunklen Hintergrund. Beides ist die Ursache, dasswir sie so stark sehen, wenn wir nachts aufwachen und uns ein Licht entgegengebracht wird. Diese Bedingungen fanden sich auch zusammen, als Descartes im Schiff sitzend geschlafen hatte und so lebhafte farbige Scheine um das Licht bemerkte.
93.
Ein Licht mussmässig leuchten, nicht blenden, wenn es einen Hof im Auge erregen soll, wenigstens würden die Höfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden können. Wir sehen einen solchen Glanzhof um die Sonne, welche von einer Wasserfläche ins Auge fällt.
94.
Genau beobachtet ist ein solcher Hof an seinem Rande mit einem gelben Saume eingefasst. Aber auch hier ist jene energische Wirkung noch nicht geendigt, sondern sie scheint sich in abwechselnden Kreisen weiter fort zu bewegen.
95.
Es gibt viele Fälle, die auf eine kreisartige Wirkung der Retina deuten, es sei nun, dasssie durch die runde Form des Auges selbst und seiner verschiedenen Teile, oder sonst hervorgebracht werde.
96.
Wenn man das Auge von dem innern Augenwinkel her nur ein wenig drückt, so entstehen dunklere oder hellere Kreise. Man kann bei Nachtzeit manchmal auch ohne Druck eine Sukzession solcher Kreise gewahr werden, von denen sich einer aus dem andern entwickelt, einer vom andern verschlungen wird.
97.
Wir haben schon einen gelben Rand um den von einem nah gestellten Licht erleuchteten weissen Raum gesehen. Dies wäre eine Art von objektivem Hof (88).
98.
Die subjektiven Höfe können wir uns als den Konflikt des Lichtes mit einem lebendigen Raume denken. Aus dem Konflikt des Bewegenden mit dem Bewegten entsteht eine undulierende Bewegung. Man kann das Gleichnis von den Ringen im Wasser hernehmen. Der hineingeworfene Stein treibt das Wasser nach allen Seiten, die Wirkung erreicht eine höchste Stufe, sie klingt ab und gelangt, im Gegensatz, zur Tiefe. Die Wirkung geht fort, kulminiert aufs neue, und so wiederholen sich die Kreise. Erinnert man sich der konzentrischen Ringe, die in einem mit Wasser gefüllten Trinkglase entstehen, wenn man versucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittierenden Schwingungen beim Abklingen der Glocken, so nähert man sich wohl in der Vorstellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn sie von einem leuchtenden Gegenstand getroffen wird, nur dasssie als lebendig schon eine gewisse kreisartige Disposition in ihrer Organisation hat.
99.
Die um das leuchtende Bild sich zeigende helle Kreisfläche ist gelb mit Rot geendigt. Darauf folgt ein grünlicher Kreis, der mit einem roten Rande geschlossen ist. Dies scheint das gewöhnliche Phänomen zu sein bei einer gewissen Grösse des leuchtenden Körpers. Diese Höfe werden größer, je weiter man sich von dem leuchtenden Bilde entfernt.
100.
Die Höfe können aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erscheinen, wenn der erste Anstossklein und mächtig ist. Der Versuch macht sich am besten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beschienenen Goldflinter. In diesen Fällen erscheinen die Höfe in bunten Strahlen. Jene farbige Erscheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem sie durch Baumblätter dringt, scheint auch hierher zu gehören.