17.
Wir kennen nur zwei ganz reine Farben, welche, ohne einen Nebeneindruck zu geben, ohne an etwas anderes zu erinnern, von uns wahrgenommen werden. Es sind
Gelb und Blau.
Sie stehen einander entgegen, wie alle uns bekannte entgegengesetzte Dinge oder Eigenschaften.
Die reine Existenz der einen schließt die reine Existenz der anderen völlig aus. Dennoch haben sie eine Neigung gegeneinander als zwei entgegengesetzte, aber nicht widersprechende Wesen. Jede einzeln betrachtet, macht einen bestimmten und höchst verschiedenen Effekt; nebeneinander gestellt, machen sie einen angenehmen Eindruck aufs Auge; miteinander vermischt, befriedigen sie den Blick. Diese gemischte Farbe nennen wir
Grün.
Dieses Grün ist die Wirkung der beiden vermischten, aber nicht vereinigten Farben. in vielen Fällen lassen sie sich sondern und wiederum zusammensetzen.
18.
Wir kehren zurück und betrachten die beiden Farben Gelb und Blau abermals in ihrem reinen Zustande und finden, dass sie uns heller und dunkler ohne Veränderung ihrer Eigenheit dargestellt werden können. Wir nehmen z. B. rein aufgelöstes Gummigutta und streichen davon auf ein Papier. Sobald es getrocknet, überstreichen wir einen Teil zum zweiten Mal u.s.f., und wir werden finden, dass, je mehr Farbenteile das Papier bedecken, je dunkler die Farbe wird.
Eben diesen Versuch machen wir mit feingeriebenem und diluiertem Berliner Blau.
19.
Wir können zwar auch die helle Farbe dunkler erscheinen machen, wenn wir das Papier vorher mit einer leichtern oder stärkern Tusche überziehen und dann die Farbe darübertragen. Allein von der Vermischung der Farben mit Schwarz und Weiß darf bei uns nicht die Rede sein.
Hier fragt sich’s nur: Sind die Farbenteile näher oder entfernter beisammen, jedoch in völliger Reinheit? Die schönsten Beispiele wird uns der Chemiker durch mehr oder weniger gesättigte Tinkturen liefern.
20.
Auf obgemeldete Weise verstärken wir aber die Farbe nicht lange, so finden wir, dass sie sich noch auf eine andere Art verändert, die wir nicht bloß durch dunkler ausdrücken können. Das Blaue nämlich sowohl als das Gelbe nehmen einen gewissen Schein an, der, ohne dass die Farbe heller werde als vorher, sie lebhafter macht; ja, man möchte beinah sagen, sie ist wirksamer und doch dunkler. Wir nennen diesen Effekt Rot.
So ist ein reines trockenes Stück Gummigutta auf dem frischen Bruch orangenfarb. Man lege es gegen ein Stück Siegellack, das wir für schön rot erkennen, und man wird wenig Unterschied sehen. Blut mit Wasser vermischt erscheint uns gelb. Die Platina-Auflösung in Königswasser, welche sehr verdünnt gelb erscheint, wird bei mehrer Sättigung mennigfarb.
So schimmert das Berliner Blau, der echte Indig auf dem Bruch ins Violette. Ich besitze einen sehr konzentrierten Indig, dessen Bereitung mir unbekannt ist, der in seinem trocknen Zustande beinah ins Kupferrote fällt und das Wasser mit dem schönsten, reinsten Blau färbt.
21.
Rot nehmen wir also vorerst als keine eigene Farbe an, sondern kennen es als eine Eigenschaft, welche dem Gelben und Blauen zukommen kann. Rot steht weder dem Blauen noch dem Gelben entgegen, es entsteht vielmehr aus ihnen; es ist ein Zustand, in den sie versetzt werden können, und zwar, wie wir hier vorläufig sehen, durch Verdichtung und durch Aneinandersetzung ihrer Teile.
22.
Man nehme nun das Gelbrote und das Blaurote, beides auf seiner höchsten Stufe und Reinheit, man vermische beide, so wird eine Farbe entstehen, welche alle anderen an Pracht und zugleich an Lieblichkeit übertrifft. Es ist der
Purpur, der so viele Nuancen haben kann, als es Übergänge vom Gelbroten zum Blauroten gibt. Die Vermischung geschieht am reinsten und vollkommensten bei prismatischen Versuchen; die Chemie wird uns die Übergänge sehr interessant zeigen.
23.
Wir kennen also nur folgende Farben und Verbindungen
Purpur | ||
Gelbrot
Gelb |
Blaurot
Blau |
|
Grün |
und stellen dieses Schema in einem Farbenkreise hierneben vor.
24.
Wir kennen, wie oben schon gesagt, keine Verdunkelung dieser Farben durch Schwarz, welche immer zugleich eine Beschmutzung mit sich führt und unnötig die Zahl der Abstufungen vermehrt.
25.
Wir enthalten uns gleichfalls der Vermischung mit Weiß, obgleich diese unschuldiger ist und bei trocknen Pigmenten ungefähr das wäre, was das Zugießen des Wassers bei farbigen Tinkturen ist.
26.
jene oben angezeigten, in unserem Schema aufgestellten Farben erkennen wir für die einzigen reinen, welche existieren können. Sobald man verschränkte Vermischungen, z. B. Purpur und Grün, Blaurot und Gelb, Gelbrot und Blau, vermischt, entstehen alsobald schmutzige Farben. Der Maler bedient sich ihrer bei Nachahmung natürlicher Gegenstände, der Färber bei Hervorbringung der Modefarben.
27.
Wir haben aber noch auf einen merkwürdigen Umstand acht zu geben. Sobald wir alle Farben des Schemas in einer gewissen Proportion zusammenmischen, so entsteht eine Unfarbe daraus. Man könnte dieses a priori sagen; denn da die Farben eben dadurch Farben sind, dass sie besondere Kriteria haben, die unser Auge unterscheidet, so folgt, dass sie in einer solchen Vermischung, wo keines dieser Kriterien hervorsticht, eine Unfarbe hervorbringen, welche, auf ein weißes Papier gestrichen, uns völlig den Begriff von Grau gibt, wie uns ein daneben gestrichener Fleck von Tusche überzeugen kann.
28.
Alle Körper und Flächen nun, welche dergestalt mit einfachen oder gemischten Farben erscheinen, haben die Eigenschaft gemein, welche alle unsere Aufmerksamkeit verdient: dass sie dunkler als Weiß und heller als Schwarz sind und sich also von dieser Seite mit dem Grauen vergleichen lassen.
29.
Dieses zeigt sich aufs deutlichste, wenn wir abermals zu den durchsichtigen Körpern zurückkehren.
Man nehme jedes reine Wasser in einer gläsernen Flasche oder in einem Gefäße mit gläsernem Boden, man vermische mit dem Wasser irgendeinen leicht auf zulösenden farbigen Körper, so wird das darunter gelegte weiße Papier uns zwar einen höchst anmutigen Eindruck machen, dabei aber schon bei der geringsten Farberscheinung sogleich dunkler als vorher aussehen. Wir können dieses Dunkle so weit treiben, dass nach und nach durch mehrere Beimischung eines solchen auflöslichen Farbenstoffes die Tinktur endlich völlig undurchsichtig wird und kaum einen Schein der unterliegenden weißen Fläche oder eines andern Lichts durchlässt.
30.
Diese Annäherung an das Schwarze, an das Undurchsichtige, folgt natürlich aus der Eigenschaft der Farbe, dass sie dunkler als Weiß ist, und dass sie durch Anhäufung ihrer Masse zur Undurchsichtigkeit und zur Annäherung an das Schwarze kann gebracht werden, obgleich eine Farbe als solche, wie sich aus Begriffen derselben schon herleiten und durch Versuche dartun lässt, sowenig Schwarz als Weiß werden kann.
31.
Da es von der höchsten Wichtigkeit ist, dass wir die Erfahrung, alle farbigen Flächen seien dunkler als die weißen, die mit ihnen einem gleichen Licht ausgesetzt sind, recht fassen, so bemerken wir nur, was an einem andern Orte umständlicher auszuführen ist: dass die reizende Energie, womit farbige Körper auf unsre Augen wirken, mit der Helligkeit, womit das Weiße auf das Auge wirkt, nicht zu verwechseln sei. Eine orangefarbige Fläche neben einer weißen wirkt gewaltsamer auf das Auge als jene, nicht weil sie heller ist, sondern weil sie einen eignen Reiz besitzt, da das Weiße uns heller, aber nur gleichgültig erscheint. Von verschiedenen Wirkungen der Farbe auf die Augen und das Gemüt wird besonders zu handeln sein.
32.
Man nehme zwei Flaschen von dem reinsten Glase; man gieße in beide reines destilliertes Wasser, man bereite sich nach dem oben angegebenen Schema farbige Tinkturen, die sich chemisch nicht dekomponieren, sondern sich friedlich vermischen; man tröpfle in eine von den Flaschen gleich viel von jeder hinein, und man beobachte das Phänomen, das entstehen wird. Das durchsichtige Wasser wird gefärbt werden, wie die Liquoren hineinkommen; nach den verschiedenen Mischungen wird die gemischte Farbe erscheinen; ja, man wird zuletzt ein unfarbiges Wasser unter verschiedenen Proportionen der Liquoren hervorbringen können. Allein niemand wird behaupten, dass dieses Wasser nun so hell sei als das in der Flasche, in welche keine farbige Liquoren eingetröpfelt worden. Was hat man also getan? Solange man harmonische Tinkturen hineingoss, hat man das Wasser gefärbt, und da man widersprechende Farben hineinbrachte, hat man das Wasser beschmutzt; man hat ihm eine Unfarbe mitgeteilt; man hat ihm aber von seiner Hellung und, wenn ich so sagen darf, von seiner spezifischen Durchsichtigkeit genommen. Dieses wird um so deutlicher, wenn die Dose der Farben, welche man in das Wasser eintröpfelt, verstärkt wird, wo man bald eine dunkelgraue oder bräunliche, in geringer Masse schon undurchsichtige Tinktur erhalten wird. Man denke sich nun dieses dergestalt gefärbte Wasser in Schnee verwandelt, so wird man schwerlich behaupten, dass er so weiß als der natürliche werden könne.
33.
Wir haben oben schon die Wirkung der Farbenmischung gesehen und können auch nun hier daraus folgern und weitergehen. Alle Farben zusammengemischt bringen eine Unfarbe hervor, die so temperiert werden kann, dass sie uns den Eindruck von Grau, den Eindruck eines farblosen Schattens macht, welcher nur immer dunkler wird, je reiner man farbige Pigmente und in je verstärkterem Grade man sie genommen.
34.
Diese Unfarbe aber muss jederzeit dunkler als Weiß und heller als Schwarz sein; denn da jede einzelne Farbe eben diese Eigenschaft mit dem Grauen gemein hat, so können sie solche, untereinander gemischt, nicht verlieren, sondern sämtliche Farben, welche die Eigenschaft eines Schattens haben, müssen, wenn durch Vermischung die Kriteria aufgehoben werden, die Eigenschaft eines farblosen Schattens annehmen.
Dieses zeigt sich uns unter jeder Bedingung, unter allen Umständen wahr.
35.
Man mag die Farben unsres Schemas als Pulver oder nass durcheinander mischen, so werden sie, auf ein weißes Papier gebracht, unter jedem Lichte dunkler erscheinen als das Papier; man mag unser Schema auf ein Schwungrad anbringen und die Scheiben nunmehr mit Gewalt umdrehen, so wird der vorher durch verschiedene Farben sich auszeichnende Ring grau, dunkler als das Weiße, heller als das Schwarze erscheinen (welches man am deutlichsten sehen kann, wenn man die Mitte weiß lässt und einen schwarzen Kranz außen um das Schema zieht). So viel tausend Maler haben ihre Paletten so of t geputzt, und keinem ist es je gelungen, noch wird ihm gelingen, durch die Vermischung aller Farben ein reines Weiß hervorzubringen. Viele tausend Färber haben oft alle Arten von Farbenbrühen zusammengegossen, und niemals ist das hineingetauchte Tuch weiß hervorgezogen worden. ja, ich darf dreist sagen: man erdenke sich Versuche, von welcher Art man wolle, so wird man niemals imstande sein, aus farbigen Pigmenten ein weißes Pigment zusammenzusetzen, das neben oder auf vollkommen reinem Schnee oder Pulver nicht grau oder bräunlich erscheine.