1 .
Gegen die Reize der Farben, welche über die ganze sichtbare Natur ausgebreitet sind, werden nur wenige Menschen unempfindlich bleiben. Auch ohne Bezug auf Gestalt sind diese Erscheinungen dem Auge gefällig und machen an und für sich einen vergnügenden Eindruck. Wir sehen das einfache Grün einer frischgemähten Wiese mit Zufriedenheit, ob es gleich nur eine unbedeutende- Fläche ist, und ein Wald tut in einiger Entfernung schon als große einförmige Masse unserm Auge wohl.
2.
Reizender als dieses allgemeine grüne Gewand, in welches sich die ganze vegetabilische Natur gewöhnlich kleidet, sind jene entschiedenen Farben, womit sie sich in den Stunden ihrer Hochzeitfeier schmückt. Sie tritt aus ihrer alltäglichen Gleichgültigkeit hervor und zeigt endlich, was sie lange vorbereitet, unserm Auge. Sie wirkt auf einmal, schnell, zu dem größten Zwecke. Die Dauer künftiger Geschlechter wird entschieden, und wir sehen in diesem Augenblicke die schönsten und muntersten Blumen und Blüten.
3.
Wie angenehm beleben bunte und gescheckte Tiere die Wälder und die Wiesen! Wie ziert der Schmetterling die Staude, der Vogel den Baum! Ein Schauspiel, das wir Nordländer freilich nur aus Erzählungen kennen. Wir staunen, als hörten wir ein Märchen, wenn der entzückte Reisende uns von einem Palmenwalde spricht, auf den sich ein Flug der größten und buntesten Papageien niederlässt und zwischen seinen dunklen Ästen sich wiegt.
4.
Ebenso wird es uns, wenn wir eine Zeitlang in dem schönen Italien gelebt, ein Märchen, wenn wir uns erinnern, wie harmonisch dort der Himmel sich mit der Erde verbindet und seinen lebhaften Glanz über sie verbreitet. Er zeigt uns meist ein reines, tiefes Blau; die auf – und untergehende Sonne gibt uns einen Begriff vom höchsten Rot bis zum lichtesten Gelb; leichte hin und wieder ziehende Wolken färben sich mannigfaltig, und die Farben des himmlischen Gewölbes teilen sich auf die angenehmste Art dem Boden mit, auf dem wir stehen. Eine blaue Ferne zeigt uns den lieblichsten Übergang des Himmels zur Erde, und durch einen verbreiteten reinen Duft schwebt ein lebhafter Glanz in tausendfachen Spielungen über der Gegend. Ein angenehmes Blau färbt selbst die nächsten Schatten; der Abglanz der Sonne entzückt uns von Blättern und Zweigen, indes der reine Himmel sich im Wasser zu unsern Füßen spiegelt. Alles, was unser Auge übersieht, ist so harmonisch gefärbt, so klar, so deutlich, und wir vergessen fast, dass auch Licht und Schatten in diesem Bilde sei. Nur selten werden wir in unseren Gegenden an jene paradiesischen Augenblicke erinnert, und ich lasse einen Vorhang über dieses Gemälde fallen, damit es uns nicht an ruhiger Betrachtung störe, die wir nunmehr anzustellen gedenken.
5.
Wenn wir die Körper, aus denen die Welt besteht, im Bezuge auf Farben betrachten, so können wir leicht bemerken, dass diese zarten Erscheinungen, die bei gewissen Veränderungen des Körpers so leicht entstehen und verschwinden, nicht etwa zufällig sind, sondern von beständigen Gesetzen abhängen. Gewisse Farben sind gewissen Geschöpfen eigen, und jede Veränderung der äußerlichen Erscheinung lässt uns auf eine innere wesentliche Veränderung schließen. Die Rose verbleicht, indem sie verblüht, und die bunte Farbe des Waldes verkündigt uns die rauhe Jahreszeit.
6.
Von diesen Erfahrungen geleitet, schließen wir, dass es mit andern Wirkungen der Natur ebenso beschaffen sei. Indem wir den Himmel blau sehen, schreiben wir der Luft eine blaue Eigenschaft zu und nehmen an, dass wir diese alsdann erst gewahr werden, wenn wir eine große Luftmasse vor uns haben. Wir erklären auch die blaue Farbe der Berge auf diese Weise, ob wir gleich bei näherer Aufmerksamkeit leicht bemerken, dass wir mit dieser Erklärung nicht auslangen; denn wäre sie richtig, so müssten die entferntesten Berge am dunkelblauesten erscheinen, weil sich zwischen uns und ihnen die größte Luftmasse befindet. Wir bemerken aber gerade das Gegenteil; denn nur in einer gewissen Entfernung erscheinen die Berge im schönen hohen Blau, da die entfernteren immer heller werden und sich zuletzt ins Weißliche verlieren.
7.
Eine andere Lufterscheinung gibt uns noch mehr zu denken. Es verbreitet ein Gewitter über die Gegend einen traurigen Schleier, die Sonne bescheint ihn, und es bildet sich in diesem Augenblick ein Kreis der angenehmsten und lebhaftesten Farben. Diese Erscheinung ist so wunderbar erfreulich an sich selbst und so tröstlich in dem Augenblicke, dass jugendlich empfindende Völker* eine niedersteigende Botschaft der Gottheit, ein Zeichen des geschlossenen Friedensbundes zwischen Göttern und Menschen darin zu erkennen glaubten.
8.
Die beständigen Farben dieser Erscheinung und ähnlicher Phänomene lassen uns ein sehr einfaches und beständiges Gesetz vermuten, das auch zum Grunde anderer Phänomene zu liegen scheint. Schon das Kind findet in der Seifenblase ein buntes Spielwerk, und den Knaben blendet die glänzende Farbenerscheinung, wenn er durch ein besonders geschliffenes Glas die Welt ansieht. Der Jüngling beobachtet, vergleicht, zählt und findet, dass sich die unendliche Abweichung der Farbenharmonie in einem kleinen Kreise nahe beisammen übersehen lasse; und damit es ja am Gegensatze nicht fehle, so werden diese Farben, die bisher so angenehm waren, so manche Ergötzlichkeit gewährten, dem Manne in dem Augenblicke hinderlich und verdrießlich, wenn er sich entfernte Gegenstände durch Hilfe künstlicher Gläser näherbringen und die leuchtenden Körper, die in dem unendlichen Raume geordnet sind, genauer beobachten will.
9.
Von diesen schönen und, wie gesagt, unter gewissen Umständen unbequemen Erscheinungen sind seit den ältesten Zeiten nachdenkende Menschen gereizt worden, sie teils genauer zu beobachten, teils sie durch künstliche Versuche unter verschiedenen Umständen zu wiederholen, ihrer Ursache und ihren Verhältnissen näher zu bringen. Die Geschichte der Optik lehrt uns, wie langsam es damit zuging.
10.
jedermann weiß, dass vor mehr als hundert Jahren ein tiefsinniger Mann (Newton) sich mit dieser Materie beschäftigte, mancherlei Erfahrungen anstellte, ein Lehrgebäude, gleichsam als eine Feste mitten im Felde dieser Wissenschaft, errichtete und durch eine mächtige Schule seine Nachfolger nötigte, sich an diese Partei anzuschließen, wenn sie nicht besorgen wollten, ganz und gar verdrängt zu werden.
11.
Indessen hat es doch dieser Lehre nicht an Widersachern gefehlt, und es steht von Zeit zu Zeit einer und der andere wieder auf, obgleich die meisten, gleich als hätten sie verwegen die Lade des Bundes angerührt, aus der Reihe der Lebendigen verschwinden.
12.
Demungeachtet kann man sich nicht leugnen, dass große und wichtige Einwendungen gegen das Newtonsche System gemacht worden. Ob sie widerlegt sind, bleibt noch eine Frage; denn wer wäre stolz genug, in einer so verwickelten Sache sich zum Richter aufzuwerfen!
13.
Es würde sogar verwegen sein, sich in jenen Streit zu mischen, wenn nicht derjenige, der in dieser Wissenschaft einige Vorschritte machen will, zu seiner eigenen Belehrung die angefochtenen Punkte untersuchen müsste. Dieses wird schwer, weil die Versuche verwickelt und beschwerlich nachzumachen sind, weil die Theorie abstrakt ist und die Anwendung derselben ohne die genauste Einsicht in die höhere Rechenkunst nicht beurteilt werden kann.
14.
Diese Schwierigkeiten würden mich mutlos gemacht haben, wenn ich nicht bedacht hätte, dass reine Erfahrungen zum Fundament der ganzen Naturwissenschaft liegen sollten; dass man eine Reihe derselben aufstellen könne, ohne auf irgendeinen weitern Bezug Rücksicht zu nehmen; dass eine Theorie nur erst alsdann schätzenswert sei, wenn sie alle Erfahrungen unter sich begreift und der praktischen Anwendung derselben zu Hilfe kommt; dass endlich die Berechnung selbst, wenn sie nicht, wie so oft geschehen ist, vergebene Bemühung sein soll, auf sicheren Datis fortarbeiten müsse.* In dieser Überzeugung entschloss ich mich, den physikalischen Teil der Lehre des Lichtes und der Farben ohne jede andere Rücksicht vorzunehmen und gleichsam für einen Augenblick zu supponieren, als wenn in demselben noch vieles zweifelhaft, noch vieles zu erfinden wäre.
15.
Meine Pflicht war daher, die bekannten Versuche aufs genaueste nochmals anzustellen, sie zu analysieren, zu vergleichen und zu ordnen, wodurch ich in den Fall kam, neue Versuche zu erfinden und die Reihe derselben vollständiger zu machen. Da ich dem lebhaften Wunsche nicht widerstehen konnte, wenigstens mein Vaterland auf diese Wissenschaft aufmerksamer zu sehen, als es bisher gewesen, so habe ich gesorgt, dass man so leicht und bequem als möglich die Erfahrungen selbst anstellen könne, von denen die Rede sein wird, und ich werde am Ende dieses Aufsatzes noch besonders von dem Gebrauche der kleinen Tafeln sprechen, welche zugleich ausgegeben werden.
16.
Wir haben in diesen letzten Jahren eine Wissenschaft unglaublich erweitert gesehen, und sie erweitert sich zu unsrer Freude und zu unsrem Nutzen gleichsam noch jeden Tag; ich meine die Chemie. Aber welch ein allgemeines Bestreben der scharf sichtigsten Männer wirkt nicht in derselben! welche Mannigfaltigkeit von Erfahrungen! welche genaue Untersuchung der Körper, auf die man wirkt, welche scharfe Prüfung der Instrumente, durch die man wirkt! welche methodische Fortschritte, welche glückliche Benutzung zufälliger Erscheinungen! welche Kühnheit in Hypothesen, welche Lebhaftigkeit in Bestreitung derselben! wieviele in diesem Konflikt beiden Parteien gleichsam abgedrungene Erfindungen! welche unparteiische Benutzung desjenigen, was durch allgemeine Bemühung nicht einem, sondern allen gehört!
16. In die Zeit von Goethes Jugend fällt eine bedeutsame Epoche der Chemie. Lavoisier tritt um 1775 auf und stürzt die alte Phlogistontheorie; Priestley, Scheele, Cavendish, Stahl, Macquere, Berthollet, durchaus Forscher ersten Ranges, machen Versuche in jeder Richtung, aus denen schließlich eine ganz neue Verbrennungstheorie resultierte. Goethe legte, wie die Stelle zeigt, Wert darauf, daß hier ein Phänomen, die Verbrennung, unter den verschiedensten Verhältnissen dargestellt und daß auf Grund so mannigfaltiger Versuche erst eine Ansicht gebildet wurde. Das Gleiche wollte er in bezug auf die Farbenlehre erreichen. (R. Steiner)
17.
Es wird manchem, der den Fleiß und die Sorgfalt kennt, mit welchen die Optik schon durchgearbeitet worden, vielleicht sonderbar vorkommen, wenn ich dieser Wissenschaft auch noch eine solche Epoche zu wünschen mich unterfange. Wenn man sich aber erinnert, wie of t sich scheinbare Hypothesen in der Vorstellung der Menschen festsetzten, sich lange darin behaupteten und nur durch ein ungeheures Übergewicht von Erfahrungen endlich verbannt werden konnten; wenn man weiß, wie leicht eine flache bildliche Vorstellung von der Einbildungskraft aufgenommen wird und der Mensch sich so gerne Überredet, er habe die wahren Verhältnisse mit dem Verstande gefasst; wenn man bemerkt hat, wie behaglich er oft das zu begreifen glaubt, was er nur weiß:* so wird man, besonders in unserm Jahrzehnt, wo die verjährtesten Rechte bezweifelt und angegriffen werden, verzeihlich finden, wenn jemand die Dokumente untersucht, auf welche eine wichtige Theorie ihren Besitz gegründet hat.
18.
Man wird es mir um so mehr verzeihen, da ich zufälligerweise und durch andere Wege in den Kreis dieser Wissenschaft gelangt bin, als diejenigen sind, durch die man sich ihr gewöhnlich nähert. Durch den Umgang mit Künstlern von Jugend auf und durch eigene Bemühungen wurde ich auf den wichtigen Teil der Malerkunst, auf die Farbengebung aufmerksam gemacht, besonders in den letzten Jahren, da die Seele ein lebhaftes, freudiges Bild der harmonisch-farbigen Welt unter einem reinen glücklichen Himmel-‹ empfing. Denn wenn jemand Ursach hat, sich um die Wirkungen und Verhältnisse der Farben zu bekümmern, so ist es der Maler, der sie überall suchen, überall finden, sie versetzen, verändern und abstufen muss; dahingegen der Optiker seit langer Zeit beschäftigt ist, sie zu verbannen, seine Gläser davon zu reinigen, und nun seinen höchsten Endzweck erreicht hat, da das Meisterwerk der bis auf einen hohen Grad farblosen Sehröhre in unsern Zeiten endlich gelungen ist.
19.
Der bildende Künstler konnte von jener Theorie, woraus der Optiker bei seinen negativen Bemühungen die vorkommenden Erscheinungen noch allenfalls erklärte, wenig Vorteil ziehen. Denn ob er gleich die bunten Farben des Prismas mit den übrigen Beobachtern bewunderte und die Harmonie derselben empfand, so blieb es ihm doch immer ein Rätsel, wie er sie über die Gegenstände austeilen sollte, die er nach gewissen Verhältnissen gebildet und geordnet hatte. Ein großer Teil der Harmonie eines Gemäldes beruht auf Licht und Schatten; aber das Verhältnis der Farben zu Licht und Schatten war nicht so leicht entdeckt, und doch konnte jeder Maler bald einsehen, dass bloß durch Verbindung beider Harmonien sein Gemälde vollkommen werden könne und dass es nicht genug sei, eine Farbe mit Schwarz oder Braun zu vermischen, um sie zur Schattenfarbe zu machen. Mancherlei Versuche bei einem von der Natur glücklich gebildeten Auge, Übung des Gefühls, Überlieferung und Beispiele großer Meister brachten endlich die Künstler auf einen hohen Grad der Vortrefflichkeit, ob sie gleich die Regeln, wonach sie handelten, kaum mitteilen konnten, und man kann sich in einer großen Gemäldesammlung überzeugen, dass fast jeder Meister eine andere Art, die Farben zu behandeln, gehabt hat.
20.
Es ist hier der Ort nicht, diese Materien weiter auszuführen und zu untersuchen, welchen allgemeinen Gesetzen diese verschiedenen Behandlungen unterworfen sein könnten. Ich bemerke hier nur ein Hauptgesetz, welches die Künstler entdeckten, ein solches, das mit dem Gesetze des Lichtes und des Schattens gleichen Schritt hielt und sich an dasselbe auf das innigste anschloss; es war das Gesetz der sogenannten warmen und kalten Tinten. Man bemerkte, dass gewisse Farben, nebeneinander gestellt, ebenso einen großen Effekt machten als tiefer Schatten neben dem hellsten Lichte und dass diese Farben ebenso gut Abstufungen erlitten als der Schatten durch die Widerscheine. Ja, es fand sich, dass man bloß durch die Gegeneinanderstellung der Farben gleichsam ohne Schatten ein sehr vollkommenes Gemälde hervorbringen könnte, wie uns noch jetzt reizende Bilder der größten Meister Beispiele geben.
21.
Mit allen diesen Punkten, deren hier nur im Vorbeigehen gedacht wird, werden wir uns in der Folge mehr beschäftigen, wenn wir erst eine Reihe Erfahrungen durchgegangen sind. Dieses erste gegenwärtige Stück wird die einfachsten prismatischen Versuche enthalten, wenige, aber merkwürdige Versuche, die zwar nicht alle neu, aber doch nicht so bekannt sind, als sie es zu sein verdienten. Es sei mir erlaubt, eh ich sie vortrage, das Allgemeinere vorauszuschicken.
22.
Den Zustand des Raums um uns, wenn wir mit offenen gesunden Augen keine Gegenstände erblicken, nennen wir die Finsternis. Wir denken sie abstrakt ohne Gegenstand als eine Verneinung; sie ist, wie die Ruhe, den Müden willkommen, den Muntern unangenehm.
23.
Das Licht hingegen können wir uns niemals in abstracto denken, sondern wir werden es gewahr als die Wirkung eines bestimmten Gegenstandes, der sich in dem Raume befindet und durch eben diese Wirkung andere Gegenstände sichtbar macht.
24.
Licht und Finsternis führen einen beständigen Streit miteinander; Wirkung und Gegenwirkung beider ist nicht zu verkennen. Mit ungeheurer Elastizität und Schnelligkeit eilt das Licht von der Sonne zur Erde und verdrängt die Finsternis; ebenso wirkt ein jedes künstliche Licht in einem proportionierten Raume. Aber sobald diese unmittelbare Wirkung wieder aufhört, zeigt die Finsternis wieder ihre Gewalt und stellt sich in Schatten, Dämmerung und Nacht sogleich wieder her.
25.
Die Oberflächen der Körper, die uns sichtbar werden, haben außer ihren Eigenschaften, welche wir durchs Gefühl erkennen, noch eine, welche dem Gefühl gewöhnlich nicht unterworfen ist; wir nennen diese Eigenschaft Farbe. In diesem allgemeinen Sinne nennen wir Schwarz und Weiß so gut als Blau, Gelb und Rot mit allen ihren Mischungen eine Farbe. Wenn wir aber genauer aufmerken, so werden wir leicht finden, dass wir jene beiden erstern von den letztern abzusondern haben.
26.
Die Wirkung des Lichts auf ungefärbte Wassertropfen, welche sich vor einem dunkeln Grunde befinden, zeigt uns eine Erscheinung von Gelb, Blau und Rot mit verschiedenen Mischungen; ein ungefärbtes prismatisches Glas lässt uns ein ähnliches Phänomen an allen Gegenständen erblicken. Diese Farben, welche an der Oberfläche der Körper nicht bleibend sind, sondern nur unter gewissen Umständen gesehen werden, möchte ich absolute Farben nennen, die mit ihnen korrespondierenden Oberflächen farbige Körper.
27.
Wir bemerken, dass wir allen absoluten Farben körperliche Repräsentanten stellen können, welche, ob sie gleich nicht in dem Glanze wie jene erscheinen, dennoch sich ihnen in einem hohen Grade nähern und eine gewisse Verwandtschaft anzeigen.
28.
Sind diese farbigen Körper von der Art, dass sie ihre Eigenschaf ten ungefärbten oder anders gefärbten Körpern leicht mitteilen, so nennen wir sie färbende Körper oder nach dem Vorschlage Herrn Hofrats Lichtenberg Pigmente.
29.
Wie wir nun auf diese Weise farbige Körper und Pigmente teils finden, teils bereiten und mischen können, welche die prismatischen Farben so ziemlich repräsentieren, so ist das reine Weiß dagegen ein Repräsentant des Lichts, das reine Schwarz ein Repräsentant der Finsternis, und in jenem Sinne, wie wir die prismatische Erscheinung farbig nennen, ist Weiß und Schwarz keine Farbe; aber es gibt so gut ein weißes als schwarzes Pigment, mit welchem sich diese Erscheinung auf andere Körper übertragen lässt.
30.
Unter den eigentlich farbigen Erscheinungen sind nur zwei, die uns einen ganz reinen Begriff geben, nämlich Gelb und Blau. Sie haben die besondere Eigenschaft, dass sie zusammen vermischt eine dritte Farbe hervorbringen, die wir Grün nennen.
31.
Dagegen kennen wir die rote Farbe nie in einem ganz reinen Zustande; denn wir finden, dass sie sich entweder zum Gelben oder zum Blauen hinneigt.
31. Deshalb ist Rot für Goethe nur ein Zustand des Gelben oder Blauen, in dem dieselben erscheinen, wenn sie gesteigert werden, und nicht eine ursprüngliche Elementarfarbe.
32.
Von den übrigen Mischungen und Abstufungen wird erst in der Folge die Rede sein können.