Experiments and Observations on the unequal Refrangibility of Light, in den Transaktionen der Königlichen Sozietät zu Edinburgh, Vol. 3, 1794.
Das Phänomen der Achromasie war nun allgemein bekannt und besonders durch die einfachen prismati schen Versuche außer allem Zweifel gesetzt worden; doch stand der Anwendung dieses Naturgesetzes auf Objektivgläser manches im Wege, sowohl von der chemischen als von der mechanischen Seite, indem es seine Schwierigkeiten hat, ein innerlich vollkommen reines Flintglas zu bereiten und genau zusammenpassende Gläser zu schleifen. Besonders aber stellten sich manche Hindernisse ein, wenn man die Weite der Objektivgläser über einen gewissen Grad vermehren wollte.
Dass nicht allein feste, sondern auch allerlei flüssige Mittel die Farbenerscheinung zu erhöhen imstan de seien, war bekannt. Doktor Blair beschäftigte sich mit diesen letzten, um so mehr, als er wollte gefunden haben, dass bei der gewöhnlichen Art, durch Verbindung von Flint- und Crownglas, die Achromasie nicht vollkommen werden könne.
Er hatte dabei die Newtonische Vorstellungsart auf seiner Seite: denn wenn man sich das Spektrum als eine fertige, in allen ihren einzelnen Teilen ungleich gebrochene Strahlenreihe denkt, so lässt sich wohl hoffen, dass ein entgegengesetztes Mittel allenfalls einen Teil derselben, aber nicht alle aufheben und ver bessern könne. Dieses war schon früher zur Sprache gekommen und Dr. Blaits Versuche, sowie die daraus gezogenen Folgerungen, wurden von den Newtonianern mit Gunst aufgenommen.
Wir wollen ihn erst selbst hören und sodann dasjenige, was wir dabei zu erinnern im Fall sind, nachbringen.
Versuche des Dr. Blair über die chromatische Kraft verschiedener Flüssigkeiten und Auflösungen
«Verschiedene Auflösungen von Metallen und Halbmetallen in verschiedenen Gestalten fanden sich immer chromatischer als Crownglas. Die Auflösungen einiger Salze in Wasser, zum Beispiel des rohen Ammoniaksalzes, vermehren die Erscheinung sehr. Die Salzsäure hat auch diese Kraft, und je konzentrierter sie ist, desto stärker wirkt sie. Ich fand daher, dass diejenigen Flüssigkeiten die allerhöchste chromatische Kraft haben, in welchen die Salzsäure und die Metalle verbunden sind. Die chemische Präparation, genannt Causticum antimoniale oder Butyrum Antimonii, besitzt in ihrem konzentriertesten Zustande, wenn sie eben genug Feuchtigkeit an sich gezogen hat, um flüssig zu sein, diese Kraft in einem erstaunlichen Grade, so dass drei Keile Crownglas nötig sind, um die Farbe aufzuheben, die durch einen entgegen gesetzten Keil von gleichem Winkel hervorgebracht worden. Die große Menge des in dieser Solution enthaltenen Halbmetalls und der konzentrierte Zustand der Salzsäure scheinen diesen kaum glaublichen Effekt hervorzubringen.»
«Ätzendes sublimiertes Quecksilber, mit einer Auflösung von rohem Ammoniaksalz in Wasser, ist an Stärke die nächste Auflösung. Man kann sie so stark machen, dass der Winkel eines Prismas von Crownglas, welches ihre Farbenerscheinung aufwiegen soll, doppelt so groß sein muss. Hier sind auch offenbar das Quecksilber und die Salzsäure an der Erscheinung Ursache: denn weder das Wasser noch das flüchtige Laugensalz, als die übrigen Teile der Zusammensetzung, zeigen, wenn man sie einzeln untersucht, eine solche Wirkung.»
«Die wesentlichen Öle folgen zunächst. Diejenigen, welche man aus harzigen Mineralien erhält, wirken am stärksten: als aus natürlichem Bergöl, Steinkohle und Ambra. Ihr Verhältnis zu dem Crownglas ist ungefähr wie zwei zu drei. Das wesentliche Öl des Sassafras wirkt nicht viel geringer. Wesentliches Zitronenöl, ganz echt, verhält sich wie drei zu vier, Terpentinöl wie sechs zu sieben, und im wesentlichen Rosmarinöl ist die Kraft noch etwas geringer.»
«Ausgepresste Öle unterscheiden sich nicht sonderlich vom Crownglas, so auch rektifizierte Geister, und der Äther des Salpeters und Vitriols.»
Vorlesung des Dr. Blair
I. «Die ungleiche Refrangibilität des Lichts, wie sie Isaak Newton entdeckt und umständlich erörtert hat, steht nur insofern unwidersprochen gegründet, als die Refraktion an der Grenze irgendeines Mediums und eines leeren Raumes vorgeht. Alsdann sind die Strahlen von verschiedenen Farben ungleich gebrochen, die rotmachenden Strahlen sind die am wenigsten, die violettmachenden die am meisten brechbaren Strahlen.»
II. «Die Entdeckung von demjenigen, was man die verschieden zerstreuende Kraft in den verschieden brechenden Medien nannte, zeigt, dass die Newtonischen Theoreme nicht allgemein sind, wenn er schließt: dass der Unterschied der Brechung zwischen den meist und geringst brechbaren Strahlen immer in einem gegebenen Verhältnisse zu der Refraktion der mittelst refrangiblen stehe. Man zweifelt nicht, dass dieser Satz wahr sei, bezüglich auf die Mittel, an welchen Erfahrungen gemacht sind; aber es finden sich manche Ausnahmen desselben.»
III. «Denn die Erfahrungen des Herrn Dollond beweisen, dass der Unterschied der Brechung zwischen den roten und violetten Strahlen, im Verhältnis zu der Refraktion des ganzen Strahlenpinsels, größer ist in gewissen Glasarten als im Wasser, und größer im Flintglas als im Crownglas.»
IV. «Die erste Reihe der obenerwähnten Versuche zeigt, dass die Eigenschaft, die farbigen Strahlen in einem höheren Grade als Crownglas zu zerstreuen, nicht auf wenige Mittel begrenzt ist, sondern einer großen Mannigfaltigkeit von Flüssigkeiten angehört, und einigen derselben in ganz außerordentlichem Grade. Metallauflösungen, wesentliche Öle, mineralische Säuren, mit Ausnahme der vitriolischen, sind in diesem Betracht höchst merkwürdig.»
V. «Einige Folgerungen, die sich aus Verbindung solcher Mittel, welche eine verschiedene zerstreuende Kraft haben, ergeben und bisher noch nicht genug beachtet worden, lassen sich auf diese Weise erklären. Obgleich die größere Refrangibilität der violetten vor den roten Strahlen, wenn das Licht aus irgendeinem Mittel in einen leeren Raum geht, als ein Gesetz der Natur betrachtet werden kann, so sind es doch gewisse Eigenschaften der Mittel, von denen es abhängt, welche von diesen Strahlen, beim Übergang des Lichtes aus einem Mittel ins andere, die meist refrangiblen sein sollen, oder inwiefern irgendein Unterschied in ihrer Brechbarkeit stattfinde.»
VI. «Die Anwendung von Huyghens Demonstrationen auf die Verbesserung jener Abweichung, die sich von der sphärischen Figur der Linsen herschreibt, sie mögen fest oder flüssig sein, kann als der nächste Schritt, die Theorie der Ferngläser zu verbessern, an gesehen werden.»
VII. «Sodann bei Versuchen, welche mit Objektiv gläsern von sehr weiter Ordnung gemacht, und in welchen beide Abweichungen, insofern es die Grundsätze erlauben, verbessert worden, findet sich, dass die Far benabweichung durch die gemeine Verbindung zweier Mittel von verschiedener Dispersivkraft nicht voll kommen zu verbessern sei. Die homogenen grünen Strahlen sind alsdann die meist refrangierten, zunächst bei diesen Blau und Gelb vereinigt, dann Indigo und Orange vereinigt, dann Violett und Rot vereinigt, welche am wenigsten refrangiert sind.»
VIII. «Wenn diese Farbenhervorbringung beständig und die Länge des sekundären Spektrums dieselbe wäre, in allen Verbindungen der Mittel, wo die ganze Brechung des Pinsels gleich ist, so würde die vollkommene Verbesserung jener Abweichung, die aus der Verschiedenheit der Refrangibilität entsteht, unmöglich sein und als ein unübersteigliches Hindernis der Verbesserung dioptrischer Instrumente entgegenstehen.»
IX. «Der Zweck meiner Experimente war daher, zu untersuchen, ob die Natur solche durchsichtige Mittel gewähre, welche dem Grade nach, in welchem sie die Strahlen des prismatischen Spektrums zerstreuen, verschieden wären, zugleich aber die mancherlei Reihen der Strahlen in derselben Proportion auseinander hielten. Denn wenn sich solche Mittel fänden, so würde das obengemeldete sekundäre Spektrum verschwinden, und die Abweichung, welche durch die verschiedene Refrangibilität entsteht, könnte aufgehoben wer den. Der Erfolg dieser Untersuchung war nicht glücklich in Betracht ihres Hauptgegenstandes. In jeder Verbindung, die man versuchte, bemerkte man dieselbe Art von nicht beseitigter Farbe, und man schloss daraus, dass es keine direkte Methode gebe, die Aberration wegzuschaffen.»
X. «Aber es zeigt sich in dem Verlauf der Versuche, dass die Breite des sekundären Spektrums geringer war in einigen Verbindungen als in anderen, und da eröffnete sich ein in direkter Weg, jene Verbesserung zu finden, indem man nämlich eine zusammen gesetzte hohle Linse von Materialien, welche die meiste Farbe hervorbringen, mit einer zusammen gesetzten konvexen Linse von Materialien, welche die wenigste Farbe hervorbringen, verband und nun beobachtete, auf was weise man dies durch drei Mittel bewirken könnte, ob es gleich schien, dass ihrer viere nötig wären.»
XI. «Indem man sich nun nach Mitteln umsah, welche zu jenem Zweck am geschicktesten sein möchten, so entdeckte man eine wunderbare und merkwürdige Eigenschaft in der Salzsäure. In allen Mitteln, deren Zerstreuungskräfte man bisher untersucht hatte, waren die grünen Strahlen, welche sonst die mittlern refrangiblen im Crownglas sind, unter den weniger refrangiblen, und daher verursachten sie jene nicht beseitigte Farbe, welche vorher beschrieben worden. In der Salzsäure hingegen machen dieselben Strahlen einen Teil der mehr refrangiblen, und in Gefolge davon ist die Ordnung der Farben in dem sekundären Spektrum, welches durch eine Verbindung von Crownglas mit dieser Flüssigkeit hervorgebracht war, umgekehrt, indem das homogene Grün das wenigst refrangible und das verbundene Rot und Violett das meist refrangible war.»
XII. «Diese merkwürdige Eigenschaft, die man in der Salzsäure gefunden, führt zu dem vollkommensten Erfolg, dem großen Mangel der optischen Instrumente abzuhelfen, nämlich der Zerstreuung oder Abweichung der Strahlen, welche sich von ihrer ungleichen Refrangibilität herschrieb und wodurch es bisher unmöglich ward, sie alle zusammen auf einen Punkt zu bringen, sowohl bei einfachen als bei entgegengesetzten Brechungen. Eine Flüssigkeit, in welcher Teile der Salzsäure mit metallischen in gehörigem Verhältnis stehen, trennt die äußersten Strahlen des Spektrums weit mehr als Crownglas, bricht aber alle Reihen der Strahlen genau in demselben Verhältnis, wie dies Glas tut; und daher können die Strahlen aller Farben, welche durch die Brechung des Glases divergent geworden, wieder parallel werden, entweder durch eine folgende Refraktion auf der Grenze des Glases und gedachter Flüssigkeit, oder indem die brechende Dichtigkeit derselben geschwächt wird. Die Brechung, welche an der Grenze derselben und des Glases stattfindet, kann so regelmäßig, als wäre es Reflexion, gemacht werden, indessen die Mängel, welche von unvermeidlicher Unvollkommenheit des Schleifens entspringen müssen, hier viel weniger anstößig sind als bei der Reflexion, und die Masse Licht, welche durch gleiche Öffnung der Teleskope durchfällt, viel größer ist.»
XIII. «Dieses sind die Vorteile, welche unsere Entdeckung anbietet. In der Ausführung musste man beim ersten Angreifen der Sache mancherlei Schwierigkeiten erwarten und deren manche überwinden, ehe die Erfahrungen vollständig wirken konnten. Denn zur Genauigkeit der Beobachtungen gehört, dass die Objektivgläser sehr sorgfältig gearbeitet werden, indem die Phänomene viel auffallender sind, wenn die vergrößernden Kräfte wachsen. Die Mathematiker haben sich viel Mühe zu geringem Zwecke gegeben, indem sie die Radien der Sphären ausrechneten, welche zu achromatischen Teleskopen nötig sind: denn siebe dachten nicht, dass Objektivgläser viel zartere Prüfmittel sind für die optischen Eigenschaften brechender Medien als die groben Versuche durch Prismen und dass die Resultate ihrer Demonstrationen nicht über die Genauigkeit der Beobachtungen hin ausgehen, wohl aber dahinter zurückbleiben können.»
XIV. «Ich schließe diesen Vortrag, der schon länger geworden, als ich mir vorsetzte, indem ich die verschiedenen Fälle ungleicher Brechbarkeit des Lichts erzähle, damit ihre Mannigfaltigkeit auf einmal deutlich eingesehen werde.« XV. »Bei der Brechung, welche an der Grenze eines jeden bekannten Mittels und eines leeren Raums stattfindet, sind die verschiedenfarbigen Strahlen ungleich brechbar, die rotmachenden am wenigsten, die violettmachenden am meisten. Dieser Unterschied der Brechbarkeit der roten und violetten Strahlen ist je doch nicht derselbige in allen Mitteln. Solche Mittel, in weichen der Unterschied am größten ist und welche daher die verschiedenfarbigen Strahlen am meisten trennen oder zerstreuen, hat man durch den Ausdruck dispersive unterschieden, und diejenigen, welche die Strahlen am wenigsten voneinander trennen, sind in dispersive genannt worden. Diese Mittel sind also da durch voneinander unterschieden, und mehr noch durch einen andern, höchst wesentlichen Umstand.»
XVI. «Es zeigt sich durch Versuche, welche man auf indispersive Mittel gemacht hat, dass das mittlere refrangible Licht immer dasselbe und zwar von grüner Farbe ist.»
XVII. «Hingegen in der weitläuftigen Klasse dispersiver Mittel, wozu Flintglas, metallische Auflösungen und wesentliche Öle gehören, macht das grüne Licht nicht die mittlere refrangible Reihe, sondern bildet eine von den weniger refrangiblen Reihen, indem man solches im prismatischen Spektrum näher am tiefen Rot als an dem äußersten Violett findet.»
XVIII. «In einer andern Klasse dispersiver Mittel, welche die Salz- und Salpetersäure enthält, wird das selbe grüne Licht eines der mehr refrangiblen, indem es sich näher am letzten Violett als am tiefsten Rot zeigt.»
XIX. «Dieses sind die Verschiedenheiten in der Brechbarkeit des Lichtes, wenn die Refraktion an der Grenze eines leeren Raumes stattfindet, und die Phänomene werden nicht merklich unterschieden sein, wenn die Brechungen an der Grenze des dichten Mittels und der Luft geschehen. Aber wenn Licht aus einem dichten Mittel ins andere übergeht, sind die Fälle der ungleichen Refrangibilität viel verwickelter.»
XX. «Bei Refraktionen, welche auf der Grenze von Mitteln geschehen, welche nur an Stärke und nicht an Eigenschaft verschieden sind, als Wasser und Crownglas, oder an der Grenze von verschieden dispersiven Flüssigkeiten, welche mehr oder weniger verdünnt sind, wird der Unterschied der Refrangibilität derselbe sein, der oben an der Grenze dichter Mittel und der Luft bemerkt worden, nur dass die Refraktion geringer ist.»
XXI. «An der Grenze eines indispersiven und eines dünnern Mittels, das zu irgendeiner Klasse der dispersiven gehört, können die roten und violetten Strahlen gleich refrangibel gemacht werden. Wenn die dispersive Gewalt des dünneren Mittels sich vermehrt, so werden die violetten Strahlen die wenigst refrangiblen und die roten die meist refrangiblen. Wenn die mittlere refraktive Dichtigkeit zweier Mittel gleich ist, so werden die roten und violetten Strahlen in entgegen gesetzten Richtungen gebrochen, die einen zu, die andern von dem Perpendikel.»
XXII. «Dieses begegnet den roten und violetten Strahlen, welche Art von dispersiven Mitteln man auch brauche, aber die Refrangibilität der mittleren Strahlenordnung und besonders der grünen Strahlen wird verschieden sein, wenn die Klasse der dispersiven Mittel verändert wird.»
XXIII. «So in dem ersten Fall, wenn rote und violette Strahlen gleich refrangibel gemacht worden, wer den die grünen Strahlen als die meist refrangiblen her austreten, sobald man die erste Klasse der dispersiven Mittel gebraucht, und als die wenigst refrangiblen, sobald die zweite Klasse angewendet wird. So in den zwei andern Fällen, wo das Violette das am wenigsten und das Rote das am meisten refrangible wird, und wo diese beiden in entgegengesetzten Direktionen gebrochen werden; alsdann werden die grünen Strahlen zu den roten gelangen, wenn die erste Klasse der dispersiven Mittel gebraucht wird, und werden sich zu den violetten gesellen, wenn man die zweite Klasse braucht.»
XXIV. «Nur noch ein anderer Fall ungleicher Refraktion bleibt übrig zu bemerken, und das ist der, wenn Licht gebrochen wird an der Grenze von Mitteln, die zu den zwei verschiedenen Klassen dispersiver Flüssigkeiten gehören. Bei dem Übergang zum Beispiel von einem wesentlichen Öl oder einer metallischen Solution in die Salzsäuren lässt sich die refraktive Dichtigkeit dieser Flüssigkeiten so zurichten, dass die roten und violetten Strahlen keine Refraktion er dulden, wenn sie aus einer Flüssigkeit in die andere gehen, wie schief auch ihre Inzidenz sein möge. Aber die grünen Strahlen werden alsdann eine merkliche Brechung erleiden, und diese Brechung wird sich vom Perpendikel wegbewegen, wenn das Licht aus der Salzsäure in das wesentliche Öl übergeht, und gegen den Perpendikel, wenn es von dem wesentlichen Öl in die Salzsäure übergeht. Die andern Reihen der Strahlen erleiden ähnliche Brechungen, welche am größesten sind bei denen, die dem Grün am nächsten kommen, und abnehmen, wie sie sich dem tiefen Roten an der einen Seite und dem letzten Violetten an der andern nähern, wo Refraktion vollkommen auf hört.»
Bemerkungen über das Vorhergehende
Wir können voraussetzen, dass unsere Leser die Lehre von der Achromasie überhaupt, teils wie wir solche in unserm Entwurf, teils im historischen Teile vorgetragen, genugsam gegenwärtig haben. Was die Blairischen Bemühungen betrifft, so findet sich über dieselben ein Aufsatz in den Gilbertischen Annalen der Physik (sechster Band, S. 129 ff.); auch kommen in dem Reichsanzeiger (1794, N. 152 und 1795, N. 4 und 14.) einige Notizen vor, welche zur Erläuterung der Sache dienen. Wir haben den Autor selbst reden lassen, und seine einzelnen Paragraphen nummeriert, um einige Bemerkungen darauf beziehen zu können.
Die Blairischen Versuche sind mit Prismen und Objektivgläsern gemacht, aber beide Arten sind nicht deutlich voneinander abgesondert, noch ist die Beschreibung so gefasst, dass man wissen könnte, wann die eine oder die andere Weise zu versuchen eintritt. Er nennt die prismatischen Versuche grob. Wir finden dies eine des Naturforschers unwürdige Art sich aus zudrücken. Sie sind wie alle ähnlichen einfachen Versuche keineswegs grob, sondern rein zu nennen. Die reine Mathematik ist nicht grob, verglichen mit der angewandten, ja sie ist vielmehr zarter und zuverlässiger.
Das größte Übel jedoch, das den Blairischen Versuchen beiwohnt, ist, dass sie nach der Newtonischen Theorie beschrieben sind. Versuche, nach einer falschen Terminologie ausgesprochen, sind, wenn man sie nicht wiederholen kann, sehr schwer durch eine Konjekturalkritik auf den rechten Fuß zu stellen. Wir fanden uns nicht in dem Fall die Blairischen Versuche zu wiederholen; doch werden wir möglichst suchen, ihnen auf die Spur zu kommen.
zu VII.
Es sollen Versuche mit achromatischen Objektivgläsern von sehr weiter Öffnung gemacht wor den sein; was für Versuche aber, ist nicht deutlich. Man kann durch solche Objektivgläser das Sonnen licht fallen lassen, um zu sehen, ob es bei seinem Zusammenziehen oder Ausdehnen Farben zeige; man kann schwarze und weiße kleine Scheiben auf entgegengesetzten Gründen dadurch betrachten, ob sich Ränder an ihnen zeigen oder nicht. Wir nehmen an, dass er den Versuch auf die erste Weise angestellt; nun sagt er, in diesen Objektivgläsern wären die beiden Abweichungen gewissermaßen verbessert gewesen. Dies heißt doch wohl von Seiten der Form und von Seiten der Farbe. Ist dieses letztere auch nur einiger maßen geschehen, wie können denn die wunderlichen Farbenerscheinungen noch übrig bleiben, von denen der Schluss des Paragraphen spricht?
Wir finden uns bei Betrachtung dieser Stelle in nicht geringer Verlegenheit. Homogene grüne Strahlen, die wir nach unsrer Lehre gar nicht kennen, sollen die meist refrangierten sein. Das müsste also doch wohl heißen: sie kommen zuerst im Fokus an. Hier wäre also irgend etwas Grünes gesehen worden. Wie soll man nun aber das folgende verstehen? wo immer je zwei und zwei farbige Strahlen vereinigt sein sollen. Hat man sie gesehen oder nicht gesehen? Im ersten Fall müssten sie jedesmal aneinander grenzen und doppelfarbige Kreise bilden. Oder hat man sie nicht gesehen, und heißt das vereinigt hier, nach der unglückseligen Newtonischen Theorie, wieder zu Weiß verbunden, wie erkennt man denn, dass sie da waren, und wie erfährt man, wo sie geblieben sind?
Wir dachten uns aus dieser Verwirrung allenfalls durch eine doppelte Vermutung zu helfen. Bei achromatischen Fernröhren kommt manchmal der Fall vor, dass die Konvex- und Konkavlinse so genau passen, dass sie sich unmittelbar berühren und drücken, wo durch die lebhaftesten epoptischen Farben entstehen. Trat vielleicht bei jenem Objektiv dieser Umstand ein, und Blair ließ das Sonnenlicht hindurchfallen so konnten solche Farbenkreise entstehen, wie er sie bezeichnet, aber von einer ganz andern Seite. Sie gehören unter eine ganz andre Rubrik, als wohin er sie zieht. Noch ein anderer Umstand konnte stattfinden, dass nämlich das zu diesem Objektiv angewandte Crownglas nicht vollkommen rein war und sich also mit Refraktion verbundene paroptische Farbenkreise zeigten; doch bleibt es uns unmöglich, etwas Gewisses hierüber festzusetzen.zu
XI.
Die Versuche, von denen hier die Rede ist, müssen mit Prismen gemacht worden sein. Er hält sich besonders bei dem Grünen des prismatischen Spektrums auf, welches, wie bekannt, ursprünglich darin gar nicht existiert. Die Redensart, dass grüne Strahlen die mittleren brechbaren sein sollen, ist grundfalsch. Wir haben es tausendmal wiederholt: die Mitte des Gespenstes ist zuerst weiß.
Man nehme unsere fünfte Tafel zur Hand. Wo Gelb und Blau sich berühren, entsteht das Grün und erscheint einen Augenblick ungefähr in der Mitte des Spektrums. Wie aber bei Anwendung eines jeden Mittels, es sei von welcher Art es wolle, das Violette wächst, so gehört Grün freilich mehr dem untern als dem obern Teile zu.
Weil nun sogenannte mehr dispersive Mittel einen längern violetten Schweif bilden, so bleibt das Grün, obgleich immer an seiner Stelle, doch weiter unten, und nun rechnet es der Verfasser gar zu den minder refrangiblen Strahlen. Es steckt aber eigentlich nur in der Enge des hellen Bildes, und der violette Saum geht weit darüber hinaus. Hiermit wären wir also im Reinen.
Dass es aber stark dispersive Mittel geben soll, durch welche das Grün mehr nach oben gerückt wird oder nach jener Terminologie zu den mehr refrangiblen Reihen gehört, scheint ganz unmöglich, weil die Säume ins helle Bild hinein stärker wachsen müssten als aus dem Hellen hinaus; welches sich nicht denken lässt, da beide Randerscheinungen sich jederzeit völlig auf gleiche Weise ausdehnen.
Was hingegen Dr. Blair gesehen haben mag, glauben wir indes durch eine Vermutung auslegen zu können. Er bedient sich zu diesen Versuchen seiner hohlen Prismen. Diese sind aus Messing und Glas zusammengesetzt. Wahrscheinlich haben Salz- und Salpetersäure etwas von dem Messing aufgelöst und einen Grünspan in sich aufgenommen. Durch dieses nun mehr grün gefärbte Mittel wurde das Grün des Spektrums erhöht und der violette Teil desselben deprimiert. Ja es ist möglich, dass der äußerste zarte Teil des Saums völlig aufgehoben worden. Auf diese Weise rückt freilich das Grün scheinbar weit genug hinauf, wie man sich dies Resultat schon durch jedes grüne Glas vergegenwärtigen kann.
zu XXIII und XXIV.
Durch diese beiden Paragraphen wird jene Vermutung noch bestärkt: denn hier kommen Versuche vor, durch welche, nach aufgehobenen Randstrahlen, die grünen mittleren Strahlen in ihrem Wert geblieben sein sollen. Was kann das anders heißen, als dass zuletzt ein grünes Bild noch übrig blieb? Aber wie kann dieses entstehen, wenn die Reihen der entgegengesetzten Enden aufgehoben sind, da es bloß aus diesen zusammengesetzt ist? Schwerlich kann es etwas anders sein und heißen, als dass ein an seinen Rändern wirklich achromatisiertes, durch ein grünes Mittel aber grün gefärbtes gebrochnes Bild noch übrig geblieben.
So viel von unsern Vermutungen, denen wir noch manches hinzufügen könnten. Allein es ist eine traurige Aufgabe, mit Worten gegen Worte zu streiten; und die Versuche anzustellen, um der Sache genau auf die Spur zu kommen, mangelt uns gegenwärtig Zeit und Gelegenheit. Sie verdient wegen Erweiterung der theoretischen Ansicht vielleicht künftig noch eine nähere Prüfung. Denn, was das Praktische betrifft, so sieht man leicht, dass diesen aus Glas und salinischen Flüssigkeiten zusammengesetzten sogenannten aplanatischen Gläsern in der Ausführung noch mehr Hindernisse entgegenstanden, als jenen aus zwei Glasarten verbundenen achromatischen. Auch scheint das Unternehmen nicht weiter geführt worden zu sein. Ob wir hierüber nähere Nachricht erhalten können, muss die Zeit lehren.
Uns sei indessen vergönnt, da wir uns dem Schlusse unserer Arbeit immer mehr nähern, eine allgemeine, hierher wohl passende Anmerkung beizubringen. In physischen sowohl als andern Erfahrungswissenschaften kann der Mensch nicht unterlassen, ins Minutiose zu gehen, teils weil es etwas Reizendes hat, ein Phänomen ins unendlich Kleine zu verfolgen, teils weil wir im Praktischen, wenn einmal etwas geleistet ist, das Vollkommnere zu suchen immer aufgefordert werden. Beides kann seinen Nutzen haben; aber der daraus entspringende Schaden ist nicht weniger merklich. Durch jenes erstgenannte Bemühen wird ein unendlicher Wissenswust aufgehäuft und das Würdige mit dem Unwürdigen, das Werte mit dem Unwerten durcheinander gerüttelt und eins mit dem andern der Aufmerksamkeit entzogen.
Was die praktischen Forderungen betrifft, so mögen unnütze Bemühungen noch eher hingehen, denn es springt zuletzt doch manchmal etwas Unerwartetes hervor. Aber der, dem es Ernst um die Sache ist, bedenke doch ja, dass der Mensch in einen Mittelzustand gesetzt ist und dass ihm nur erlaubt ist, das Mittlere zu erkennen und zu ergreifen. Der Natur, um ganz zunächst bei der Materie zu bleiben, von der wir eben handeln, war es selbst nicht möglich, das Auge ganz achromatisch zu machen. Es ist achromatisch nur insofern, als wir frei, gerade vor uns hin sehen. Bücken wir den Kopf nieder, oder heben ihn in die Höhe, und blicken in dieser gezwungenen Stellung nach irgendeinem entschiedenen hellen oder dunklen Bilde, nach einem zu diesen Erfahrungen immer bereiten Fensterkreuz, so werden wir mit bloßen Augen die prismatischen Säume gewahr. Wie sollte es also der Kunst gelingen, die Natur in einem solchen Grade zu meistern, da man ja nicht mit abstrakten sondern mit konkreten Kräften und Körpern zu tun hat und es sich mit dem Höchsten, der Idee, ebenso verhält, dass man sie keineswegs ins Enge noch ins gleiche bringen kann.
Keineswegs werde jedoch, wie schon gesagt, der Forscher und Techniker abgeschreckt, ins Feinere und Genauere zu gehen, nur tue er es mit Bewusstsein, um nicht Zeit und Fähigkeiten zu vertändeln und zu verschwenden.