Der Verfasser nennt die gegenwärtige Abhandlung eine hypothetische Geschichte, weil die Nachrichten, welche uns durch alte Schriftsteller überliefert worden, in vielen Stücken höchst undeutlich und lückenhaft sind und also durch Vermutungen erst aufgeklärt und ergänzt werden müssen. Wenn indessen dasjenige, was wir vermuten, auf eine ganz natürliche und keineswegs gezwungene Weise aus dem Ganzen der Nachrichten hervorgeht oder durch den Gang der Sache selbst als notwendig gefordert wird, so verdient dasselbe allerdings mehr Glaubwürdigkeit als ein solches Überliefertes, das sich mit dem Wesen der Kunst schwer oder gar nicht verträgt. Der Verfasser behält sich also die Freiheit vor, teils Vermutungen, deren Wahrscheinlichkeit ihm nach dem notwendigen Gange der Kunst einleuchtend ist, vorzubringen, teils Nachrichten, welche ihm widersprechend scheinen, wenn sie sich gleich auf die Autorität eines alten Schriftstellers gründen sollten, zu verwerfen.
Nach des Plinius Behauptung stimmten alle älteren Überlieferungen darin überein, daß die Malerei eigentlich vom Umriß eines menschlichen Schattens begonnen habe; welches unter der Bedingung für wahrscheinlich gelten kann, daß man sich dabei nicht etwa wirkliche Schatten- oder Silhouettenfiguren denke, sondern vielmehr die ersten Linearversuche, eine Gestalt auf eine Fläche aufzuzeichnen: denn dieses ist ja in der Tat das Elementare der Malerei.
Ardices und Telephanes, sagt Plinius, hatten zuerst diese Art von Kunst geübt, noch aber keiner Farben sich bedient, sondern nur innerhalb der Figuren hin und wieder Linien gezogen; wobei er hinzufügt, es sei in dieser ersten Zeit üblich gewesen, jedesmal daneben zu schreiben, wen man abgemalt habe.
Hier zeigt sich dieselbe Bemühung, Formen und Gestalten darzustellen, wie wir noch an den Kindern gewahr werden, wenn sie spielend ihre Popanze an die Wände zeichnen.
Schelte indessen niemand die alten Erfinder der Kunst kindischen oder unreifen Geistes, wenn auch die Werke, die sie verfertigten, sich mit dem Bestreben der Kinder vergleichen lassen. Denn durch sie ist der erste Anlaß zur Malerei, zur Darstellung erhobener runder Gegenstände auf ebener Fläche, in die Welt gekommen, und jeder erste Schritt kann als ein großer und wichtiger angesehen werden.
Ferner sehen wir auch unsere Kinder, welche einen Begriff von Malerei sich geschwind bilden können, sehr bald um etwas weiter gehen und den Versuch machen, wie sie mit Ziegelmehl ihren Fratzen von Seiten der Farbe mehr Naturähnlichkeit verschaffen möchten: ebenso wie nach Plinius› Bericht der Korinther Kleophantus soll getan haben. Und wir sehen nicht, was sich gegen die Wahrscheinlichkeit dieser Nachricht von der ersten einfachsten Weise, wie sich der Sinn fürs Kolorit ausgesprochen, viel einwenden ließe. Denn ehe man den Boden nach Ockerarten und Kreiden durchsucht und verschiedene Hauptfarben zur Nachahmung der Karnation zu mischen gewagt, mögen wohl die Scherben gebrannter irdener Gefäße oder Backsteine das nächste und beste Mittel dargeboten haben, den vorgesetzten Zweck zu erreichen.
Hierbei wird jedermann leicht einfallen, daß die bemalten sogenannten hetrurischen, Gefäße in gebrannter Erde gewissermaßen als Symbole dieser uranfänglichen Malerei können angesehen werden. Die ältesten derselben mit schwarzen, im Detail oft noch unförmlichen Gestalten, stellen uns die Linearzeichnungen des Telephanes und Ardices vor Augen; und wie Plinius von den Werken dieser beiden Künstler erzählt, so sind auch auf den erwähnten Vasenzeichnungen ältester Art, im Innern, zur Andeutung der Teile, einzelne Linien gezogen. Woraus klar erhellt, daß man dadurch keineswegs eigentliche Schattenrisse bezweckte, sondern wirklich allgemeine Zeichnung plastischer Gestalten auf ebener Fläche, doch ohne Begriff von Kolorit, noch weniger von Licht und Schatten; welcher letzteren Erkenntnis, wie wir in der Folge sehen werden, erst später aufgegangen ist und die Vollendung der Malerei bewirkt hat.
Die andere und vermutlich spätere Art der Vasenbilder, mit gelbroten Figuren auf schwarzem Grunde, kann den durch Kleophantus eingeführten ersten vorschreitenden Versuch, die anfängliche Andeutung der Farbe, darstellen. Denn wenn er mit zerstoßenen Scherben malte, so muß daraus eben dieselbe Farbe entstanden sein, die der gebrannte Ton auf nicht glasierten Gefäßen wirklich zeigt.
Wenn wir die sogenannten hetrurischen Gefäße als Darstellung der uranfänglichen Versuche in der Malerei anführten, so würde man uns doch mißverstehen, wenn man glauben wollte, daß wir die Zeichnungen auf dergleichen Gefäßen wirklich in ein so hohes Altertum hinaufrücken und sie selbst als Erstlinge der Malerei betrachten möchten. Wiewohl einige mit schwarzen Figuren, uralter Schrift und unbeholfener noch roher Zeichnung in der Tat sehr alt sind und aus Zeiten herrühren können, welche von der Erfindung der auf Flächen zeichnenden Kunst bei den Griechen nicht fern gewesen. Wir aber gedenken ihrer bloß als solcher Kunstwerke, worauf die ersten ursprünglichen Arten der Malerei noch beibehalten waren und wodurch wir uns dieselben desto besser vorstellen können.
Fruchtlos würde die Bemühung ohne Zweifel ausfallen, wenn jemand unternehmen wollte, die Zeit bestimmt auszumitteln, wann eigentlich bei den Griechen die ersten Anfänge der Malerei stattgehabt. Die Namen Philokles, Kleanthes, Ardices, Telephanes, welche Plinius den Erfindern beilegt, mögen wohl nur bloße Namen sein, so wie alles, was er über das Alter der bildenden Kunst in Griechenland und Italien vorgebracht, aus ungewissen widersprechenden Nachrichten zusammengetragen ist.
Das einzige läßt sich mit Gewißheit behaupten, daß die ersten Versuche der Malerei in sehr entfernte Zeiten fallen. Und wenn man gleich anfänglich schon einige Lebhaftigkeit des Kunstbetriebs annehmen dürfte, so müßte die Plastik selbst nicht beträchtlich älter sein. Doch ist nicht zu leugnen, daß ihre Erfindung oder erste Übung dem Menschen leichter als die der Malerei fallen mochte und daß man jene immer als die ältere, diese als die nachgeborne jüngere Schwester wird erkennen müssen.
Wir schreiten in unsern Betrachtungen weiter fort und finden einen Eumarus, der den Ruhm erwarb, zuerst in seinen Darstellungen die männlichen von den weiblichen Figuren unterschieden zu haben. Dieses scheint mehr von Verbesserung und Berichtigung der Gestalt oder der Zeichnung als von Verfeinerung des Kolorits auszulegen.
Dieser, und Kimon von Kleone erweiterten die Kunst, indem von ihnen die katagraphischen Darstellungen erfunden wurden. Die Unbestimmtheit der Bedeutung dieses Worts hat den Auslegern nicht allein zu schaffen gemacht, sondern man kann sogar behaupten, der eigentliche Sinn desselben sei ihnen verborgen geblieben. Nach unserm Dafürhalten geht die Meinung des Plinius dahin, daß durch die Bemühungen der genannten Künstler die menschlichen Gestalten in der Malerei zuerst mehrere Bewegung und Mannigfaltigkeit erhalten haben. Die Figuren wurden zurückschauend, aufschauend und niederschauend dargestellt; Gelenke und Adern, wie auch an Gewändern die Falten angedeutet, mit einem Worte, die Kunst hatte sich der Natur genähert und sie nachzuahmen begonnen.
Wenn also Plinius von der Erfindung katagraphischer Darstellungen redet, so will er dadurch das Vermögen oder die Kunst, im Umriß die Wendungen und Verkürzungen anzudeuten, ausdrücken. Ein Umstand, welcher allerdings von so großer Wichtigkeit in geschichtlicher Rücksicht ist, als unser Autor darauf zu legen scheint. Denn es war dadurch eine der großen Hauptstufen erstiegen, über welche die Kunst sich zu ihrer Vollkommenheit emporarbeiten mußte.
Hierauf wird nun eine Lücke in den von Plinius uns überlieferten Nachrichten bemerkt. Die Kunst mag vielleicht durch eine geraume Zeit von verschiedenen Künstlern mancherlei Verbesserungen erhalten haben; doch ohne daß eine derselben so auffallend gewesen, um als ein wichtiger Vorfall in der alten Kunstgeschichte angezeigt zu werden. Unterdessen mag man zu mehrerer Fertigkeit gelangt, die Maler mögen nach dem damaligen Maß der gangbaren Kenntnisse mehr Meister ihres Fachs geworden sein.
Ohne Zweifel erhielt die Malerei große und bedeutende Verbesserungen durch den Polygnot von Thasos. Die Bewunderung, welche das ganze Altertum seinen Werken zollte, ist ein sicherer Bürge für ihre hohen Verdienste. Und noch können wir über den edlen Geist seiner Erfindungen urteilen, indem uns Pausanias den Inhalt von zweien seiner Hauptgemälde beschrieben und überliefert hat.
Polygnot mag als ein außerordentlicher Geist im ganzen über die Kunst gewaltet und sie ihrer Vollkommenheit näher gebracht haben; aber unsere gegenwärtigen Betrachtungen bezielen bloß dasjenige, was die Fortschritte der Farbengebung angeht. Er muß, den alten Nachrichten zufolge, um mehrere Mannigfaltigkeit der Farben bemüht gewesen sein, sie auf eine zwar einfache Weise, aber mit Sinn und nach Maßgabe des beabsichtigten Charakters angewendet haben. Er kleidete zuerst die weiblichen Figuren in helle Gewänder und gab dem Hauptschmuck derselben fröhlich bunte Farben, wodurch also die Gemälde im allgemeinen anziehender und gefälliger wurden.
Man sagt, Polygnot und sein Zeitgenosse Mikon hätten sich zuerst des lichten Ockers zum Malen bedient. Nimmt man diese Nachricht in dem Sinne, als hätten diese Künstler die erwähnte Farbe unvermischt zum Anstrich von Gewändern gebraucht, so erhellt daraus eben das vorhin bemerkte sorgfältige Bestreben nach Mannigfaltigkeit, Abwechselung und Farbenreiz. Will man aber gar zugeben, sie hätten, was nicht unwahrscheinlich ist, durch Vermischung dieser Farbe mit Rot und Weiß die genauere Nachahmung der Wahrheit in Darstellung der nackten Teile ihrer Figuren, besonders der weiblichen, erzwecken wollen, so war die Kunst der Malerei bereits auf dem Wege, der sie ihrer vollkommnen Entwicklung zuführen mußte. Es ist vielleicht hier der schicklichste Ort, beizubringen, daß, ebenfalls einer Nachricht des Plinius zufolge, nicht lange vor dieser Zeit auch die Farbe des Zinnobers erfunden wurde.
Von Panänus, des Phidias Bruder, einem Zeit- und Kunstgenossen des Polygnot, wissen wir aus Nachrichten des Plinius und Pausanias, daß er in der Poekile zu Athen die Schlacht bei Marathon gemalt, und zwar, wie aus eben diesen Nachrichten zu vermuten ist, mit mancherlei Farben. Auch sollen die Figuren der Feldherren, sowohl der Griechen als Perser, wirkliche Bildnisse dargestellt haben. Man sieht also offenbar das damalige lebhafte Bemühen der Maler, ihren Werken Wahrheit zu geben. Dieses Bemühen aber mußte vornehmlich Farbe und Farbenmischung betreffen: denn die Zeichnung war damals schon auf den Gipfel des Großen, Edlen, Würdigen gelangt, wovon die plastischen Werke jener Zeit zu unverwerflichem Zeugnis dienen können.
Um die neunzigste Olympiade scheint sich die Malerei bis zur Selbständigkeit emporgearbeitet zu haben. Offenbar setzt Plinius einen bedeutenden Lebenspunkt, das Beginnen einer neuen Epoche der Malerei, in diese Zeit, hat aber zu bemerken unterlassen, worin die wesentliche, damals bewirkte Verbesserung eigentlich bestanden habe. Wir machen uns davon ungefähr folgende Vorstellung.
Bis auf diese Zeit waren die schnelleren Fortschritte der malenden Kunst noch immer gehindert, teils weil die Künstler dieses Fachs die notwendige Fertigkeit und Bequemlichkeit der Behandlung noch nicht in ihrer Gewalt haben mochten, teils weil es ihnen an zweckmäßigen Werkzeugen gebrach. In der frühsten Zeit bediente man sich des Griffels; allein dieser konnte doch wohl nur bloße Umrisse zu ziehen gebraucht werden. Sobald aber die Absicht, mehrere Farben anzuwenden, entstanden war, trat auch das notwendige Bedürfnis eines die Auftragung derselben erleichternden Werkzeuges ein. Wie aber und wann eigentlich zu solchem Behuf der Pinsel erdacht und nach und nach vervollkommnet worden, davon ist keine sichere Nachricht vorhanden.
Im Besitz zwar einfacher, aber doch für die Nachbildung aller sichtbaren Gegenstände genugsam hinreichender Farben mögen die Künstler dieser Zeit gewesen sein. Als berühmte Männer, die also wahrscheinlich Steigerer und Erweiterer der Malerei gewesen, nennt Plinius in der neunzigsten Olympiade den Aglaophon, vermutlich einen andern als den Vater des Polygnot; ferner Kephissodorus und Evenor, dessen Sohn und Schüler Parrhasius war. Worin aber eigentlich ihre Verdienste und die von ihnen bewirkten Fortschritte der Kunst bestanden haben, wird nicht gemeldet. Jedoch finden wir Ursache zu glauben, daß von ihnen, wo nicht die ganz ersten, doch wenigstens die allmählich besser gelungenen Versuche, Licht und Schatten anzudeuten, gemacht worden. Hierzu scheint uns die Erwähnung verschiedener Umstände zu berechtigen.
Denn erstlich ist, nach vorhin geschehenen Andeutungen, die Zeichnung schwerlich derjenige Teil gewesen, in welchem die erwähnten Künstler, die dem Polygnot unmittelbar folgten, eine höhere Vollkommenheit als dieser große Meister erlangt haben. Also müssen sie, da mit ihnen eine neue Epoche der Malerei anfangen soll, in irgendeinem vorhin noch nicht oder wenigstens mit geringem Erfolg bearbeiteten Teile starke Vorschritte gemacht haben.
Nun ist angezeigter Weise sowohl als auch der innern Notwendigkeit nach die Malerei vom reinen Umriß zu Figuren, die sich bloß durch eine einfache Lokalfarbe vom Grund, auf den sie gearbeitet waren, unterschieden, vorgeschritten; dann wurden, als man sich nach und nach im Besitz von mehreren Farben sah, dieselben von großen Künstlern zu sinnvoller Bedeutung, aber wie wir zu glauben geneigt sind, alle noch immer bloß als Lokalfarbe gebraucht, ohne durch Abstufung von helleren und dunkleren Tönen die Wirkung des Lichts und Schattens nachahmen zu wollen.
Denn wenn uns die neuere Kunstgeschichte belehrt, daß erst nach langen und schweren Bemühungen das Helldunkel an natürlichen Gegenständen richtig wahrgenommen werden konnte, obgleich die Tradition davon aus dem Altertum einigermaßen noch übrig war, wie sehr viel größere Schwierigkeiten hatten nicht die Alten zu besiegen, da sie sich den Begriff selbst neu erschaffen mußten! Auch ist kein einziger wahrscheinlicher Grund und keine alte Nachricht vorhanden, nach welchen vermutet werden dürfte daß in Polygnots Gemälden bereits Licht und Schatten angegeben gewesen. Vielmehr läßt das Symbolische seiner Darstellungen, die vielen Figuren, die er auf Gemälden angebracht und reihenweise geordnet, schließen, daß die Angabe von Licht und Schatten von ihm noch nicht bezweckt worden. Hingegen ist wohl nicht zu zweifeln, daß dieses vom Apollodorus, einem Athenienser, der sich um die vierundneunzigste Olympiade berühmt gemacht, geschehen sei. Selbst Plinius bemerkt, daß von den vor diesem Meister verfertigten Gemälden kein einziges das Auge angezogen, wovon der Grund doch wohl nur in dem früher noch gar nicht oder doch nur unbestimmt angedeuteten Licht und Schatten zu suchen ist.
Auch hinsichtlich auf die Gegenstände scheinen die vom Apollodorus gemalten Werke sich von denen des Polygnot wesentlich unterschieden und meist nur einzelne oder doch eingeschränkte Figuren dargestellt zu haben, welche vom Symbolischen, als dem vornehmlich der Plastik gehörigen Feld, abwichen und allmählich den für die Malerei besser geeigneten dramatischen Charakter annahmen.
Nach dem Ruhme zu urteilen, welchen die Alten einstimmig dem Zeuxis von Heraklea gegeben, muß derselbe sich außerordentliche Verdienste um die Kunst erworben haben. Und wenn wir seine Bemühungen bloß aus dem beschränkteren Gesichtspunkt, den wir hier vorzüglich im Auge haben müssen, ansehen, so scheint durch ihn sowohl eine freiere malerische Behandlung, als auch in Hinsicht auf das Kolorit und den Gebrauch von Licht und Schatten mehr Freiheit eingeführt worden zu sein.
Betrachten wir aber, was Zeuxis auch in andern Teilen geleistet, so scheint er als einer der großen Beförderer der Kunst im allgemeinen anzusehen: denn seine Erfindungen waren von der edelsten, gehaltvollsten Art, die Formen nach dem Zeitgeschmack von würdiger Großheit; aber sein eigentümliches Bestreben ging auf das Schöne. Und also mochten, nach unserm Ermessen, die Arbeiten dieses Künstlers wohl nicht fern von der höchsten in der Kunst erreichbaren Höhe gestanden haben. Im vierten Jahr der fünfundneunzigsten Olympiade wird aller Wahrscheinlichkeit nach eines der vorzüglichsten Werke von ihm verfertigt worden sein, weil Plinius des Künstlers höchsten Ruhm von diesem Jahre datiert hat.
Androkydes, Eupompus, Parrhasius und Timanthes waren Nebenbuhler des Zeuxis, wahrscheinlich aber auch etwas jünger als derselbe. Von den beiden ersten wissen wir wenig mehr als die Namen; doch von den letztern sind umständlichere Nachrichten vorhanden, und es leidet durchaus keinen Zweifel, daß Parrhasius die Malerei vorzüglich befördert und vervollkommnet habe. Hauptsächlich mögen durch ihn die Umrisse der Figuren weicher und schwindender, die Gestalten wie mit Luft umgeben gemalt worden sein. Dieses zeigt, daß die Beobachtung und Nachahmung von Licht und Schatten bereits auf einen hohen Grad von Feinheit und Genauigkeit getrieben war. Daß er auch in der Wahrheit des Kolorits zu einer großen Höhe gelangt sei, lernen wir aus einer andern Nachricht des Plinius, wo unter den berühmtesten Werken dieses Künstlers eines Wettläufers gedacht wird, welcher zu schwitzen schien. Es kann also kein Rätsel für uns sein, warum Parrhasius dem Zeuxis für überlegen geachtet wurde. Er war, nach unserer Ansicht der Dinge, kein besserer Künstler als Zeuxis, aber unstreitig war er ein vollkommnerer Maler.
Das flache Märchen, welches Plinius von dem Wettstreit der genannten beiden großen Künstler erzählt, wo Zeuxis Trauben, Parrhasius aber eine als mit dem Vorhang bedeckte Tafel dargestellt haben soll, möchten wir freilich seinem ganzen Umfange nach nicht in Schutz nehmen; allein es konnte unmöglich erfunden und nacherzählt werden, ohne daß sich beide Künstler um das Kolorit besonders verdient gemacht, ohne daß Parrhasius die täuschende Wahrheit der Nachahmung in seiner Gewalt gehabt, das heißt, daß seine Lokaltinten richtig und die Schattierung nach der Natur sehr wohl beobachtet gewesen. Timanthes soll in einem Wettstreit selbst über den Parrhasius gesiegt haben. Ob er aber auch in Hinsicht auf das Kolorit besonders vortrefflich gewesen und durch Vorzüge dieser Art den Sieg erlangt, geht aus den Nachrichten nicht hervor. Er wird uns vornehmlich als höchst sinnreich in seinen Erfindungen beschrieben, auch müssen seine Gemälde in betreff des Ausdrucks der Leidenschaft und Darstellung des Charakters der Figuren höchst schätzbar gewesen sein. Jenes ist aus seiner berühmten Iphigenia wahrscheinlich dieses schließen wir aus der Nachricht von einem andern seiner Gemälde. welches einen Helden dargestellt, und worin, wie Plinius anmerkt, die ganze Kunst, Männer zu malen enthalten war.
Demnach bleibt es allerdings rätselhaft, worauf Parrhasius eigentlich gezielt, welcher, als das Gemälde des Timanthes vom Streit des Ulysses und Aias um Achills Waffen dem seinigen, wo derselbe Gegenstand abgebildet war, vorgezogen wurde, soll gesagt haben: es kränke ihn, daß Aias abermals von einem Unwürdigen überwunden werde.
Ebenso schwer möchte auszumachen sein, worin die Vorzüge des Eupompus, Stifters der Sikyonischen Schule, bestanden haben; weil durchaus keine umständlichen Nachrichten über ihn vorhanden sind, wir auch überhaupt noch nicht wissen, auf welche Weise sich die griechischen Malerschulen in Geschmack, Stil und Behandlung voneinander unterschieden haben.
Euphranor vom Korinthischen Isthmus, ein berühmter Künstler, der sowohl gemalte als plastische Meisterstücke verfertigt und nach Plinius in der hundertundvierten Olympiade geblüht, wird sonder Zweifel auch zur Vervollkommnung des Kolorits beigetragen haben: denn es waren von ihm verfaßte Bücher über die Farben vorhanden. Und weil er von einem gemalten Theseus des oben erwähnten Parrhasius zu urteilen wagte: derselbe sei mit Rosen genährt, ein anderer aber, von ihm selbst gemalter, mit Fleisch, so ist also durch ihn damals größere Wahrheit, Abwechselung und Charakteristik des Farbentons erreicht worden.
Wir nennen hier noch den Echion, Aristides und Pamphilus. Echion lebte in der hundertundsiebenten Olympiade, und man muß damals schon mit großer Kraft und Gegensätzen von Hell und Dunkel gemalt haben, weil unter den berühmtesten Gemälden dieses Künstlers eines erwähnt wird, worauf eine Neuvermählte dargestellt war, der eine alte Frau die Lampe vortrug. Also ein Nachtstück, und neben dem höhern Verdienst ungemein zarten Ausdrucks von kräftiger Wirkung.
Pamphilus hatte den Ruhm, den größten der griechischen Maler gezogen zu haben und scheint von den Alten, besonders wegen seiner theoretischen Kenntnisse, geschätzt worden zu sein. Ob ihm die Kunst auch von Seiten des Praktischen und vorzüglich des Kolorits Erweiterungen zu danken habe, ist uns nicht überliefert worden.
Aristides, der Thebaner, mag etwas jünger als die eben genannten Meister und ein noch größerer, ja dem Apelles selbst gleichgeschätzter Künstler gewesen sein. Unterdessen wird von ihm ausdrücklich bemerkt, sein Hauptverdienst habe nicht in vorzüglicher Anmut der Behandlung oder in zartem Kolorit, sondern in bewundernswürdigem Geist und Lebhaftigkeit des Ausdrucks seiner Figuren und in gehaltreicher Erfindung bestanden.
Dieser Künstler sowie einige der vorhergenannten könnten zwar hier als überflüssig angeführt betrachtet werden, weil wir bloß die Absicht angekündigt, den Fortschritten in der Malerei hinsichtlich auf Anwendung der Farben und was überhaupt mit dem Kolorit verwandt ist, nachzuforschen. Allein eben aus dem Umstand, daß einige Künstler rühmlich bemerkt sind, deren Kunst ganz anderer Vorzüge als des Kolorits wegen gelobt worden, und der gedachte so hoch gerühmte Aristides sogar von dieser Seite gelindem Tadel nicht entgangen, eben daraus ergibt sich klar, daß die Kunst der Farbenbehandlung und der Nachahmung natürlicher Gegenstände durch dieselben um gedachte Zeit schon sehr weit getrieben gewesen, so daß an den Künstler von dieser Seite damals schon sehr große Anforderungen gemacht werden konnten.
Die zufällige Erfindung des gebrannten Bleiweißes oder dessen, was wir jetzt Neapel-Gelb nennen, und die Einführung seines Gebrauchs in die Malerei ist ein Umstand, welchen wir nicht übergehen dürfen. Nikias soll der erste gewesen sein, der diese Farbe angewendet. Dieser Künstler aber lebte zur Zeit des Praxiteles. Weibliche Figuren sollen ihm vorzüglich gelungen sein. Die Richtigkeit der Beleuchtung und das Vortretende in seinen Bildern wird gerühmt, woraus geschlossen werden kann, daß dieser Meister kräftig und mit Effekt gemalt habe.
In bezug hierauf kann man ebenfalls die Bemerkung des Plinius anführen, der, wo er von der Usta, dem gebrannten Bleiweiße spricht, hinzufügt: daß ohne diese Farbe der Schatten nicht ausgedrückt werden könne, welches genau mit den Grundsätzen der neuern Maler, die mit kräftigem Kolorit gearbeitet, übereinstimmt.
Zu welcher Zeit und von welchem Künstler das System der Massen von Licht und Schatten in der Malerei gegründet worden, ist nicht genau bekannt; aber wenn wir dasselbe an den plastischen Werken, zur Zeit des schönen Stils, um die Zeit des Praxiteles, angewandt sehen, so ist mit Grund zu vermuten, daß in der Malerei schon etwas früher davon Gebrauch gemacht worden und diese Maximen nachher auf die Plastik übergegangen.
Durch den Apelles erreichte endlich die Malerei bei den Griechen ihr höchstes Ziel. Was den Adel der Erfindung, die Schönheit der Gestalten betrifft, scheint er allen seinen Kunstgenossen wenigstens gleichgekommen zu sein, in betreff der Anmut aber über alle den Vorzug behauptet zu haben.
Aus der Menge Arbeiten dieses Künstlers, von denen uns noch Nachricht übrig geblieben, läßt sich schließen, daß die Behandlung derselben vollkommen meisterhaft und leicht gewesen, ohne jedoch der Zartheit der Ausführung einigen Abbruch zu tun. Und so dürfen wir auch, teils aus diesem, teils aus andern Gründen, welche die erwähnten Nachrichten uns darbieten, die beste Meinung von der Vollkommenheit des Kolorits in den Bildern des Apelles hegen.
Durch ihn soll die Zahl der Pigmente noch um eines, nämlich um das aus gebranntem Elfenbein verfertigte Schwarz vermehrt worden sein. Woraus zu vermuten ist, daß er damit eine vorher noch nicht erreichte Stärke und Wirkung beabsichtigt habe.
Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der malerisch- technischen Mittel war die von ihm eingeführte Lasierung, wodurch er den Bildern jenen künstlichen bezaubernden Schein, den Farben die gefällige Milde und die höchst zarte, auf keinem andern Wege in solcher Vollkommenheit erreichbare Abstufung erteilte. Die hieher gehörige Stelle des Plinius ist ungemein deutlich, ja sie scheint sogar keine andere Auslegung zu leiden.
«Wenn seine Gemälde vollendet waren, überzog er sie mit einer sehr feinen Schwärze, atramentum, die durch ihren Glanz die Schönheit der Farben noch erhob, das Gemälde vor Staub und Schmutz schützte und erst bemerkt werden konnte, wenn man es näher betrachtete. Er verfuhr aber darin sehr behutsam. Die Lebhaftigkeit der Farben sollte das Auge nicht beleidigen, und es sollte sie in der Entfernung wie durch einen Spiegelstein erblicken. Eben diese Schwärze sollte auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernst geben.»
Der Umstand, daß es ein glänzender Firnis war, durch welchen das Gemälde vor Staub und Schmutz geschützt wurde, ist nicht minder interessant als die noch ferner hinzugefügte Anmerkung, daß das Auge die Farben oder das Gemälde wie durch Spiegelstein erblicken sollte. Es geht daraus hervor, daß Apelles auf oder über seine Malereien einen in hohem Grade dehnbaren, nach Willkür stärker oder schwächer aufzutragenden Firnis von dunkler Farbe zog, der ganz die Eigenschaft und Wirkung der in der Ölmalerei heutzutage angewendeten Lasurfarben, vorzüglich des Asphalts, hatte. Ob es sogar dieses Erdharz selbst, mit irgendeiner Art Öl oder Gummi vermischt, gewesen sei, läßt sich zwar nicht unumstößlich dartun, aber es ist nicht unwahrscheinlich, da die beschriebenen Wirkungen gerade diejenigen sind, welche wir auf den vortrefflichsten Ölgemälden der vorzüglichsten neuern Meister in diesem Teile der Kunst erreicht sehen.
Protogenes, des Apelles Zeitgenosse und Miteiferer um den höchsten Ruhm in der Malerei, scheint seine Bilder mit auffallend größerer Sorgfalt ausgearbeitet zu haben, worüber das so höchst erfreuliche Leichte, der Schein eines freien fröhlichen Spiels, zum Teil eingebüßt werden mochte, wie wir aus dem aufbewahrten Urteil des Apelles vermuten können, welcher gestanden: daß Protogenes ihm selbst in allem gleich komme, ja ihn wohl noch übertreffe; nur wisse er nicht zur rechten Zeit aufzuhören. Hierauf beschränkt sich alles Wesentliche, was über diesen großen Künstler bis auf uns gekommen.
Nun bleibt uns noch ein schwieriger Punkt in den Nachrichten des Plinius zu untersuchen übrig; wobei aber wenig Hoffnung ist, denselben völlig ins klare zu setzen. Mehrmals berichtet nämlich der angeführte Schriftsteller, die älteren großen griechischen Meister hätten ihre unsterblichen Werke nur mit vier Farben gemalt. Er geht noch weiter und spezifiziert sogar diese vier Farben, deren sich seiner Angabe nach Apelles, Echion, Melanthius und Nikomachus, mit Ausschluß aller andern Pigmente, sollen bedient haben.
Von den weißen Farben ist es das Melinum allein, welches eine Kreide war: das erethrische hielt man für das beste; von den ockerartigen das Atticum, wahrscheinlich ein schöner heller Ocker; von den roten die pontische Sinopis, ohne Zweifel eine rote Erde wie die neapolitanische; und von den schwarzen das Atramentum. Unter der letzten Benennung wird, wie es scheint, von Plinius alle schwarze Farbe oder Schwärze überhaupt, und oft eine besondere Art Schwarz verstanden, wie hier der Fall sein mag: und folglich ist es ungewiß, ob er das Erdpech, den Kienruß, Kohlschwarz, oder die aus gebrannten Weinhefen und aus Weintrestern verfertigte schwarze Farbe, oder gar das verkohlte Elfenbein, dessen Erfindung er dem Apelles zuschreibt, gemeint habe.
So bestimmt auch Plinius im ganzen an dieser Stelle zu sein scheint, so kann man doch unmöglich seinen Bericht buchstäblich auslegen, weil offenbare Schwierigkeiten, ja Widersprüche daraus entstehen würden. Die angeführte Stelle kann demnach schwerlich eine andere als die allgemeine Bedeutung haben: daß die großen Meister des Kolorits in Griechenland – denn ohne Zweifel sind diese vorhingenannten in dieser besondern Rücksicht aufgeführt worden – sich bloß einfacher Farbenmittel bedient, aber durch verständige kunstreiche Anwendung derselben nichtsdestoweniger große Wirkungen erzielt und den echten Kunstforderungen genug getan; dahingegen die Maler zu Plinius Zeiten blendende Farben mancherlei Art anwendeten, aber das Wesentlichste der Kunst vernachlässigten.
Man dürfte sich freilich sehr wundern in Aufzählung der einfachen Farben, deren sich die größten Maler bei den Griechen zu ihren Werken bedient, das Blau ganz vergessen zu sehen. Und wenn es erweislich ist, daß zur guten Wirkung eines Gemäldes unumgänglich die Totalität des ganzen Farbenkreises erfordert wird, so müßte die hohe Meinung vom Farbenspiel und von der Harmonie, welche die Verehrer des Altertums sonst den Werken jener genannten großen Meister zuschreiben mochten, allerdings vermindert werden, und sie schwerlich, bei allen übrigen Vorzügen, vor dem Verdacht der Monotonie zu schützen sein. Denn wenn sie sich keiner blauen Farbe sollten bedient haben, so hätte notwendig auch das frische Grün mangeln müssen. Allein es ist keineswegs wahrscheinlich, daß die großen Meister die Vorteile nicht eingesehen haben sollten, welche aus der Anwendung von Blau und Grün für bessere Harmonie und Mannigfaltigkeit des Farbenspiels in Gemälden entspringen.
Unsres Bedünkens muß man daher, um die Stelle beim Plinius zu retten, auf die buchstäbliche Auslegung derselben verzichten, und unter den vier Farben bloß den Gebrauch einfacher Farben verstehen: denn sonst würde der Autor mit sich selbst in Widerspruch geraten. Er berichtet ja, daß Minium, es sei nun Zinnober oder Mennig darunter verstanden, schon früh erfunden worden. Errechnet dem Polygnot als ein Verdienst an, daß derselbe seinen weiblichen Figuren buntes Kopfzeug gegeben habe, welches aus denen Farben, die er dem Nikias und Apelles selbst nur lassen will, nicht zu bewerkstelligen war. Vom Nikias wird aber an einem andern Orte ausdrücklich gemeldet, er habe sich der Usta, des gebrannten Bleiweißes, zuerst bedient; und es wird ferner beigefügt, ohne Usta lasse sich der Schatten nicht ausdrücken. Folglich müßten alle die großen alten Meister den Schatten nur unzulänglich dargestellt haben. Es geht aber aus den eigenen Anmerkungen, die Plinius über ihre Werke eingeschaltet hat, ganz das Gegenteil hervor. Und wäre es nicht also gewesen, hätte die Malerei sich in der Tat von dieser Seite erst später vervollkommnet, so wären ja die Vorwürfe ungerecht, die Plinius eben den spätern Künstlern über die Anwendung mehrerer Farben machen will. Apelles selbst hat sicherlich sein Elfenbeinschwarz um größerer Kraft willen und um allenfalls die übrigen schwarzen Farben durch noch tiefere Schwärze abschattieren zu können, gebraucht, und nicht etwa darum, weil es zur Mischung in den Fleischtinten am bequemsten war, wie ein jeder neuerer Maler wohl aus Erfahrung weiß.
Warum aber vom Plinius unter jenen vier Farben das Blau nicht erwähnt wird, erklärt sich vielleicht durch die Stelle, wo derselbe vom Atrament oder von schwarzen Farben spricht, am besten. Er meldet nämlich, die gebrannten Hefen von gutem Wein gäben nach der Behauptung einiger Maler eine Schwärze, welche dem Indicum nahe käme, und Indicum selbst wird von ihm an die schwarzen Farben angeschlossen. Aus einer folgenden Stelle geht aber hervor, daß unter Indicum schwerlich etwas andres als der wirkliche Indigo, und also blaue Farbe, gemeint sein kann, die denn auch in Gouache- und Leimfarben noch immer gebraucht wird. Das Blau von Waid, Vitrum, war wenigstens zur Zeit des Plinius ebenfalls bekannt. Man verfälschte damals das Indicum damit. Ebenso haben die Alten das Bergblau, und zu Alexanders Zeiten sicherlich auch den Lapis Lazuli gekannt. Dieses ist es, was wir über eine allerdings schwierige und vielfacher, nur nicht wörtlicher Auslegung fähige Stelle anzumerken für schicklich erachtet haben.
Nachdem wir nun das erste Entsprießen der griechischen Malerei, ihre Blüten und die herrlichen goldenen Früchte, die sie zur Zeit ihres höchsten Glanzes getragen, betrachtet haben, verfolgen wir dieselbe auch während ihres Sinkens bis zu ihrem endlichen Untergang. Gewiß, es könnte demjenigen nicht an Gründen fehlen, der eine Naturnotwendigkeit auch hier behaupten und sagen wollte, kein mögliches Mittel sei gewesen, ihren Verfall zu verhindern, da ewige Gesetze so die Kunst wie alle übrigen Dinge einem Auf- und Niedersteigen, der Jugend und dem Alter, dem Erscheinen und Vergehen unterworfen hätten. Allein dieses dürfte uns zu weit von unserm vorgesetzten Zwecke ableiten, der hier nicht ist, Ursachen zu ergründen, sondern was wahrscheinlich geschehen ist, darzulegen.
So geschah es also, daß hinter dem Apelles und Protogenes, deren Werke man als die höchsten Gipfel der Malerei ansehen kann, die Kunst durch immer versuchte Neuerungen an Gehalt, an Stil, an Reinheit der Formen und des Geschmacks immer mehr abnahm.
Aus den freilich sehr mangelhaften Nachrichten, die uns davon noch übrig sind, läßt sich schließen, daß Maler aufgestanden, welche vornehmlich die Wirkung fürs Auge bezweckten; andere, welche bei gemeinen Gegenständen durch das Gefällige der Ausführung; andere, die sich durch Witz und Laune des Inhalts Beifall zu erwerben gesucht. Noch von andern wird ausdrücklich gemeldet, sie hätten sich vorzüglich durch Geschwindigkeit, mit der sie arbeiteten, hervorgetan. Diese waren also genötigt, dem Wesentlichen, Genauen, sorgfältig Ausstudierten und Wohlgeendigten zu entsagen und das bloß Scheinbare zu suchen. Und so werden ihre Arbeiten, gegen die Werke des Apelles und Protogenes gehalten, ungefähr eben das Verhältnis wie in neuerer Zeit die Gemälde des Peter von Cortona und des Luca Giordano gegen die des Michelangelo oder Rafael gehabt haben.
Mit diesen wenigen Betrachtungen sind wir freilich genötigt, einen Zeitraum von etwa dreihundert Jahren, nämlich von Alexander dem Großen an bis zu den ersten römischen Kaisern, dürftig auszufüllen. Allein die spärlichen Nachrichten erlauben kein größeres Detail. Von hier an treten wir jedoch aus der Dunkelheit einigermaßen heraus und können unsere Untersuchungen auf festerem Grunde fortsetzen. Wenn wir uns sonst begnügen mußten zu sagen: es scheint, wir meinen, wir vermuten, so werden nunmehr Tatsachen angeführt werden können, indem wirklich noch Monumente der alten Malerei aus der Zeit, da Plinius schrieb, wohl auch noch von etwas früherem Datum, vorhanden sind; desgleichen andere, welche uns über den Zustand der Malerei in späteren Zeiten belehren.
Bei weitem die größte Zahl der noch jetzt vorhandenen antiken Gemälde wurde in den Grüften von Herculaneum und Pompeji wieder gefunden. Nach Maßgabe des an ihnen wahrzunehmenden Geschmackes und Stils gehören sie ohne Ausnahme den Zeiten nach Alexander dem Großen an und reichen bis dahin, als unter Titus die erwähnten beiden Städte vom Vesuv mit Lava und Asche verschüttet wurden. Es wäre indessen möglich, daß einige der dort aufgefundenen Bilder nur Erfindungen älterer Künstler, frei und flüchtig nachgeahmt, darstellen. Allein keines zeigt jene einfache Größe und Ernst des Geschmacks, wodurch es sich als Originalarbeit eines von den Meistern, welche vor Alexanders Zeiten gelebt haben, ankündigte. Vielmehr erscheint überall der Geist einer schon ausgebildeten üppigen Kunst, der man ohne Mühe ansehen kann, daß sie nicht im Auf-, sondern im Niedersteigen begriffen ist. Durchgängig, es mögen nun gute oder bloß handwerksmäßige Maler den Pinsel geführt haben, wird eine sehr große Leichtigkeit in der Behandlung wahrgenommen, ein herkömmliches Verfahren nach überlieferten Regeln. Obschon es eben nicht wahrscheinlich ist, daß sich unter den in Pompeji und Herculaneum bis jetzt gefundenen antiken Gemälden wirkliche Arbeiten hochberühmter Künstler befinden und wir also durch diese Entdeckungen noch immer keinen durchaus vollständigen Begriff erlangen von dem, was die Malerkunst in der Zeit, aus welcher die besagten Werke stammen, leisten konnte, so haben gleichwohl diejenigen Kunstrichter, welche alle ohne Ausnahme für mittelmäßig erklären wollen, sich sehr voreiliger Urteile schuldig gemacht, deren Widerlegung zwar nicht schwer fallen dürfte, doch uns gegenwärtig zu weit von unserm vorgesetzten Zweck ableiten würde. Wir behaupten aber an unserm Teil, kein unparteiischer Kenner der Kunst könne mit billigen Gründen den bekannten Tänzerinnen oder den Kentauren erhebliche Fehler vorwerfen. In diesen sowie in noch einigen andern offenbart sich ein äußerst zarter eleganter Geschmack der Formen. Durchgängig sind sie leicht und lieblich gedacht, oft in hohem Grade sinnreich. An den Kentauren erregt neben den übrigen Verdiensten noch die vollendete Kunst, mit welcher der Meister die Gruppen anordnete, gerechte Bewunderung. Nicht weniger musterhaft ist Schatten und Licht in große ununterbrochene Massen verteilt. Die Tänzerinnen sowie verschiedene andere der besseren Bilder haben einen ganz ungemein fröhlichen Farbenreiz. Diese letzte Eigenschaft, welche uns hier vornehmlich interessiert, führt auf allgemeinere Betrachtungen.
Sämtliche noch übrig gebliebenen antiken Malereien zeigen einen fröhlichen heiteren Charakter der Farben, wodurch sie sich auffallend, und, man mag hinzusetzen, nicht weniger vorteilhaft von den Arbeiten der Neuern unterscheiden als durch die anerkannte Überlegenheit in Geschmack und Stil der Formen. Die Ursache dieser fröhlicheren Farbenwirkung kann großenteils dem fröhlicheren Geist der alten Kunst zugeschrieben werden, und überdem hat selbst die Malerei mit Wasserfarben wahrscheinlich dazu beigetragen, dahingegen die neuern Maler schon durch die Natur der Ölmalerei, welche dem Düstern günstig ist, und durch den oft schwermütigen Inhalt ihrer Bilder, auf einen ganz andern Weg gelenkt wurden.
In betreff der Harmonie oder, mit andern Worten, der künstlichen Stellung und Verteilung der Farben sind die Alten, wie wir uns in der Folge zu zeigen bemühen werden, solchen Regeln gefolgt, die ihnen mehrere Mannigfaltigkeit und größern Spielraum erlaubten als die Neuern bei ihrer Weise zu denken und zu malen gehabt haben.
Die antiken Gemälde, welche zu Rom in den Ruinen der Bäder des Titus noch an Ort und Stelle übrig sind; andere bessere, die vor etwa dreißig Jahren in der Villa Negroni ausgegraben und seither nach England gebracht worden; ferner die berühmte Aldobrandinische Hochzeit, welche schon im siebzehnten Jahrhundert entdeckt und noch jetzt in Rom befindlich ist, sind ohne Zweifel sämtlich zeitverwandt mit den Malereien aus Herculaneum und Pompeji. Wenigstens entsprechen ihre Eigenschaften und Vorzüge einander dergestalt, daß wenn wir hier noch einiges Nähere über das Kolorit, über Anwendung und Austeilung der Farben, wie auch über die Behandlung in der eben erwähnten Aldobrandinischen Hochzeit beibringen, solches als von allen den noch vorhandenen antiken Gemälden besserer Art wird gelten können.
Beabsichtigter Kürze wegen müssen wir annehmen, unseren Lesern sei die Darstellung der Aldobrandinischen Hochzeit schon bekannt, und so unterlassen wir auch von der Kunst der Erfindung, der Anordnung, der Zeichnung und so weiter zu reden. Die folgenden Bemerkungen bezielen demnach vornehmlich nur:
Kolorit, Ton und Harmonie,
die vom Künstler angewendeten Farben,
die Behandlung.
Obschon die Arbeit im ganzen nur flüchtig und skizzenhaft ist, so war der Maler dennoch mit großer Sorgfalt um zweckmäßige Abwechselung der Farbentöne, nach Maßgabe der verschiedenen Charaktere seiner Figuren, bemüht und hat sich darin besonders tüchtig erwiesen. Die zarte auf der Wange der Braut glühende Schamröte kontrastiert vortrefflich mit dem kräftigen Ton, in welchem der Bräutigam gehalten ist. Auch sind alle übrigen Figuren des Bildes mit feiner Kunst so nuanciert, wie die Bedeutung einer jeden es erfordert. Nicht geringere Fertigkeit und Kenntnisse zeigte unser alte Meister an den verschiedenen Stellen, wo er das Durchscheinende farbiger Gewänder durch Weiß angegeben, wo benachbarte Farben sich einander mitteilen, und ferner in der Wahl und Verteilung der den herrschenden violetten Ton des Bildes begünstigenden und von demselben wieder gehobenen Farben, zum Zweck einer fröhlich harmonischen Wirkung des Ganzen.
Den Ton eigens betreffend, mögen hier zu mehrerer Deutlichkeit noch folgende Bemerkungen Platz nehmen.
Wenn die Neuern, vielleicht durch das Bequeme einiger Farben in der Ölmalerei veranlaßt, den Ton ihrer Bilder fast immer gelb gewählt, oder auch zuweilen die Übereinstimmung, wie durch dämmerndes Licht, mit dem farbelosen Dunkel des Asphalts zu bewirken gesucht, so ist man hingegen durch den vorhin erwähnten violetten Ton, welcher in der Aldobrandinischen Hochzeit erscheint, ohne Zweifel berechtigt, der Malerei der Alten überhaupt mehrere Mannigfaltigkeit und Ausbildung von dieser Seite zuzuschreiben und besagtes Bild, insofern sich nämlich für Erweiterung der Kunst nutzbare Regeln aus demselben ableiten oder wie der auffinden lassen, den Künstlern unserer Zeit zur aufmerksamen Beobachtung zu empfehlen. Ein bunter, als Einfassung unten durch gezogener Streifen, beinahe auf die Art eines prismatischen Farbenbildes abschattiert, dürfte dem Betrachtenden nach allem, wovon wir bereits gehandelt haben, noch besonders auffallen, vielleicht rätselhaft, vielleicht auch nur zufällig und ohne Bedeutung scheinen. Wir unseres Orts wären der Vermutung geneigt, der antike Maler habe diesen Streifen sozusagen als Deklaration der von ihm beabsichtigten Farbenharmonie und Tons unter sein Werk gesetzt. Hierdurch soll nun einer wahrscheinlicheren und bessern Erklärung keinesweges vorgegriffen sein; unterdessen ist die Sache von solchem Belang, daß wir vorläufig uns die Freiheit nehmen, die Freunde der alten Kunst, bei etwa vorkommenden Entdeckungen antiker Malereien, zur näheren Erforschung derselben aufzufordern.
Gegen die Angabe von der Mannigfaltigkeit des allgemeinen Farbentons in den Gemälden der Alten dürfte vielleicht eingewendet werden: «daß Plinius zwar von dem Kunstbehelf des Tons überhaupt als von einer Künstlern und Kunstrichtern wohlbekannten Sache spreche, daß aber eben aus seiner Beschreibung des bewunderten, Farben mäßigenden und vereinbarenden Überzugs oder Firnisses des Apelles weniger für als gegen eine damals übliche Mannigfaltigkeit des Farbentones zu schließen sei; falls aber eine solche Mannigfaltigkeit erst in späten Zeiten wäre aufgebracht worden, so möchte Plinius, da er dieser Erfindung nicht eigens gedacht hat, sie wohl überhaupt bloß nur unter die überflüssigen, wahrer Kunst nachteiligen Künsteleien gerechnet haben.»
Auf dergleichen Einwendungen würden wir etwa folgendermaßen antworten.
Ist eine vorherrschende Farbe oder durchgehender Schein von einerlei Farbe, den wir Ton nennen, ein wirklich nützlicher und nötiger Kunstbehelf zur Erzweckung harmonischer Anmut in der Malerei, dann gibt es keinen gültigen Grund, warum dieser Behelf bloß auf eine einförmige und nicht lieber auf die möglichst mannigfaltige Weise angewendet werden sollte, da sinnige geschickte Künstler sich größerer Verschiedenheit zum Behuf der Bedeutung ohne Zweifel nützlich zu bedienen wissen werden. Überdem schließt die Lasierung des Apelles, deren Plinius gedenkt, den verschiedenfarbigen Ton in Gemälden nicht unbedingt aus; jene Lasierung, deren Apelles zur letzten Vollendung seiner Bilder sich bediente, verursachte nur überhaupt einen milden Schein, eine größere Übereinstimmung des Lichts und der Farben; das Werk mochte übrigens gemalt sein, aus was für einem Tone der Charakter und die Bedeutung des Gegenstandes es forderten. So sehen wir, um durch Beispiele das Gesagte deutlicher zu machen, etwa von Rembrandt oder vom Ferdinand Bol Bilder in sehr gelbem Tone gemalt, wo aber doch wieder durch die letzten endenden Lasuren ein alle Farben, alle Lichter mildernder Schein, eine dem Auge schmeichelnde Dämmerung über das Ganze ergossen ist. Adrian von Ostade, nebst einigen andern Meistern, hat hingegen Bilder geliefert, woran kein entschiedener Ton einer im allgemeinen übergreifenden Farbe wahrgenommen wird, deren stille Harmonie einzig durch den Überzug einer farblosen, bloß dunklen Lasierung bewirkt ist, und man die Gegenstände erblickt, ungefähr wie sie im schwarz unterlegten Spiegel erscheinen.
Wenn wir unsere Betrachtungen über die Aldobrandinische Hochzeit nun weiter fortsetzen und teils die kunstmäßige Verteilung der Farben, teils die angewendeten Farbenstoffe für sich selbst in Erwägung ziehen, so zeigt sich das Weiße, Gelbe, Grüne und Violette zwar in verschiedenen Nuancen, übrigens aber an Masse oder Quantität ohngefähr gleichmäßig durch das ganze Bild verteilt. Reines Blau ist wenig und nur in heller Mischung zur Luft und zum Untergewande der Braut gebraucht; hingegen desto öfter eine hohe Purpur- oder Lackfarbe, die aber nirgends Masse macht, sondern nur die Schatten bricht und erwärmt, oder auch Changeant bewirkt und so auf verschiedene Weise zur allgemeinen Harmonie des Ganzen sehr wesentlich beiträgt. Daß Zinnoberrot und Orangefarb ausgeschlossen sind, mag noch ferner die Einsichten und das zweckmäßige Verfahren des Künstlers bewähren. Denn diese Farben würden dem von ihm beabsichtigten fröhlichen und doch sanften Farbenspiel entgegen und unvereinbar mit dem überhaupt herrschenden violetten Ton gewesen sein.
Die weiße Farbe, deren sich unser Meister bediente scheint wenig Körper zu haben und ist wahrscheinlich eine Art Kreide, worunter man sich also das Melinum, dessen Plinius gedenkt, vorzustellen hätte, das Gelb eine ganz ausnehmend schöne goldgelbe Ockerart, vermutlich das attische Sil. Von dem Grün, welches einen reinen frischen Schein hat getrauen wir uns nicht zu entscheiden, ob es durch Mischung hervorgebracht oder in seinem natürlichen Zustande angewendet worden, sind aber doch aus verschiedenen Gründen geneigt, das letztere zu glauben. Zum Rot diente außer der vorerwähnten Purpurfarbe oder Lack eine schöne rote Erde, welche wohl für die Sinopis gelten könnte, wenn man nicht etwa lieber annehmen will, die neapolitanische rote Erde sei zu Rom um die Zeit, da dieses Gemälde verfertigt wurde, bereits bekannt gewesen; worüber jedoch, soviel wir wissen, keine bestimmten Nachrichten vorhanden sind. Von dem Blau halten wir uns für überzeugt, daß es aus Indigo besteht, welcher, gemischt mit der vorgedachten Purpurfarbe, auch das Violett gegeben. In vertiefenden Mischungen, besonders im Schatten der Fleischpartien, mag ferner noch ein brauner Ocker angewandt sein, und in den dunkelsten Strichen läßt sich die Gegenwart einer schwarzbraunen Erde von der Art, wie die Kasseler und Kölnischen Erden sind, wahrnehmen. Schwarz zeigt sich im Grauen sehr innig mit der weißen Farbe vereint, woraus man also eher auf Ruß als auf Kohle schließen kann. Dieses sind die sämtlichen Farben, deren Spur wir in diesem Gemälde bemerkt zu haben glauben.
Die Behandlung oder das an demselben beobachtete technische Verfahren scheint ein etwas anderes und vollkommneres als das heutzutage übliche mit Gouache oder Leimfarben. Ohne so verschmolzen sanft und weich zu sein als Malerei mit Ölfarben, gewährte es doch im ganzen fast eben die Vorteile für allgemeine Wirkung und erhielt nebenbei die Eigenschaften, durch welche sich Wasserfarben vorzüglich empfehlen, nämlich das Fröhlichere, Heitere überhaupt und die Wahrheit in den Tönen der beleuchteten Partien.
Wir gedenken mit dieser Bemerkung keineswegs, die Ölmalerei verdächtig zu machen, sind auch gar nicht des Glaubens derer, welche da meinen, man könne mit Erneuerung des technischen Verfahrens der Alten auch den Geist ihrer Kunst wieder aufrufen; ebensowenig möchten wir uns aber auch zu denen bekennen, die hingegen aus dem Gebrauche der Ölfarben eine Überlegenheit der neueren Malerei über die alte zu zeigen gedachten. So viel scheint sich aus unsern angestellten Untersuchungen als wahr zu ergeben, daß die Alten ihre zwar einfachen Mittel sehr zweckmäßig zu behandeln gewußt und damit jedem wesentlichen Kunsterfordernis hinlänglich Genüge leisten konnten.
Der Meister der Aldobrandinischen Hochzeit malte auf weißen glatten Grund, welches auch bei mehreren andern antiken Malereien der Fall ist, wie aus Stellen, wo die Farben sich abgelöset, klar wird. Ob Leim, Gummi, Eier, Milch von Feigensprößlingen, oder welches andre Bindungsmittel den Farben beigemischt worden, läßt sich vor der Hand nicht bestimmt nachweisen. Daß es Wachs gewesen, ist wenigstens in Hinsicht auf die Aldobrandinische Hochzeit unwahrscheinlich, weil sich die lasierenden, der Aquarelle ähnlichen Farben über Wachs schwerlich hätten auftragen lassen, und früher, als der Überzug mit Wachs geschehen war, ebenfalls nicht anders als äußerst unbequem, indem ihre Feuchtigkeit zu schnell in die unterliegenden trocknen Farben würde eingedrungen sein. Übrigens läßt eben der Umstand, daß die erwähnten lasierenden Farben viel und mit Bequemlichkeit angewendet sind, auf ein festes, den gesamten Farben beigemischtes Bindemittel schließen. Die erste Anlage ist völlig in der Art gemacht, wie noch jetzt in Leim- und Freskofarben zu geschehen pflegt, nämlich in großen hellen und dunkeln Massen, beides mittlere Tinten, wohin ein denn, besonders im Fleisch, mit nicht sehr regelmäßigen Schraffierungen, in den Gewändern hingegen zuweilen mit freien breitern Pinselstrichen, die weitern Vertiefungen gearbeitet sind. Auf die angelegten hellen Partien wurden die höhern Lichttinten keck aufgesetzt und endlich durch die mehrmals erwähnten verdünnten, der Aquarelle vergleichbaren, bloß lasierenden Farben (vornehmlich Purpur und schwärzlich Braun) das Werk vollendet, dem Ganzen mehr Übereinstimmung, dem Schatten größere Klarheit gegeben und die Einwirkung einer jeden Farbe auf die benachbarte angedeutet. Vielleicht sind ganz zuletzt noch einige Striche des vorstechendsten Lichts aufgesetzt worden, mit einem Wort, man bemerkt durchgehends, wenn schon nicht die Hand eines großen Meisters, doch die eines fertigen Malers und in den Kunstregeln, nach welchen er verfahren, die herrliche Schule, worin er sich gebildet. Verschiedene, obwohl nicht eben vorzüglich bedeutende Reste alter Malerei in den Ruinen der Villa des Hadrian bei Tivoli, die lebensgroße Figur der Roma im Palast Barberini zu Rom, welche nach der Meinung einiger Altertumsforscher aus Konstantins Zeit sein soll, allein wie wir nach Maßgabe des darin herrschenden Geschmacks glauben, früher entstanden ist; ferner einige Bilder von geringem Umfang und nicht großen Verdiensten, im Palast Rospigliosi ebenfalls zu Rom, zeigen alle dieselbe heitere Anmut in den Farben und sind, soviel sich aus ihren beschränktern Darstellungen wahrnehmen läßt, in eben der Manier, oder wenn man lieber will, unter dem Einfluß ähnlicher Grundsätze verfertigt, als wir kurz zuvor bemerkt haben und deutlicher auseinander zu setzen bemüht gewesen sind.
Einige von den herculaneischen Bildern ausgenommen, mochten alle ührigen von uns bisher erwähnten, noch vorhandenen antiken Malereien, die bessern Mosaiken mit eingerechnet, welche indessen ihrer Natur nach nur wenig Unterricht gewähren, etwa aus dem Zeitraum von Augustus bis auf Konstantin den Großen herrühren; nachher ging die verfallende Kunst in geistlose Manier über, die Nachahmung der Natur wurde seltener und in eben dem Maße verschwand auch der bessre Geschmack im Kolorit, der Sinn für Harmonie der Farbe.
Werke der Malerei von einigermaßen beträchtlichem Umfang aus dem fünften, sechsten, siebenten und vielleicht auch achten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung sind uns aus eigener Anschauung nicht bekannt; allein an Madonnen und Heiligenbildern, welche vermutlich noch später in Konstantinopel fabriziert worden, zeigt es sich, daß der Begriff von naturnachahmendem Kolorit gänzlich verloren gegangen war. Denn die Gesichter derselben, sowie Hände und Füße, sind nußbraun gefärbt und mit weißgelblichen grellen Strichen regellos und unannehmlich aufgeblickt. Sogar der Glaube an die Möglichkeit, einem Bilde durch die Kunst Wert zu erteilen, scheint den Malern damaliger Zeit ausgegangen gewesen zu sein. Daher bemühten sie sich bloß, durch köstliches Material ihren Arbeiten einige Achtung zu verschaffen. Aus diesem Grunde waren Mosaiken die geschätztesten Malereien; den übrigen gab man durch stark vergoldeten Grund, durch Ultramarin und Purpurfarbe soviel möglich ein reiches Ansehen.