geboren 1591, gestorben 1626
Nach Erfindung der Fernröhre drängte sich alles, um an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Die Gesetze der Refraktion, die man vorher nur empirisch und mühsam zu bestimmen wußte, wurden immer genauer untersucht; man kam immer mehr in Übung, höhere mathematische Formeln auf Naturerscheinungen anzuwenden, und so näherte sich Snellius dem gegenwärtig allgemein bekannten Gesetze der Refraktion, ob er es gleich noch nicht unter dem Verhältnis der Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels aussprach.
Dieses in allen Lehrbüchern vorgetragene Gesetz brauchen wir hier nicht umständlicher auszuführen; doch machen wir zwei Bemerkungen, die sich näher auf die Gegenstände unserer Behandlung beziehen. Snellius gründete seine Messungen und Berechnungen nicht auf den objektiven Versuch, da man nämlich das Licht durch das Mittel hindurchfallen läßt, wobei das, was man Brechung nennt, zum Vorschein kommt, sondern auf den subjektiven, dessen Wirkung wir die Hebung genannt haben, weil ein durch das Mittel gesehener Gegenstand uns entgegenzutreten scheint. Er schreibt daher ganz richtig dem perpendikularen Strahl (wenn es doch einmal Strahl sein soll) die vollkommene Hebung zu, wie man denn bei jedem vollkommen perpendikularen Aufschauen auf einen gläsernen Kubus ganz bequem erfahren kann, daß die darunterliegende Fläche dem Auge vollkommen entgegentritt.
Da man aber in der Folge sich bloß an den objektiven Versuch hielt, als der das Phänomen nur einseitig, das Verhältnis der Sinus aber am besten ausdrückt, so fing man an zu leugnen, daß der perpendikulare Strahl verändert werde, weil man diese Verändrung unter der Form der Brechung nicht gewahr wird und kein Verhältnis der Sinus dabei statthaben kann.
Schon Huyghens, durch den die Entdeckung des Snellius eigentlich bekannt wurde, protestiert gegen die Veränderung des perpendikularen Strahls und führt seine sämtlichen Nachfolger in Irrtum. Denn man kann ganz allein von der Wirkung der Mittel auf Licht und beleuchtete Gegenstände sich einen Begriff machen, wenn man beide Fälle, den objektiven und subjektiven, den Fall des Brechens und Hebens, das wechselseitige Verhältnis des dichten Mittels zum dünnen, des dünnen zum dichten, zugleich faßt und eins durch das andere ergänzt und erklärt. Worüber wir an seinem Orte das Notwendigste gesagt haben (…).
Die andere Betrachtung, die wir hier nicht übergehen dürfen, ist die, daß man die Gesetze der Brechung entdeckt und der Farben, die doch eigentlich durch sie manifestiert werden sollen, gar nicht gedenkt, welches ganz in der Ordnung war. Denn in parallelen Mitteln, welche man zu jenem Grundversuch der Brechung und Hebung benutzt, läßt sich die Farbenerscheinung zwar an der Grenze von Licht und Schatten deutlich sehen, aber so unbedeutend, daß man über sie recht wohl hinausgehen konnte. Wir wiederholen hier was wir schon früher urgiert (…): Gäbe es eine wirklich verschiedene Brechbarkeit, so müßte sie sich bei Brechung jeder Art manifestieren. Aber diese Lehre ist, wie wir bereits gesehen haben und noch künftig sehen werden, nicht auf einen einfachen natürlichen Fall, sondern auf einen künstlich zusammengesetzten gebaut, und sie kann daher nur demjenigen wahr vorkommen, der sich in einer solchen gemachten Verwirrung gefallen mag; jedem hingegen muß sie falsch erscheinen, der aus dem Freien kommt oder ins Freie gelangt.
Was sonst von Snellius und seiner Lehre zu sagen ist, findet sich in allen Schriften, die von dieser Materie handeln.
Vorstehendes war geschrieben, als uns zufälligerweise bekannt wurde, Isaac Vossius, von welchem späterhin noch die Rede sein wird, sei gleichfalls der Überzeugung gewesen, daß dasjenige, was man Refraktion zu nennen pflegt, auch im Perpendikel wirke. Er hatte die drei optischen Bücher des Willebrord Snellius im Manuskripte gelesen und sich dessen Ansichten zu eigen gemacht. Dabei erzählt er, daß er zu Brüssel vor der Königin von Schweden diese seine Meinung vorgetragen, jedoch einen allgemeinen Widerspruch gefunden; ja man habe ihm vorgeworfen, daß er gegen die ersten Grundsätze sündige. Nachdem aber die Gesellschaft durch den Augenschein überzeugt worden, so habe man die Sache in einen Wortstreit gespielt und gesagt: incidi quidem radium, non tamen frangi. Er führt darauf aus den Werken des Snellius eine Demonstration des subjektiven Versuchs an, wodurch die stufenweise Hebung ins klare gesetzt wird.