Französischer Priester, wahrscheinlich Jesuit, beschäftigte sich überhaupt mit Physik und ließ in das
sogenannte Journal de Trevoux April 1705., p. 675 einen Aufsatz über Farben einrücken, den wir übersetzt und mit einigen Anmerkungen begleitet mitteilen. Das Wahre, was er enthält, ist, wie so manches andere, was in diesem Journal Platz gefunden, beiseite gedrängt worden, weil diese in vielen Stücken parteiische Zeitschrift sich einer mächtigern Partei, der akademischen, entgegensetzte.
So wird im Journal des Savans, im Supplement zum Juli 1707, der Beschreibung eines neuen Thermometers gedacht, welche Nuguot 1706 herausgegeben, worin er sich über die Erfindung vielleicht mit allzu großer Selbstgefälligkeit mochte geäußert haben. Man persifliert sein Thermometer, und bei dieser Gelegenheit auch sein Farbensystem, wobei man, um seine etwaigen Verdienste herabzusetzen, ihm die Ehre der Erfindung abspricht und bemerkt, daß Honoratus Fabri schon das Ähnliche behauptet, als wenn es nicht verdienstlich genug wäre, ein richtiges Aperçu aufzufassen, das andre schon gehabt, und das, was sie bis auf einen gewissen Grad gefördert, weitet auszuarbeiten und auf den rechten Punkt hinzuführen. Wir wollen ihn vor allen Dingen selbst hören.
Nuguets Farbensystem
«Um mich einmal gründlich von der wahrhaften Ursache der Farben und von dem, was ihren Unterschied macht, zu unterrichten, glaubte ich nichts Besseres tun zu können, als deshalb die Natur zu befragen, indem ich mit Sorgfalt die vorzüglichsten Veränderungen bemerkte, die sich zeigen, wenn Farben hervortreten und wechseln, damit ich nachher ein System feststellen könnte, das auf gründlichen Untersuchungen ruhte, welche klar und unzweideutig die Wahrheit bezeugten. Und so bemerkte ich»
«Erstlich, daß alle Farben in der Finsternis verschwanden. Daraus war ich berechtigt zu schließen, daß das Licht zu den Farben wesentlich erforderlich sei.»
«Zweitens, daß keine Farben entstehen in einem völlig durchsichtigen Mittel, so sehr es auch erleuchtet sei, eben weil darin nichts zugegen ist als Licht ohne Schatten. Daraus mußte ich schließen, daß der Schatten ebenso wesentlich den Farben sei als das Licht.»
«Drittens bemerkte ich, daß verschiedene Farben entstehen gerade in der Gegend, wo Licht und Schatten sich verschiedentlich vermischen, zum Beispiel wenn die Lichtstrahlen auf irgendeinen dunklen Körper fielen oder durch das dreiseitige Prisma durchgingen. Daher schloß ich sogleich, daß die Farben einzig und allein aus der Vermischung des Lichtes und des Schattens, und ihre Verschiedenheit aus der Verschiedenheit dieser beiden entsprängen.»
«Ferner um zu bestimmen, worin jede Farbe besonders bestehe, so stellte ich mancherlei Versuche an, aus denen man nicht allein erkennt, worin ganz genau jede Urfarbe von allen andern unterschieden ist, sondern die auch zugleich ganz unumstößlich beweisen, daß die Farben nichts anders sind als Schatten und Licht zusammengemischt. Hier sind nun die vorzüglichsten.»
I. «Wenn ich durch ein Brennglas mehrere Lichtstrahlen auf ein schwarzes Tuch versammelte, so bemerkte ich, daß der Ort, wo die Strahlen sich vereinigten, merklich weiß erschien; dagegen aber, wenn ich eine Flasche voll Wasser zwischen ein angezündetes Licht und ein weiß Papier setzte, so erschienen die Stellen des Papiers, wo nur wenig Strahlen zusammenkamen, schwarz. Daraus zieh› ich die Folge, daß das Weiße aus Lichtstrahlen bestand, die wenig oder gar keinen Schatten enthielten; das Schwarze dagegen aus reinem Schatten oder doch nur mit wenig Licht vermischt; sodann überzeugte ich mich, daß Schwarz und Weiß die erste Materie aller Farben sei, aber daß sie, um eigentlich zu reden, selbst nicht wirkliche Farben seien.»
II. «Wenn man ein Glas roten Wein auf ein weiß Papier setzt und dann eine brennende Kerze dergestalt richtet, daß ihr Licht durch den Wein geht und sich auf irgendeinem Fleck des Papiers endigt, so wird man daselbst ein sehr glänzendes Rot sehen; nähert man aber diesem Rot ein andres brennendes Licht, so wird es merklich gelb. Ebenso verwandelt sich das Rot des prismatischen Farbenbildes, das glänzend und tief an einem schattigen Orte ist, sogleich in Gelb, wenn man das Bild auf einen Fleck fallen läßt, auf den die Strahlen der Sonne unmittelbar auffallen. Daraus konnte ich schließen, daß das Rot mehr Schatten und weniger Licht enthalte denn das Gelbe.»
III. «Wenn man durch einen Brennspiegel mehrere Sonnenstrahlen zusammenzieht und sie auf ein prismatisches Farbenbild wirft, das man vorher in einem mittelmäßig erhellten Zimmer durch ein Prisma sehr glänzend farbig hervorgebracht, so verschwinden diese Farben sogleich; welches ganz deutlich beweist, daß die ursprünglichen Farben notwendigerweise einen gewissen Anteil Schatten mit sich führen, der, wenn er durch die häufig auf diese Farbe versammelten Strahlen zerstreut und aufgehoben wird, sie auch sogleich verschwinden läßt.»
IV. «Nimmt man fünf Blätter Papier von fünf verschiedenen Farben, nämlich ein violettes, blaues, rotes, grünes und gelbes, und man stellt sie übereinander in verschiedenen Reihen an einen Ort, wohin man das prismatische Farbenbild bringen kann; so wird man deutlich sehen, daß das Rote dieses Farbenbildes dunkler und tiefer ist auf dem violetten Papier als auf dem blauen, auf dem blauen mehr als auf dem roten, auf dem roten mehr als auf dem grünen, auf dem grünen mehr als auf dem gelben. Diese Erfahrung, die ich sehr oft mit demselbigen Erfolg wiederholt habe, ist ein überzeugender Beweis, daß das Violette mehr Schatten als das Blaue, das Blaue mehr als das Rote, das Rote mehr als das Grüne, das Grüne mehr als das Gelbe in sich enthalte. Denn eine Farbe verfinstert sich nur nach Maßgabe des Schattens, mit dem sie sich vermischt.»
V. «Hat man acht auf die Art und Weise, wie die Lichtstrahlen durchs Prisma hindurchgehen, auf die Brechungen, welche diese Strahlen erleiden, auf die Schatten, die eine natürliche Folge dieser Brechungen sind, so bemerkt man, daß das Gelbe des prismatischen Farbenbildes mehr Licht und weniger Schatten als alle übrigen Farben enthält, das Grüne mehr Licht und weniger Schatten als das Blaue, das Blaue mehr Licht und weniger Schatten als das Violette, das Violette mehr Schatten und weniger Licht als alle übrigen Farben des Prismas. Denn die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß das Rote und Violette von beiden Seiten durch Strahlen hervorgebracht wurde, die unmittelbar von Schatten umgeben waren, verursacht durch Brechungen, welche diese Strahlen beim Durchgang durchs Prisma erlitten hatten; mit dem einzigen Unterschied, daß diejenigen Strahlen, welche das Violette verursachten, durch die Brechung sich dem Schatten näherten, an den sie anstießen, an statt daß diejenigen, die das Rote bildeten, sich durch die Brechung vom Schatten entfernten, der sie unmittelbar umgab. Daher schloß ich, a) daß die Strahlen, welche das Violette hervorbringen, mehr Schatten enthalten als diejenigen, die das Rote bilden, weil diese sich durch die Wirkung der Refraktion vom Schatten entfernen, der sie umgab, anstatt daß sich die andern dem Schatten annäherten, der ihnen unmittelbar nach der Brechung nahe lag. Ich folgerte, b) daß das Gelbe weniger Schatten enthalte als das Rote, das Blaue weniger als das Violette; c) daß das Grüne, das nur ein Gemisch des Gelben und Blauen ist, weniger Schatten enthalte als das Blaue und mehr als das Gelbe; d) endlich, daß das Violette mehr Schatten enthalte als keine andre Farbe, weil es durch Strahlen gebildet war, die sich der Brechung gemäß gegen den Schatten bewegten, der ihnen unmittelbar begegnete. Diese kurze und natürliche Erklärung der prismatischen Farben ist augenscheinlich bekräftigt durch folgenden Versuch, der so angenehm als leicht auszuführen ist.»
VI. «Um diesen Versuch zu machen, wählte ich die Zeit, als die Sonne auf Häuser traf, die dem Fenster einer ziemlich dunklen Kammer, wo ich mich damals befand, entgegenstanden, dergestalt, daß die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen die eine Seite des Fensters bedeutender erhellten als die andre. Auf einen Tisch, der nicht weit von der Öffnung stand, legte ich sodann ein weißes Papier, worauf das Licht der zwei Zurückstrahlungen fiel. Nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, erhob ich meine Hand ein wenig über das Papier, um auf beiden Seiten Schatten zu erregen, und sogleich bemerkte ich auf dem Papier vier deutliche Farben: Gelb, Blau, Grün und Violett. Das Gelbe erschien jedesmal an der Stelle, wo das stärkste Licht sich mit dem schwächsten Schatten verband, das heißt auf der Seite der stärksten Widerstrahlung; das Blau dagegen zeigte sich nur an der Stelle, wo das schwächste Licht sich mit dem stärksten Schatten vereinigte, das heißt an der Seite der geringsten Widerstrahlung; das Violette zeigte sich immer an der Stelle, wo die Schatten der zwei Widerstrahlungen zusammenliefen; und das Grüne entstand durch die Vermischung des Gelben und Blauen. Alle diese Farben entstanden nur aus den verschiedenen Vermischungen von Licht und Schatten, wie es offen bar ist, und sie verschwanden sogleich, nachdem die Sonne aufgehört hatte, auf die Häuser zu leuchten, die dem Zimmer, wo ich den Versuch machte, entgegenstunden, obgleich sonst der Tag noch sehr hell war. Um nun aufs neue dieselben Farben wieder darzustellen, ohne daß man Zurückstrahlungen der Sonne von ungleicher Kraft nötig hätte, nahm ich ein angezündetes Licht und ein Buch in Quart, das mir Schatten auf das Papier gäbe, um verschiedene Mischungen des Tageslichts und seines Schattens mit dem Kerzenlicht und dessen Schatten hervorzubringen: denn ich vermutete, daß auch hier sich Farben zeigen müßten, welches mir vollkommen gelang. Denn das Tageslicht und der Schatten des Kerzenlichtes bildeten Blau durch ihr Zusammentreffen; der Schatten des Tageslichts und das Licht der Kerze brachten das Gelbe hervor, und wenn man sodann das Gelbe mit dem Blauen verband, welches sehr leicht war, so entstand ein sehr deutlich Grün.»
«Diese drei letzten Versuche beweisen ganz klar: einmal daß die Farben in nichts anderem bestehen als in Mischung von Licht und Schatten und ihre Verschiedenheit in der Verschiedenheit der Mischungen, die man machen kann; sodann, daß das Violette von den andern ursprünglichen Farben sich dadurch unterscheidet, daß es mehr Schatten hat als die übrigen; das Gelbe, daß es weniger Schatten hat als die andern; das Grüne, daß es mehr Schatten hat als das Gelbe und weniger als alle übrigen; das Rote, daß es mehr Schatten enthält als Gelb und Grün, weniger als Blau und Violett; das Blaue zuletzt, daß es weniger Schatten enthält als das Violette und mehr als die übrigen ursprünglichen Farben. Und weil in diesen drei Versuchen dieselbigen Farben immer entsprangen durch dieselbigen Mischungen von Schatten und Licht, und da sie sogleich verschwanden, wenn jene beiden aufgehoben waren, so sehen wir darin eine überzeugende Probe von der Wahrheit des vorgeschlagenen Systems.»
«Und da man in diesem System eine sichre Ursache der Natur der Farben überhaupt und einer jeden ursprünglichen besonders angeben kann, so ist es unnötig, zu unbekannten Ursachen seine Zuflucht zu nehmen, wie zum Beispiel die stärkeren oder schwächeren Schwingungen einer subtilen Materie oder die verschiedenen Umdrehungen der kugelartigen Materie, welches bloße Fiktionen des Geistes sind, die keinen Grund in der Natur haben und deren Existenz weder vom Pater Malebranche, dem Erfinder der ersten, noch von Descartes, dem Erfinder der andern, ist dargetan worden.»
«Aus allem Vorhergesagten folgt also, daß alle Farben aus Gelb und Blau zusammengesetzt sind: denn das Grüne ist nur eine Vermischung von Gelb und Blau, wie denn gelbes und blaues Glas aufeinander gelegt ein Grünes hervorbringt; das Rote ist nur ein Gelb mit Schatten gemischt, wie es früher bewiesen worden; das Violette ist nur eine Mischung von vielem Blau mit wenig Rot, wie man erfahren kann, wenn man mehrere blaue Gläser und ein rotes zusammenlegt. Weil aber das Blau selbst nur eine Mischung von Schatten und wenigem Licht, das Gelbe eine Mischung von vielem Licht und wenigem Schatten ist, wie wir oben gezeigt haben, so ist offenbar, daß alle Farben ursprünglich von dem Schwarzen und Weißen herkommen, oder was einerlei ist, von Licht und Schatten.»
«Weil man aber das Wort Farbe in verschiedenem Sinne nimmt, so betrachten wir, um alle Zweideutigkeit zu vermeiden, die Farben unter vier verschiedenen Bedingungen, nämlich im gefärbten Gegenstande, im durchsichtigen Mittel, im Sehorgan und in der Seele.»
«Die Farben in dem gefärbten Gegenstande sind nach dem aufgestellten System alles dasjenige, was Gelegenheit gibt, daß sich auf erforderliche Weise Licht und Schatten zu Farben verbinden, es mögen nun die Körper, welche zu solchen Vermischungen Gelegenheit geben, durchsichtig oder undurchsichtig sein.»
«Die Farben, betrachtet in dem Mittel, wodurch sie zu uns gelangen, bestehen auch in Verbindung des Schattens und des Lichtes, oder welches dasselbe ist, in den verschiedenen Entfernungen der Lichtstrahlen bezüglich untereinander.»
«Die Farben von der Seite des Organs sind nichts anders als eine Erschütterung von mehr oder weniger Nervenfasern, die sich in der Proportion voneinander entfernen, wie die Entfernung der Lichtstrahlen untereinander war, welche die Retina erschütterten.»
«Endlich die Farben in Bezug auf die Seele bestehen in verschiedenen Perzeptionen der Seele, welche verursacht werden durch die Erschütterungen von mehr oder weniger Nervenfasern des Auges.»
«Dieses vorausgesetzt, so läßt sich nach unserm System gar leicht von einer Erfahrung Rechenschaft geben, welche der Pater Malebranche vorbringt, um das seinige zu bestärken, das auf nichts als auf die Analogie der Farbe mit den Tönen gegründet ist. Diese Erfahrung besteht darin, daß wenn jemand, nachdem er in die Sonne gesehen und also der optische Nerve stark erschüttert worden, sodann die Augen schließt oder sich an einen dunklen Ort begibt, ihm in einer Folge verschiedene Farben erscheinen, erst Weiß, dann Gelb und so fort Rot, Blau und Schwarz. Denn die Erschütterungen, welche auf verschiedene Fasern des optischen Nerven erregt worden, endigen nach und nach, eine nach der andern, und so wird der optische Nerv immer in weniger Teilen erschüttert sein, je mehr Zeit verflossen ist, als man die Augen zugedrückt hat; und darin besteht die Folge und die Abwechselung der Farben, die man alsdann sieht. Ich weiß nicht, wie der Pater Malebranche dieses Beispiel anführen mochte, um die Verschiedenheit der Farben durch Analogie mit den Tönen zu erklären. Denn ein Ton bleibt immer derselbe, auf derselben Violinsaite, ob er gleich immer unmerklich schwächer wird.»
«Zum Schlusse will ich hier zu bemerken nicht unterlassen, daß die Erfahrung welche, Boyle vom nephritischen Holze erzählt und welche Herr Pourchot gleichfalls wiederholt, sehr unsicher, dabei aber nicht so selten sei, als diese Philosophen glauben.»
«Die Erfahrung besteht darin, daß man eine Nacht über eine gewisse Portion nephritischen Holzes, mit reinem Brunnenwasser übergossen, stehen läßt und mit diesem Aufgusse sodann ein rundes gläsernes Gefäß anfüllt. Dieses Gefäß soll, nach dem Bericht obgedachter beider Beobachter, gelb erscheinen, wenn es sich zwischen dem Auge des Betrachters und dem äußern Lichte befindet; blau hingegen, wenn das Auge zwischen das Licht und die Flasche gebracht wird. Ich habe diesen Versuch öfters und fast auf alle mögliche Weise gemacht, ohne auch nur irgend etwas zu bemerken, was dem Blauen sich einigermaßen näherte. Wohl zeigte sich das Wasser gelb, aber auch Stroh würde es gelb machen, wenn man davon eine Infusion bereitete. Herr Polinière, Doktor der Arzneikunst, hat mich versichert, daß er diesen Versuch gleichfalls ohne den mindesten Erfolg vorgenommen habe. Aber wenn er auch richtig wäre, so wäre es nichts Außerordentliches: denn gewisse kleine gläserne Geschirre, deren man sich bedient, um Konfitüren hineinzutun, haben alle jene Eigenschaften, welche die Herren Boyle und Pourchot ihrem nephritischen Holze zuschreiben. Vielleicht kamen diese verschiedenen Farben, die sie in ihrem Aufgusse wollen gesehen haben, bloß von der Flasche, welche vielleicht ein Glas von der Art war, wie ich eben erwähnte; welches denn ein bedeutender Irrtum sein würde.»
Betrachtungen über vorstehende Abhandlung
Wenn der denkende Geschichtsforscher mit Betrübnis bemerken muß, daß Wahrheit so wenig als Glück einen dauerhaften Sitz auf der Erde gewinnen können, da dieses mit manchem Unheil, jene mit manchem Irrtum beständig abzuwechseln hat, so ist es ihm desto erfreulicher zu sehen, wenn die Wahrheit auch in Zeiten, wo sie nicht durchdringen kann, nur gleichsam eine Protestation einlegt, um ihre Rechte wo nicht zu behaupten, doch zu verwahren.
Mit dieser vergnüglichen Empfindung lesen wir vorstehende Schrift, die wir den Freunden der Wissenschaft nicht genug empfehlen können. Sie ist verfaßt von einem unbekannten, unbedeutenden französischen Geistlichen, der zu derselben Zeit den echten Fundamenten der Farbenlehre ganz nahe tritt und seine Überzeugungen einfach und naiv ausspricht, als eben Newton von allem Glanze des Ruhms umgeben seine Optik bekannt macht, um mit dem wunderlichsten aller Irrtümer ein ganzes Jahrhundert zu stempeln.
Ein solcher Vorgang ist keineswegs wunderbar: denn außerordentliche Menschen üben eine solche Gewalt aus, daß sie ganz bequem ihre zufälligen Irrtümer fortpflanzen, indes weniger begabte und beglückte keine Mittel finden, ihren wohleingesehenen Wahrheiten Raum zu machen.
Da sich Nuguet jedoch dem reinen Wahren nur anzunähern vermag, da ihm eine vollkommene Einsicht abgeht, da er hie und da in Schwanken und Irren gerät, so bedarf man gegen ihn einer durchgehenden Nachsicht. Hier muß man einen Schritt weiter gehen, hier ihn supplieren, hier ihn rektifizieren. Indem wir diese unterhaltende und übende Bemühung unsern Lesern überlassen, machen wir nur auf einige Hauptmomente aufmerksam.
In seinem fünften Punkte bemerkt er ganz richtig, daß im prismatischen Bilde Gelb und Blau mehr dem Lichte, Rot und Violett mehr dem Schatten angehören; daß das Rote sich von dem Schatten entfernt, daß das Violette sich gegen den Schatten bewegt, der ihm unmittelbar begegnet. Freilich entsteht, nach unsrer gegenwärtigen Einsicht, das Rote, weil sich ein trübes Doppelbild über das Licht, das Violette, weil sich ein trübes Doppelbild über das Dunkle bewegt, und so sprechen wir die nächste Ursache dieser Farbenerscheinung aus; aber wir müssen doch Nuguet zugestehen, daß ihm die notwendige Bedingung der Erscheinung vorgeschwebt, daß er auf dasjenige, was dabei vorgeht, besser als einer seiner Vorgänger aufgemerkt.
Sein sechster Punkt enthält die sämtlichen Elemente der farbigen Schatten. Hier ist ihm nicht aufgegangen, was dabei physiologisch ist; auch hat er nicht einmal die zufälligen Erscheinungen, welche ihm durch die seiner Camera obscura gegenüberstehenden Häuser geboten worden, genugsam in wiederholbare Versuche verwandelt.
Wenn ihm ferner der Versuch mit dem nephritischen Holze nicht gelingen wollen, so scheint uns die Ursache darin zu liegen, daß er kein echtes erhalten können. Denn ebenso ist es uns auch ergangen, ob wir uns gleich aus vielen Apotheken ein sogenanntes nephritisches Holz angeschafft haben. An dem Versuche, den Kircher und nach ihm andre so deutlich beschreiben, hat man keine Ursache zu zweifeln; allein darin hat Nuguet völlig Recht, daß er auf mehr als eine Art an festen und flüssigen Mitteln zu wiederholen ist: man darf ihnen nur, auf eine oder die andre Weise, eine reine Trübe mitteilen, wie wir in unserm Entwurfe umständlich angezeigt haben.
Nachdem wir nun am Ende des siebzehnten Jahrhunderts noch ganz unerwartet ein erfreuliches Wahre hervorblicken sehen, bereiten wir uns zu einem verdrießlichen Durchwandern jener Irrgänge, aus welchen die Naturforscher des achtzehnten Jahrhunderts sich heraus zu finden weder vermochten noch geneigt waren.