Da wir der intentionellen Farben in unserm Entwurf nicht besonders gedacht haben und dieser Ausdruck in den Schriftstellern, vorzüglich auch in dem gegenwärtigen, vorkommt, so ist unsre Pflicht, wenigstens historisch dieser Terminologie zu gedenken und anzuzeigen, wie sie mit den übrigen Lehren und Gesinnungen jener Zeit zusammenhängt. Man verzeihe uns, wenn wir, der Deutlichkeit wegen, etwas weit auszuholen scheinen.
Die Poesie hat in Absicht auf Gleichnisreden und uneigentlichen Ausdruck sehr große Vorteile vor allen übrigen Sprachweisen, denn sie kann sich eines jeden Bildes, eines jeden Verhältnisses nach ihrer Art und Bequemlichkeit bedienen. Sie vergleicht Geistiges mit Körperlichem und umgekehrt; den Gedanken mit dem Blitz, den Blitz mit dem Gedanken, und dadurch wird das Wechselleben der Weltgegenstände am besten ausgedrückt. Die Philosophie auf ihren höchsten Punkten bedarf auch uneigentlicher Ausdrücke und Gleichnisreden, wie die von uns oft erwähnte, getadelte und in Schutz genommene Symbolik bezeugt.
Nur leiden die philosophischen Schulen, wie uns die Geschichte belehrt, meistenteils daran, daß sie, nach Art und Weise ihrer Stifter und Hauptlehrer, meist nur einseitige Symbole brauchen, um das Ganze auszudrücken und zu beherrschen, und besonders die einen durchaus das Körperliche durch geistige Symbole, die andern das Geistige durch körperliche Symbole bezeichnen wollen. Auf diese Weise werden die Gegenstände niemals durchdrungen; es entsteht vielmehr eine Entzweiung in dem, was vorgestellt und bezeichnet werden soll, und also auch eine Diskrepanz in denen, die davon handeln, woraus alsbald ein Widerwille auf beiden Seiten entspringt und ein Parteisinn sich befestigt.
Wenn man von intentionellen Farben spricht, so ist es eigentlich eine Gleichnisrede, daß man den Farben wegen ihrer Zartheit und Wirkung eine geistige Natur zuschreibt, ihnen einen Willen, eine Absicht unterlegt.
Wer dieses fassen mag, der wird diese Vorstellungsart anmutig und geistreich finden und sich daran, wie etwa an einem poetischen Gleichnisse, ergetzen. Doch wir müssen diese Denkart, diesen Ausdruck bis zu ihrer Quelle verfolgen.
Man erinnere sich, was wir oben von der Lehre des Roger Baco mitgeteilt, die wir bei ihm aufgegriffen haben, weil sie uns da zunächst im Wege lag, ob sie sich gleich von weit früheren Zeiten herschreibt: daß sich nämlich jede Tugend, jede Kraft, jede Tüchtigkeit, alles dem man ein Wesen, ein Dasein zuschreiben kann, ins Unendliche vervielfältigt und zwar dadurch, daß immerfort Gleichbilder, Gleichnisse, Abbildungen als zweite Selbstheiten von ihm ausgehen, dergestalt daß diese Abbilder sich wieder darstellen, wirksam werden, und indem sie immer fort und fort reflektieren, diese Welt der Erscheinungen ausmachen. Nun liegt zwischen der wirkenden Tugend und zwischen dem gewirkten Abbild ein Drittes in der Mitte, das aus der Wirklichkeit des ersten und aus der Möglichkeit des zweiten zusammengesetzt scheint. Für dieses Dritte, was zugleich ist und nicht ist, was zugleich wirkt und unwirksam bleiben kann, was zugleich das allerhöchste Schaffende und in demselben Augenblicke ein vollkommenes Nichts ist, hat man kein schicklicheres Gleichnis Enden können als das menschliche Wollen, welches alle jene Widersprüche in sich vereinigt. Und so hat man auch den wirksamen Naturgegenständen, besonders denjenigen, die uns als tätige Bilder zu erscheinen pflegen, dem Lichte so wie dem Erleuchteten, welche beide nach allen Orten hin sich zu äußern bestimmt sind, ein Wollen, eine Intention gegeben und daher das Abbild (species), insofern es noch nicht zur Erscheinung kommt, intentionell genannt, indem es, wie das menschliche Wollen, eine Realität, eine Notwendigkeit, eine ungeheure Tugend und Wirksamkeit mit sich führt, ohne daß man noch etwas davon gewahr würde. Vielleicht sind ein paar sinnliche Beispiele nicht überflüssig.
Es befinde sich eine Person in einem großen von rohen Mauern umgrenzten Saal, ihre Gestalt hat die Intention, oder wie wir uns in unserm Entwurfe mit einem gleichfalls sittlichen Gleichnis ausgedrückt haben, das Recht sich an allen Wänden abzuspiegeln; allein die Bedingung der Glätte fehlt. Denn das ist der Unterschied der ursprünglichen Tugenden von den abgebildeten, daß jene unbedingt wirken, diese aber Bedingnissen unterworfen sind. Man gebe hier die Bedingung der Glätte zu, man poliere die Wand mit Gipsmörtel oder behänge sie mit Spiegeln, und die Gestalt der Persönlichkeit wird ins Tausendfältige vermehrt erscheinen.
Man gebe nun dieser Persönlichkeit etwa noch einen eitlen Sinn, ein leidenschaftliches Verlangen, sich abgespiegelt zurückkehren zu sehen, so würde man mit einem heiteren Gleichnisse die intentionellen Bilder auch eitle Bilder nennen können.
Noch ein andres Beispiel gebe endlich der Sache völlig den Ausschlag. Man mache sich auf den Weg zu irgendeinem Ziele, es stehe uns nun vor den Augen oder bloß vor den Gedanken, so ist zwischen dem Ziel und dem Vorsatz etwas das beide enthält, nämlich die Tat, das Fortschreiten.
Dieses Fortschreiten ist so gut als das Ziel: denn dieses wird gewiß erreicht, wenn der Entschluß fest und die Bedingungen zulänglich sind; und doch kann man dieses Fortschreiten immer nur intentionell nennen, weil der Wanderer noch immer so gut vor dem letzten Schritt als vor dem ersten paralysiert werden kann.
Intentionelle Farben, intentionelle Mischungen derselben sind also solche, die innerhalb des Durchsichtigen der Bedingung sich zu manifestieren entbehren. Die Bedingung aber, worunter jede Farbe nur erscheinen kann, ist eine doppelte: sie muß entweder ein Helles vor sich und ein Dunkles hinter sich, oder ein Dunkles vor sich und ein Helles hinter sich haben, wie von uns anderwärts umständlich ausgeführt worden. Doch stehe hier noch ein Beispiel, um dem Gesagten die möglichste Deutlichkeit zu geben.
Das Sonnenlicht falle in ein reines Zimmer zu den offnen Fenstern herein, und man wird in der Luft, in dem Durchsichtigen, den Weg des Lichtes nicht bemerken; man errege Staub und sogleich ist der Weg, den es nimmt, bezeichnet. Dasselbe gilt von den apparenten Farben, welche ein so gewaltsames Licht hinter sich haben. Das prismatische Bild wird sich auf seinem Wege vom Fenster bis zur Tafel kaum auszeichnen; man errege Staub und besonders von weißem Puder, so wird man es vom Austritt aus dem Prisma bis zur Tafel begleiten können: denn die Intention sich abzubilden wird jeden Augenblick erfüllt, ebenso als wenn ich einer Kolonne Soldaten entgegen und alsdann gerade durch sie hindurch ginge, wo mit jedem Manne der Zweck, das Regiment zu erreichen, erfüllt und, wenn wir so sagen dürfen, ricochetiert wird. Und so schließen wir mit einem sinnlichen Gleichnis, nachdem wir etwas, das nicht in die Sinne fallen kann, durch eine übersinnliche Gleichnisrede begreiflich zu machen gesucht haben. Wie man nun zu sagen pflegt, daß jedes Gleichnis hinke, welches eigentlich nur so viel heißen will, daß es nicht identisch mit dem Verglichenen zusammenfalle, so muß eben dieses sogleich bemerkt werden, wenn man ein Gleichnis zu lange und zu umständlich durchführt, da die Unähnlichkeiten, welche durch den Glanz des Witzes verborgen wurden, nach und nach in einer traurigen, ja sogar abgeschmackten Realität zum Vorschein kommen. So ergeht es daher den Philosophen oft auf diese Weise, die nicht bemerken, daß sie mit einer Gleichnisrede anfangen und im Durch-und Ausführen derselben immer mehr ins Hinken geraten. So ging es auch mit den intentionellen Bildern (speciebus); anstatt daß man zufrieden gewesen wäre, durch ein geistiges Gleichnis diese unfaßlichen Wesen aus dem Reiche der Sinnlichkeit in ein geistigeres herübergespielt zu haben, so wollte man sie auf ihrem Wege haschen, sie sollten sein oder nicht sein, je nachdem man sich zu einer oder der andern Vorstellung geneigt fühlte, und der durch eine geistreiche Terminologie schon geschlichtete Streit ging wieder von vorn an. Diejenigen, welche realer gesinnt waren, worunter auch Aguilonius gehört, behaupteten: die Farben der Körper seien ruhig, müßig, träge; das Licht rege sie an, entreiße sie dem Körper, führe sie mit sich fort und streue sie umher, und so war man wieder bei der Erklärungsart des Epikur, die Lukrez so anmutig ausdrückt:
Häufig bemerket man das an den rötlichen, blauen, und gelben Teppichen, welche gespannt hoch über das weite Theater Wogend schweben, allda verbreitet an Masten und Balken. Denn der Versammlung unteren Raum, den sämtlichen Schauplatz, Sitze der Väter Mütter, der Götter erhabene Bilder, Tünchen sie an, sie zwingend in ihrem Gefärbe zu schwanken. Und sind enger umher des Theaters Wände verschlossen, Dann lacht fröhlicher noch vom ergossenen Reize der Umfang, Wenn genauer zusammengefaßt der Schimmer des Tags ist. Lassen die Tücher demnach von der obersten Fläche die Schminke Fahren; wie sollte denn nicht ein zartes Gebilde der Dinge Jedes entlassen, da, ähnlicher Art, sie jedes vom Rand schießt?