Das Licht der Sonne besteht aus Strahlen von verschiedener Refrangibilität.*
* Man kann innerhalb eines geschlossenen Lichtraumes wohl Linien ziehen, um die Richtung des Lichtes anzugeben, aber man muß sich darüber stets klar sein, daß dies doch nur Abstraktionen sind, die mit der objektiven Sache selbst gar nichts zu tun haben. Das Licht sich aus solchen einzelnen Strahlen zusammengesetzt denken, verrät eine ganz grob-materialistische Vorstellungsart. (R. Steiner)
82.
Nachdem wir also schon farbige Lichter kennengelernt, welche sogar durch das matte Kerzenlicht aus den Oberflächen farbiger Körper herausgelockt werden, nachdem man uns das Abgeleitete oder erst Abzuleitende schon bekannt gemacht, so wendet sich der Verfasser an die rechte Quelle, zur Sonne nämlich, als demjenigen Lichte, das wir gern für ein Urlicht annehmen.
83.
Das Licht der Sonne also, heißt es, besteht aus Strahlen von verschiedener Refrangibilität. Warum wird denn aber hier der Sonne vorzüglich erwähnt? Das Licht des Mondes, der Sterne, einer jeden Kerze, eines jeden hellen Bildes auf dunklem Grunde ist in dem Fall, uns die Phänomene zu zeigen, die man hier der Sonne als eigentümlich zuschreibt. Sei es auch, dass man sich der Sonne zu den Versuchen, welche wir die objektiven genannt haben, wegen ihrer mächtigen Wirkung bediene, so ist dies ein Umstand, der für den Experimentator günstig ist, aber keineswegs eine Grunderscheinung, an die man eine Theorie anlehnen könnte.
84.
Wir haben deswegen in unserm Entwurfe bei den dioptrischen Versuchen der zweiten Klasse die subjektiven vorangestellt, weil sich aus denselben deutlich machen lässt, dass hier keineswegs von Licht noch Lichtern, sondern von einem Bilde und dessen Grenzen die Rede sei; da denn die Sonne vor keinem andern Bilde, ja nicht vor einem hell- oder dunkelgrauen auf schwarzem Grunde den mindesten Vorzug hat.
85.
jedoch nach der Newtonischen Lehre sollen ja die Farben im Lichte stecken, sie sollen daraus entwickelt werden. Schon der Titel des Werkes deutet auf diesen Zweck hin. Schon dort werden wir auf die colours of light hingewiesen, auf die Farben des Lichtes, wie sie denn auch die Newtonianer bis auf den heutigen Tag zu nennen pflegen. Kein Wunder also, dass dieser Satz auch hier also gestellt wird. Lasset uns jedoch untersuchen, wie der Verfasser dieses Fundament seiner chromatischen Lehre mit acht Experimenten zu beweisen denkt, indem er das dritte bis zum zehnten diesem Endzwecke widmet, welche wir nunmehr der Reihe nach durchgehen.
Dritter Versuch
86.
Wir verfolgen des Verfassers Vortrag hier nicht von Wort zu Wort; denn es ist dieses der allgemein bekannte Versuch, da man durch eine kleine Öffnung des Fensterladens das Sonnenbild in eine dunkle Kammer fallen lässt, solches durch ein horizontal gestelltes Prisma, dessen brechender Winkel nach unten gerichtet ist, auffängt; da denn das Bild, an die entgegengesetzte Wand in die Höhe gebrochen, nicht mehr farblos und rund, sondern länglich und farbig erscheint.
87.
Wie es eigentlich mit diesem Phänomen beschaffen sei, wissen alle Teilnehmende nunmehr genau, welche dasjenige wohl inne haben, was von uns über die dioptrischen Farben der zweiten Klasse überhaupt, vorzüglich aber über die objektiven VOM 2o. bis 24. Kapitel * umständlich vorgetragen worden, sowie wir uns deshalb noch besonders auf unsre zweite, fünfte und sechste Tafel berufen. Es ist daraus klar, dass die Erscheinung, wie sie aus dem Prisma tritt, keineswegs eine fertige sei, sondern dass sie, je näher und je weiter man die Tafel hält, worauf sie sich abbilden soll, immer neue Verhältnisse zeigt. Sobald man dieses eingesehen hat, so bedarf es gegen dieses dritte Experiment, ja, gegen die ganze Newtonische Lehre keines Streites mehr; denn der Meister sowohl als die Schüler stellen den Versuch, auf den sie ihr größtes Gewicht legen, völlig falsch vor, wie wir solches auf unserer Tafel, welche mit Vl. a bezeichnet ist, vor die Augen bringen.
88.
Sie geben nämlich, der Wahrheit ganz zuwider, vor, das Phänomen sei, wie es aus dem Prisma herauskomme, fertig, man sehe die Farben in dem verlängerten Bilde gleich in derselben Ordnung und Proportion; in dieser Ordnung und Proportion wachse nun das Bild bei mehr entfernter Tafel immer an Länge, bis es da, wo sie es endlich festzuhalten belieben, ungefähr um fünfmal länger ist als breit. Wenn sie nun dies Bild auf diese Stelle fixiert, beobachtet, gemessen und auf allerlei Weise gehandhabt haben, so ziehen sie den Schluss: Wenn in dem runden Bilde, das sie den Abglanz eines Strahls nennen, alle Teile gleich refrangibel wären, so müssten sie nach der Refraktion alle an dem gleichen Orte anlangen und das Bild also noch immer erscheinen wie vorher. Nun aber ist das Bild länglich, es bleiben also einige Teile des sogenannten Strahls zurück, andre eilen vor, und also müssen sie in sich eine verschiedene Determinabilität durch Refraktion und folglich eine diverse Refrangibilität haben. Ferner ist dieses Bild nicht weiß, sondern vielfarbig und lässt eine aufeinander folgende bunte Reihe sehen, daher sie denn auch schließen, dass jene angenommenen divers refrangiblen Strahlen auch diverse Farben haben müssen.
89.
Hierauf antworten wir gegenwärtig nichts weiter, als dass das ganze Raisonnement auf einen falsch dargestellten Versuch gebaut ist, der sich in der Natur anders zeigt als im Buche; wobei hauptsächlich in Betrachtung kommt, dass das prismatische Bild, wie es aus dem Prisma tritt, keineswegs eine stetige farbige Reihe, sondern eine durch ein weißes Licht getrennte farbige Erscheinung darstellt.
Indem nun also Newton und seine Schüler dieses Phänomen keineswegs, wie sie es hätten tun sollen, entwickelten, so musste ihnen auch seine eigentliche Natur verborgen bleiben und Irrtum über Irrtum sich anhäufen. Wir machen besonders auf das, was wir jetzt vortragen werden, den Leser aufmerksam.
90.
Newton, nachdem er die Erscheinung sorgfältig gemessen und mancherlei dabei vorkommende Umstände, nur die rechten nicht, beobachtet, fährt fort:
Die verschiedene Größe der Öffnung in dem Fensterladen und die verschiedene Stärke der Prismen, wodurch die Strahlen hindurchgehen, machen keine merkliche Veränderung in der Länge des Bildes.
91.
Diese beiden Assertionen sind völlig unwahr, weil gerade die Größe des Bildes sowie die Größe des Winkels des gebrauchten Prismas vorzüglich die Ausdehnung der Länge des Bildes gegen seine Breite bestimmt und verschieden macht. Wir werden der ersten dieser beiden Wirkungen eine Figur auf unsern Tafeln widmen und hier das Nötige zur näheren Einsicht des Verhältnisses aussprechen.
92.
Unsern aufmerksamen Lesern ist bekannt, dass, wenn ein helles Bild verrückt wird, der gelbrote Rand und der gelbe Saum in das Bild hinein, der blaue Rand und der violette Saum hingegen aus dem Bilde hinaus strebe. Der gelbe Saum kann niemals weiter gelangen als bis zum entgegengesetzten blauen Rande, mit dem er sich zum Grün verbindet, und hier ist eigentlich das Ende des innern Bildes. Der violette Saum geht aber immer seiner Wege fort und wird von Schritt zu Schritt breiter. Nimmt man also eine kleine Öffnung und verrückt das Lichtbild so lange, dass es nunmehr um fünf Teile länger als breit erscheint, so ist dies keineswegs die Normallänge für größere Bilder unter gleicher Bedingung. Denn man bereite sich eine Pappe oder ein Blech, in welchem mehrere Öffnungen von verschiedener Größe oben an einer Horizontallinie anstehen; man schiebe diese Vorrichtung vor das Wasserprisma und lasse auf diese sämtlichen Öffnungen nun das Sonnenlicht fallen, und die durch das Prisma gebrochenen Bilder werden sich an der Wand in jeder beliebigen Entfernung zeigen, jedoch so, dass, weil sie alle an einer Horizontallinie oben anstehen, der violette Saum bei keinem Bilde länger sein kann als beim andern. Ist nun das Bild größer, so hat es ein andres Verhältnis zu diesem Saume, und folglich ist seine Breite nicht so oft in der Länge enthalten als am kleinen Bilde. Man kann diesen Versuch auch subjektiv sehr bequem machen, wenn man auf eine schwarze Tafel weiße Scheiben von verschiedener Größe nebeneinander klebt, die aber, weil man gewöhnlich den brechenden Winkel unterwärts hält, unten auf einer Horizontallinie aufstehen müssen.
93.
Dass ferner die Stärke des Prismas, d. h. die Vergrößerung seines Winkels, eine Differenz in der Länge des Bildes zur Breite machen müsse, wird jedermann deutlich sein, der das, was wir im 2 10. und 324. Paragraph, und zwar im dritten Punkte angedeutet und im Gange des Vortrags weiter ausgeführt haben, gegenwärtig hat, dass nämlich eine Hauptbedingung einer stärkern Färbung sei, wenn das Bild mehr verrückt werde. Da nun ein Prisma von einem größeren Winkel das Bild stärker verrückt als ein anderes von einem kleinern, so wird auch die Farbenerscheinung, unter übrigens gleichen Bedingungen, sehr verschieden sein. Wie es also mit diesem Experiment und seiner Beweiskraft beschaffen sei, werden unsre Leser nun wohl ohne weitres vollkommen einsehen.
Vierter Versuch
94.
Der Beobachter blickt nun durch das Prisma gegen das einfallende Sonnenbild oder gegen die bloß durch den Himmel erleuchtete Öffnung und kehrt also den vorigen objektiven Versuch in einen subjektiven um, wogegen nichts zu sagen wäre, wenn wir dadurch nur einigermaßen gefördert würden. Allein das subjektive Bild wird hier so wenig auf seine Anfänge zurückgeführt als vorher das objektive. Der Beobachter sieht nur das verlängerte stetig gefärbte Bild, an welchem der violette Teil abermals der längste bleibt.
95.
Leider verhehlt uns der Verfasser bei dieser Gelegenheit abermals einen Hauptpunkt, dass nämlich die Erscheinung geradezu die umgekehrte sei von der, die wir bisher an der Wand erblickten. Bemerkt man dieses, so kann man die Frage aufwerfen: Was würde denn geschehen, wenn das Auge sich an die Stelle der Tafel setzte? Würde es denn die Farben in eben der Ordnung sehen, wie man sie auf der Tafel erblickt, oder umgekehrt? Und wie ist denn eigentlich im ganzen das Verhältnis?
96.
Diese Frage ist schon zu Newtons Zeiten aufgeworfen worden, und es fanden sich Personen, die gegen ihn behaupteten, das Auge sehe gerade die entgegengesetzte Farbe, wenn es hinwärts blicke, von der, welche herwärts auf die Tafel oder auch auf ein Auge falle, das sich an die Stelle der Tafel setzte. Newton lehnt nach seiner Weise diesen Einwurf ab, anstatt ihn zu heben.
97.
Das wahre Verhältnis aber ist dieses: Beide Bilder haben nichts miteinander gemein. Es sind zwei ganz verschiedene Bilder, das eine heraufwärts, das andere herunterwärts bewegt, und also gesetzmäßig verschieden gefärbt.
98.
Von der Koexistenz dieser zwei verschiedenen Bilder, wovon das objektive heraufwärts, das subjektive herunterwärts gefärbt ist, kann man sich auf mancherlei Weise überzeugen. jedoch ist folgender Versuch wohl der bequemste und vollkommenste. Man lasse mittelst einer Öffnung des Fensterladens von etwa zwei bis drei Zoll das Sonnenbild durch das große Wasserprisma auf ein weißes, feines, über einen Rahmen gespanntes Papier hinaufwärts gebrochen in der Entfernung anlangen, dass die beiden gefärbten Ränder noch voneinander abstehen, das Grün noch nicht entstanden, sondern die Mitte noch weiß sei. Man betrachte dieses Bild hinter dem Rahmen; man wird das Blaue und Violette ganz deutlich oben, das Gelbrote und Gelbe unten sehen. Nun schaue man neben dem Rahmen hervor, und man wird durch das Prisma das hinuntergerückte Bild der Fensteröffnung umgekehrt gefärbt sehen.
Damit man aber beide Bilder über- und miteinander erblicke, so bediene man sich folgenden Mittels. Man mache das Wasser im Prisma durch einige Tropfen Seifenspiritus dergestalt trübe, dass das Bild auf dem Papierrahmen nicht undeutlich, das Sonnenlicht aber dergstalt gemäßigt werde, dass es dem Auge erträglich sei. Man mache alsdann, indem man sich hinter den Rahmen stellt, an dem Ort, wo sich das gebrochene und gefärbte Bild abbildet, ins Papier eine kleine Öffnung und schaue hindurch, und man wird wie vorher das Sonnenbild hinabgerückt sehen. Nun kann man, wenn die in das Papier gemachte Öffnung groß genug ist, etwas zurücktreten und zugleich das objektive, durchscheinende, aufwärts gefärbte Bild und das subjektive, das sich im Auge darstellt, erblicken; ja, man kann mit einiger Auf- und Abbewegung des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen Ränder beider Erscheinungen zusammenbringen wie es beliebig ist, und indem man sich von der Koexistenz der beiden Erscheinungen überzeugt, überzeugt man sich zugleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirksamen Wesen. Man erinnere sich hierbei jenes höchst merkwürdigen Versuchs (E. 350-354) und familiarisiere sich mit demselben, weil wir noch öfters auf ihn zurückkommen müssen.
Fünfter Versuch
99.
Auch diesen Versuch betrachtet Newton nur durch den Nebel des Vorurteils. Er weiß nicht recht, was er sieht, noch was aus dem Versuche folgt. Doch ist ihm die Erscheinung zum Behuf seiner Beweise außerordentlich willkommen, und er kehrt immer wieder auf dieselbe zurück. Es wird nämlich das Spektrum, das heißt jenes verlängerte farbige Bild der Sonne, welches durch ein horizontales Prisma im dritten Experiment hervorgebracht worden, durch ein vertikal stehendes Prisma aufgefangen und durch selbiges nach der Seite gebrochen, da es denn völlig wie vorher, nur etwas vorwärts gebogen, erscheint, so nämlich, dass der violette Teil vorausgeht.
100.
Newton schließt nun daraus folgendermaßen:
Läge die Ursache der Verlängerung des Bildes in der Brechung etwa dergestalt, dass die Sonnenstrahlen durch sie zerstreut, zersplittert und ausgeweitet würden, so müsste ein solcher Effekt durch eine zweite Refraktion abermals hervorgebracht und das lange Bild, wenn man seine Länge durch ein zweites Prisma parallel mit dessen Achse auffängt, abermals in die Breite gezogen und wie vorher auseinander geworfen werden. Allein dieses geschieht nicht, sondern das Bild geht lang, wie es war, heraus und neigt sich nur ein wenig; daher sich folgern lässt, dass die Ursache der Erscheinung auf einer Eigenschaft des Lichtes beruhe, und dass diese Eigenschaft, da sie sich nun in so viel farbigen Lichtern einmal manifestiert, nun keine weitere Einwirkung annehme, sondern dass das Phänomen nunmehr unveränderlich bleibe, nur dass es sich bei einer zweiten Refraktion etwas niederbückt, jedoch auf eine der Natur sehr gemäße Weise, indem auch hier die mehr refrangibeln Strahlen, die violetten, vorausgehen und also auch ihre Eigenheit vor den übrigen sehen lassen.
101.
Newton begeht hierbei den Fehler, den wir schon früher gerügt haben und den er durch sein ganzes Werk begeht, dass er nämlich das prismatische Bild als ein fertiges, unveränderliches ansieht, da es doch eigentlich immer nur ein werdendes und immer abänderliches bleibt. Wer diesen Unterschied wohl gefasst hat, der kennt die Summe des ganzen Streites und wird unsre Einwendungen nicht allein einsehen und ihnen beipflichten, sondern er wird sie sich selbst entwickeln. Auch haben wir schon in unserm Entwurfe dafür gesorgt (E. 205-207.), dass man das Verhältnis dieses gegenwärtigen Phänomens bequem einsehen könne, wozu auch unsre zweite Tafel das ihrige beitragen wird. Man muss nämlich Prismen von wenigen Graden, z. B. von fünfzehn anwenden, wobei man das Werden des Bildes deutlich beobachten kann. Verrückt man subjektiv nun durch ein Prisma das Bild dergestalt, dass es in die Höhe gehoben erscheint, so wird es in dieser Richtung gefärbt. Man sehe nun durch ein andres Prisma, dass das Bild im rechten Winkel nach der Seite gerückt erscheint, so wird es in dieser Richtung gefärbt sein; man bringe beide Prismen nunmehr kreuzweise über einander, so muss das Bild nach einem allgemeinen Gesetze sich in der Diagonale verrücken und sich in dieser Richtung färben; denn es ist in einem wie in dem andern Falle ein werdendes, erst entstehendes Gebilde. Denn die Ränder und Säume entstehen bloß in der Linie des Verrückens. jenes gebückte Bild Newtons aber ist keineswegs das aufgefangene erste, das nach der zweiten Refraktion einen Reverenz macht, sondern ein ganz neues, das nunmehr in der ihm zugenötigten Richtung gefärbt wird. Man kehre übrigens zu unsern angeführten Paragraphen und Tafeln nochmals zurück, und man wird die völlige Überzeugung dessen, was wir sagen, zum Gewinn haben.
Und auf diese Weise vorbereitet gehe man nun bei Newton selbst die sogenannte Illustration dieses Experiments und die derselben gewidmeten Figuren und Beschreibungen durch, und man wird einen Fehlschluss nach dem andern entdecken und sich überzeugen, dass jene Proposition keineswegs durch dieses Experiment irgendein Gewicht erhalten habe.
102.
Indem wir nun, ohne unsere Leser zu begleiten, ihnen das Geschäft für einen Augenblick selbst überlassen, müssen wir auf die sonderbaren Wege aufmerksam machen, welche der Verfasser nunmehr einzuschlagen gedenkt.
103.
Bei dem fünften Versuche erscheint das prismatische Bild nicht allein gesenkt, sondern auch verlängert. Wir wissen dieses aus unsern Elementen sehr gut abzuleiten; denn indem wir, um das Bild in der Diagonale erscheinen zu lassen, ein zweites Prisma nötig haben, so heißt das eben so viel, als wenn die Erscheinung durch ein gedoppeltes Prisma hervorgebracht wäre. Da nun eine der vorzüglichsten Bedingungen der zu verbreiternden Farbenerscheinung das verstärkte Maß des Mittels ist (E. 2 10), so muss also auch dieses Bild, nach dem Verhältnis der Stärke der angewendeten Prismen, mehr in die Länge gedehnt erscheinen. Man habe diese Ableitung beständig im Auge, indem wir deutlich zu machen suchen, wie künstlich Newton es anlegt, um zu seinem Zwecke zu gelangen.
Unsern Lesern ist bekannt, wie man das bei der Refraktion entstehende farbige Bild immer mehr verlängern könne, da wir die verschiedenen Bedingungen hierzu umständlich ausgeführt. Nicht weniger sind sie überzeugt, dass, weil bei der Verlängerung des Bildes die farbigen Ränder und Säume immer breiter werden und die gegeneinander gestellten sich immer inniger zusammendrängen, dass durch eine Verlängerung des Bildes zugleich eine größere Vereinigung seiner entgegengesetzten Elemente vorgehe. Dieses erzählen und behaupten wir gerne, ganz einfach, wie es der Natur gemäß ist.
Newton hingegen muss sich mit seiner ersonnenen Unnatur viel zu schaffen machen, Versuche über Versuche, Fiktionen über Fiktionen häufen, um zu blenden, wo er nicht überzeugen kann.
Seine zweite Proposition, mit deren Beweis er sich gegenwärtig beschäftigt, lautet doch, das Sonnenlicht bestehe aus verschieden refrangiblen Strahlen. Da diese verschiedenen Lichtstrahlen und Lichter integrierende Teile des Sonnenlichtes sein sollen, so begreift der Verfasser wohl, dass die Forderung entstehen könne und müsse, diese verschiedenen Wesen doch auch abgesondert und deutlich vereinzelt nebeneinander zu sehen.
Schon wird das Phänomen des dritten Experiments, das gewöhnliche Spektrum, so erklärt, dass es die auseinandergeschobenen verschiedenen Lichter des Sonnenlichts, die auseinandergezogenen verschiedenfarbigen Bilder des Sonnenbildes zeige und manifestiere. Allein bis zur Absonderung ist es noch weit hin. Eine stetige Reihe ineinander greifender, auseinander gleichsam quellender Farben zu trennen, zu zerschneiden, zu zerreißen, ist eine schwere Aufgabe, und doch wird Newton in seiner vierten Proposition mit dem Problem hervortreten: man solle die heterogenen Strahlen des zusammengesetzten Lichtes voneinander absondern. Da er sich hierdurch etwas Unmögliches aufgibt, so muss er freilich beizeiten anfangen, um den unaufmerksamen Schüler nach und nach überlisten zu können. Man gebe wohl acht, wie er sich hierbei benimmt.
104.
Aber dass man den Sinn dieses Experiments desto deutlicher einsehe, muss man bedenken, dass die Strahlen, welche von gleicher Brechbarkeit sind, auf einen Zirkel fallen, der der Sonnenscheibe entspricht, wie es im dritten Experiment bewiesen worden.
105.
Wenn es bewiesen wäre, ließe sich nichts dagegen sagen; denn es wäre natürlich: wenn die Teile, die von der Sonne herfließen, verschieden refrangibel wären, so müssten einige, ob sie gleich von einer und derselben Sonnenscheibe herkommen, nach der Refraktion zurückbleiben, wenn die andern vorwärtsgehen. Dass die Sache sich aber nicht so verhalte, ist uns schon bekannt. Nun höre man weiter.
106.
Unter einem Zirkel verstehe ich hier nicht einen vollkommenen geometrisehen Zirkel, sondern irgend eine Kreisfigur, deren Länge der Breite gleich ist, und die den Sinnen allenfalls wie ein Zirkel vorkommen könnte.
107.
Diese Art von Vor- und Nachklage, wie man es nennen möchte, geht durch die ganze Newtonische Optik. Denn erst spricht er etwas aus und setzt es fest; weil es aber mit der Erfahrung nur scheinbar zusammentrifft, so limitiert er seine Proposition wieder so lange, bis er sie ganz aufgehoben hat. Diese Verfahrungsart ist schon oft von den Gegnern releviert worden; doch hat sie die Schule weder einsehen können, noch eingestehen wollen. Zu mehrerer Einsicht der Frage nehme man nun die Figuren 4, 5, 6, 7 unserer siebenten Tafel vor sich.
In der vierten Figur wird das Spektrum dargestellt, wie es Newton und seine Schüler, oft kaptiös genug, als eine zwischen zwei Parallellinien eingefasste, oben und unten abgerundete lange Figur vorstellen, ohne auf irgendeine Farbe Rücksicht zu nehmen. Figur 5 ist dagegen die Figur, welche zu der gegenwärtigen Darstellung gehört.
108.
Man lasse also den obern Kreis für die brechbarsten Strahlen gelten, welche von der ganzen Scheibe der Sonne herkommen und auf der entgegengesetzten Wand sich also erleuchtend abmalen würden, wenn sie allein wären. Der untre Kreis bestehe aus den wenigst brechbaren Strahlen, wie er sich, wenn er allein wäre, gleichfalls erleuchtend abbilden würde. Die Zwischenkreise mögen sodann diejenigen sein, deren Brechbarkeit zwischen die beiden äußern hineinfällt, und die sich gleichfalls an der Wand einzeln zeigen würden, wenn sie einzeln von der Sonne kämen und aufeinander folgen könnten, indem man die übrigen auffinge. Nun stelle man sich vor, dass es noch andre Zwischenzirkel ohne Zahl gebe, die vermöge unzähliger Zwischenarten der Strahlen sich nach und nach auf der Wand zeigen würden, wenn die Sonne nach und nach jede besondre Art herunterschickte. Da nun aber die Sonne sie alle zusammen von sich sendet, so müssen sie zusammen als unzählige gleiche Zirkel sich auf der Wand erleuchtend abbilden, aus welchen, indem sie nach den verschiedenen Graden der Refrangibilität ordnungsgemäß in einer zusammenhängenden Reihenfolge ihren Platz einnehmen, jene längliche Erscheinung zusammengesetzt ist, die ich in dem dritten Versuche beschrieben habe.
109.
Wie der Verfasser diese hypothetische Darstellung, die Hieroglyphe seiner Überzeugung, keineswegs aber ein Bild der Natur, benutzt, um die Bücklinge seines Spektrums deutlich zu machen, mag der wissbegierige Leser bei ihm selbst nachsehen. Uns ist gegenwärtig nur darum zu tun, das Unstatthafte dieser Vorstellung deutlich zu machen. Hier sind keineswegs Kreise, die ineinander greifen; eine Art von Täuschung kann bloß entstehen, wenn das refrangierte Bild rund ist, wodurch denn auch die Grenzen des farbigen Bildes, als eines Nebenbildes, rundlich erscheinen, da doch eigentlich der Fortschritt der verschiedenen Abteilungen des farbigen Bildes bei den prismatischen Versuchen immer in Parallellinien geschieht, welche die Linie des Vorschreitens jederzeit in einem rechten Winkel durchschneiden. Wir haben, um dieses deutlich zu machen, auf unserer fünf ten und sechsten Tafel angenommen, dass ein vierecktes Bild verrückt werde; da man sich denn von dem parallelen Vorrücken der verschiedenen farbigen Reihen einen deutlichen Begriff machen kann. Wir müssen es daher abermals wiederholen: Hier kann weder von ineinandergreifenden fünf noch sieben noch unzähligen Kreisen die Rede sein, sondern an den Grenzen des Bildes entstehet ein roter Rand, der sich in den gelben verliert, ein blauer Rand, der sich in den violetten verliert. Erreicht bei der Schmälre des Bildes oder der Stärke der Refraktion der gelbe Saum den blauen Rand über das weiße Bild, so entsteht Grün; erreicht der violette Saum den gelbroten Rand über das schwarze Bild, so entsteht Purpur. Das kann man mit Augen sehen, ja man möchte sagen, mit Händen greifen.
110.
Nicht genug aber, dass Newton seine verschieden refrangibeln Strahlen zwar auseinanderzerrt, aber doch ihre Kreise noch ineinander greifen lässt, er will sie, weil er wohl sieht, dass die Forderung entsteht, noch weiter auseinanderbringen. Er stellt sie auch wirklich in einer zweiten Figur abgesondert vor, lässt aber immer noch die Grenzlinien stehen, so dass sie getrennt und doch zusammenhängend sind. Man sehe die beiden Figuren, welche Newton auf seiner dritten Tafel mit 15 bezeichnet. Auf unsrer siebenten gibt die sechste Figur die Vorstellung dieser vorgeblichen Auseinanderzerrung der Kreise, worauf wir künftig abermals zurückkommen werden.
111.
Worauf wir aber den Forscher aufmerksam zu machen haben, ist die Stelle, womit der Autor zu dem folgenden Experiment übergeht. Er hatte nämlich zwei Prismen übereinandergestellt, ein Sonnenbild durch jedes durchfallen lassen, um beide zugleich durch ein vertikales Prisma aufzufangen und nach der Seite zu biegen. Wahrscheinlich war dieses letztere nicht lang genug, um zwei vollendete Spektra aufzufassen; er rückte also damit nahe an die ersten Prismen heran und findet, was wir lange kennen und wissen, auch nach der Refraktion zwei runde und ziemlich farblose Bilder. Dies irrt ihn aber gar nicht; denn anstatt einzusehen und einzugestehen, dass seine bisherige Darstellung durchaus falsch sei, sagt er ganz naiv und unbewunden:
112.
Übrigens würde dieses Experiment einen völlig gleichen Erfolg haben, man mag das dritte Prisma gleich hinter die beiden ersten oder auch in größere Entfernung Stellen, so dass das Licht im ersten Falle, nachdem es durch die beiden vordern Prismen gebrochen worden, von dem dritten entweder weiß und rund oder gefärbt und länglich aufgenommen werde.
113.
Wir haben also hier auf einmal ein durch das Prisma durchgegangenes und gebrochenes Farbenbild, das noch weiß und rund ist, da man uns doch bisher dasselbe durchaus als länglich, auseinandergezogen und völlig gefärbt dargestellt hatte. Wie kommt nun auf einmal das Weiße durch die Hintertür herein? Wie ist es abgeleitet? ja, wie ist es nach dem bisher Vorgetragenen nur möglich? Dies ist einer von den sehr schlimmen Advokatenstreichen, wodurch sich die Newtonische Optik so sehr auszeichnet. Ein gebrochnes und doch weißes, ein zusammengesetztes und durch Brechung in seine Elemente nicht gesondertes Licht haben wir nun auf einmal durch eine beiläufige Erwähnung erhalten. Niemand bemerkt, dass durch die Erscheinung dieses Weißen der ganze bisherige Vortrag zerstört ist, dass man ganz woanders ausgehen, ganz woanders anfangen müsse, wenn man zur Wahrheit gelangen will. Der Verfasser fährt vielmehr auf seinem einmal eingeschlagenen Wege ganz geruhig fort und hat nun außer seiner grünen Mitte des fertigen Gespenstes auch noch eine weiße Mitte des erst werdenden, noch unfarbigen Gespenstes, er hat ein langes Gespenst, er hat ein rundes und operiert nun mit beiden wechselweise, wie es ihm beliebt, ohne dass die Welt, die hundert Jahre seine Lehre nachbetet, den Taschenspielerstreich gewahr wird, vielmehr diejenigen, die ihn ans Licht bringen wollen, verfolgt und übel behandelt.
Denn sehr künstlich ist diese Bemerkung hier angebracht, indem der Verfasser diese weiße Mitte, welche hier auf einmal in den Vortrag hereinspringt, bei dem nächsten Versuch höchst nötig braucht, um sein Hokuspokus weiter fortzusetzen.
Sechster Versuch
114.
Haben wir uns bisher lebhaft, ja mit Heftigkeit vorgesehen und verwahrt, wenn uns Newton zu solchen Versuchen berief, die er vorsätzlich und mit Bewusstsein ausgesucht zu haben schien, um uns zu täuschen und zu einem übereilten Beifall zu verführen, so haben wir es gegenwärtig noch weit ernstlicher zu nehmen, indem wir an jenen Versuch gelangen, durch welchen sich Newton selbst zuerst von der Wahrheit seiner Erklärungsart überzeugte, und welcher auch wirklich unter allen den meisten Schein vor sich hat. Es ist dieses das sogenannte Experimentum crucis, wobei der Forscher die Natur auf die Folter spannte, um sie zu dem Bekenntnis dessen zu nötigen, was er schon vorher bei sich festgesetzt hatte. Allein die Natur gleicht einer standhaften und edelmütigen Person, welche selbst unter allen Qualen bei der Wahrheit verharrt. Steht es anders im Protokoll, so hat der Inquisitor falsch gehört, der Schreiber falsch niedergeschrieben. Sollte darauf eine solche untergeschobene Aussage für eine kleine Zeit gelten, so findet sich doch wohl in der Folge noch jemand, welcher sich der gekränkten Unschuld annehmen mag; wie wir uns denn gegenwärtig gerüstet haben, für unsere Freundin diesen Ritterdienst zu wagen. Wir wollen nun zuerst vernehmen, wie Newton zu Werke geht.
115.
In der Mitte zweier dünner Bretter machte ich runde Öffnungen, ein drittel Zoll groß, und in den Fensterladen eine viel größere. Durch letztere ließ ich in mein dunkles Zimmer einen breiten Strahl des Sonnenlichtes herein, ich setzte ein Prisma hinter den Laden in den Strahl, damit er auf die entgegengesetzte Wand gebrochen würde, und nahe hinter das Prisma befestigte ich eines der Bretter dergestalt, dass die Mitte des gebrochnen Lichtes durch die kleine Öffnung hindurchging und das übrige von dem Rande aufgefangen würde.
116.
Hier verfährt Newton nach seiner alten Weise. Er gibt Bedingungen an, aber nicht die Ursache derselben. Warum ist denn hier auf einmal die Öffnung im Fensterladen groß, und wahrscheinlich das Prisma auch groß, ob er es gleich nicht meldet? Die Größe der Öffnung bewirkt ein großes Bild, und ein großes Bild fällt auch nach der Refraktion mit weißer Mitte auf eine nah hinter das Prisma gestellte Tafel. Hier ist also die weiße Mitte, die er am Schluss des vorigen Versuches (i 12) heimlich hereingebracht. In dieser weißen Mitte operiert er; aber warum gesteht er denn nicht, dass sie weiß ist? Warum lässt er diesen wichtigen Umstand erraten? Doch wohl darum, weil seine ganze Lehre zusammenfällt, sobald dieses ausgesprochen ist.
117.
Dann in einer Entfernung von zwölf Fuß von dem ersten Brett befestigte ich das andre dergestalt, dass die Mitte des gebrochenen Lichtes, welche durch die Öffnung des ersten Brettes hindurch fiel, nunmehr auf die Öffnung dieses zweiten Brettes gelangte, das übrige aber, welches von der Fläche des Brettes aufgefangen wurde, das farbige Spektrum der Sonne daselbst zeichnete.
118.
Wir haben also hier abermals eine Mitte des gebrochenen Lichtes, und diese Mitte ist, wie man aus dem Nachsatz deutlich sieht, grün; denn das übrige soll ja das farbige Bild darstellen. Uns werden zweierlei Mitten, eine farblose und eine grüne, gegeben, in denen und mit denen wir nach Belieben operieren, ohne dass man uns den Unterschied im mindesten anzeigt, und einen so bedeutenden Unterschied, auf den alles ankommt. Wem hier über die Newtonische Verfahrungsweise die Augen nicht auf gehen, dem möchten sie wohl schwerlich jemals zu öffnen sein. Doch wir brechen ab; denn die angegebene genaue Vorrichtung ist nicht einmal nötig, wie wir bald sehen werden, wenn wir die Illustration dieses Versuchs durchgehen, zu welcher wir uns sogleich hinwenden und eine Stelle des Textes überschlagen, deren Inhalt ohnehin in dem Folgenden wiederholt wird. Dem bessern Verständnis dieser Sache widmen wir unsre zwölfte Tafel,* welche daher unsere Leser zur Hand nehmen werden. Sie finden auf derselben unter andern zwei Figuren, die eine falsch, wie sie Newton angibt, die andre wahr, so dass sie das Experiment rein darstellt. Beiden Figuren geben wir einerlei Buchstaben, damit man sie unmittelbar vergleichen könne.
119.
Es soll F eine etwas große Öffnung im Fensterladen vorstellen, wodurch das Sonnenlicht zu dem ersten Prisma ABC gelange, worauf denn das gebrochne Licht auf den mittlern Teil der Tafel DE fallen wird. Dieses Lichtes mittlerer Teil gehe durch die Öffnung G durch und falle auf die Mitte der zweiten Tafel d e und bilde dort das längliche Sonnenbild, wie wir solches oben im dritten Experiment beschrieben haben.
120.
Das erste Mal ist also, wie oben schon bemerkt worden, der mittlere Teil weiß, welches hier abermals vom Verfasser nicht angezeigt wird. Nun fragen wir: Wie geht es denn zu, dass jener auf der Tafel DE anlangende weiße Teil, indem er durch die Öffnung G durchgeht, auf der zweiten Tafel d e ein völlig gefärbtes Bild hervorbringt? Darauf müsste man denn doch antworten: es geschähe durch die Beschränkung, welche nach der Refraktion das Lichtbild in der kleinen Öffnung G erleidet. Dadurch aber wäre auch zugleich schon eingestanden, dass eine Beschränkung, eine Begrenzung zur prismatischen Farbenerscheinung notwendig sei; welches jedoch in dem zweiten Teile dieses Buches hartnäckig geleugnet werden soll. Diese Verhältnisse, diese notwendigen und unerlässlichen Bedingungen muss Newton verschweigen, er muss den Leser, den Schüler im Dunkeln erhalten, damit ihr Glaube nicht wankend werde. Unsre Figur setzt dagegen das Faktum aufs deutlichste auseinander, und man sieht recht wohl, dass so gut durch Wirkung des Randes der ersten Öffnung als des Randes der zweiten gefärbte Säume entstehen, welche, da die zweite Öffnung klein genug ist, indem sie sich verbreitern, sehr bald übereinandergreifen und das völlig gefärbte Bild darstellen. Nach dieser Vorrichtung schreitet Newton zu seinem Zweck.
121.
Nun kann man jenes farbige Bild, wenn man das erste Prisma ABC langsam auf seiner Achse hin und her bewegt, auf der Tafel d e nach Belieben herauf- und herabführen, und wenn man auf derselben gleichfalls eine Öffnung g anbringt, jeden einzelnen farbigen Teil des gedachten Bildes der Ordnung nach hindurchlassen. Inzwischen stelle man ein zweites Prisma a b c hinter die zweite Öffnung g und lasse das durchgehende farbige Licht dadurch abermals in die Höhe gebrochen werden. Nachdem dieses also getan war, bezeichnete ich an der aufgestellten Wand die beiden Orte M und N, wohin die verschiedenen farbigen Lichter geführt wurden, und bemerkte, dass, wenn die beiden Tafeln und das zweite Prisma fest und unbeweglich blieben, jene beiden Stellen, indem man das erste Prisma um seine Achse drehte, sich immerfort veränderten. Denn wenn der untere Teil des Bildes, das sich auf der Tafel d e zeigte, durch die Öffnung g geführt wurde, so gelangte er nach einer untern Stelle der Wand M; ließ man aber den obern Teil desselben Lichtes durch gedachte Öffnung gefallen, so gelangte derselbe nach einer obern Stelle der Wand N; und wenn ein mittlerer Teil hindurch ging, so nahm er auf der Wand gleichfalls die Mitte zwischen M und N ein; wobei man zu bemerken hat, dass, da an der Stellung der Öffnungen in den Tafeln nichts verändert wurde, der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweite Prisma in allen Fällen derselbige blieb. Demungeachtet wurden bei gleicher Inzidenz einige Strahlen mehr gebrochen als die andern, und die im ersten Prisma durch eine größere Refraktion weiter vom Wege abgenötigt waren, auch diese wurden durch das zweite Prisma abermals am meisten gebrochen. Da das nun auf eine gewisse und beständige Weise geschah, so muss man die einen für refrangibler als die andern ansprechen.
122.
Die Ursache, warum sich Newton bei diesem Versuche zweier durchlöcherter Bretter bedient, spricht er selbst aus, indem er nämlich dadurch zeigen will, dass der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweite Prisma bei jeder Bewegung des ersten derselbige blieb; allein er übersieht oder verbirgt uns, was wir schon oben bemerkt, dass das farbige Bild erst hinter der Öffnung des ersten Brettes entstehe, und dass man seinen verschiedenen Teilen, indem sie durch die Öffnung des zweiten Brettes hindurchgehen, immer noch den Vorwurf einer verschiedenen Inzidinz auf das zweite Prisma machen könne.
123.
Allein wir gehören nicht zu denjenigen, welche der Inzidenz bei diesen Versuchen bedeutende Wirkung zuschreiben, wie es mehrere unter Newtons frühern Gegnern getan haben; wir erwähnen dieses Umstands nur, um zu zeigen, dass man sich bei diesem Versuche wie bei andern gar wohl von ängstlichen Bedingungen losmachen könne. Denn die doppelten Bretter sind in gegenwärtigem Falle sehr beschwerlich; sie geben ein kleineres schwächeres Bild, mit welchem nicht gut noch scharf zu operieren ist. Und obgleich das Resultat zuletzt erscheint, so bleibt es doch of t wegen der Komplikation der Vorrichtung schwankend, und der Experimentierende ist nicht leicht im Fall, die ganze Anstalt mit vollkommener Genauigkeit einzurichten.
124.
Wir suchen daher der Erscheinung, welche wir nicht leugnen, auf einem andern Wege beizukommen, um sowohl sie als das, was uns der folgende Versuch darstellen wird, an unsere früher begründeten Erfahrungen anzuknüpfen; wobei wir unsre Leser um besondre Aufmerksamkeit bitten, weil wir uns zunächst an der Achse befinden, um welche sich der ganze Streit umdreht, weil hier eigentlich der Punkt ist, wo die Newtonische Lehre entweder bestehen kann oder fallen muss.
125.
Die verschiedenen Bedingungen, unter welchen das prismatische Bild sich verlängert, sind unsern Lesern, was sowohl subjektive als objektive Fälle betrifft, hinlänglich bekannt (E. 2 10. 3 24). Sie lassen sich meist unter eine Hauptbedingung zusammenfassen, dass nämlich das Bild immer mehr von der Stelle gerückt werde.
126.
Wenn man nun das durch das erste Prisma gegangene und auf der Tafel farbig erscheinende Bild ganz, mit allen seinen Teilen auf einmal, durch ein zweites Prisma im gleichen Sinne hindurchläßt und es auf dem Wege abermals verrückt, so hebt man es in die Höhe, und zugleich verlängert man es. Was geschieht aber bei Verlängerung des Bildes? Die Distanzen der verschiedenen Farben erweitern sich, die Farben ziehen sich in gewissen Proportionen weiter auseinander.
127.
Da bei Verrückung des hellen Bildes der gelbrote Rand keineswegs in dem Maße nachfolgt, in welchem der violette Saum vorausgeht, so ist es eigentlich dieser, der sich von jenem entfernt. Man messe das ganze, durch das erste Prisma bewirkte Spektrum; es habe z. B. drei Zoll, und die Mitte der gelbroten Farbe sei etwa von der Mitte der violetten um zwei Zoll entfernt; man refrangiere nun dieses ganze Spektrum abermals durch das zweite Prisma, und es wird eine Länge von etwa neun Zoll gewinnen. Daher wird die Mitte der gelbroten und violetten Farbe auch viel weiter voneinander abstehen als vorher.
128.
Was von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch von seinen Teilen. Man fange das durchs erste Prisma hervorgebrachte farbige Bild mit einer durchlöcherten Tafel auf und lasse dann die aus verschiedenen farbigen isolierten Bildern bestehende Erscheinung auf die weiße Tafel fallen, so werden diese einzelnen Bilder, welche ja nur ein unterbrochenes ganzes Spektrum sind, den Platz einnehmen, den sie vorher in der Folge des Ganzen behauptet hatten.
129.
Nun fange man dieses unterbrochene Bild gleich hinter der durchlöcherten Tafel mit einem Prisma auf und refrangiere es zum zweitenmal, so werden die einzelnen Bilder, indem sie weiter in die Höhe steigen, ihre Distanzen verändern und besonders das Violette, als der vorstrebende Saum, sich in stärkerer Proportion als die andern entfernen. Es ist aber weiter nichts, als dass das ganze Bild gesetzmäßig verlängert worden, von welchem im letztern Fall nur die Teile gesehen werden.
130.
Bei der Newtonischen Vorrichtung ist dieses nicht so deutlich, doch bleiben Ursache und Resultat immer dieselbigen; er mag die Bilder einzeln, indem er das erste Prisma bewegt, durchs zweite hindurchführen: es sind immer Teile des ganzen farbigen Bildes, die ihrer Natur getreu bleiben.
131.
Hier ist also keine diverse Refrangibilität, es ist nur eine wiederholte Refraktion, eine wiederholte Verrückung, eine vermehrte Verlängerung, nichts mehr und nichts weniger.
132.
Zu völliger Überzeugung mache man den Versuch mit einem dunklen Bilde. Bei demselben ist der gelbe Saum vorstrebend und der blaue Rand zurückbleibend. Alles, was bisher vom violetten Teile prädiziert worden, gilt nunmehr vom gelben, was vom gelbroten gesagt worden, gilt vom blauen. Wer dieses mit Augen gesehen und recht erwogen hat, dem wird nun wohl die vermeinte Bedeutsamkeit dieses Hauptversuches wie ein Nebel verschwinden. Wir wollen auf unsrer zwölften Tafel* und bei Erläuterung derselben noch alles nachholen, was zu mehrerer Deutlichkeit nötig scheinen möchte, sowie wir auch den zu diesem Versuche nötigen Apparat noch besonders beschreiben werden.
133.
Wir fügen hier nur noch die Bemerkung hinzu, wie kaptiös Newton die Sache vorträgt (12 1.), wenn er sagt, bei der zweiten Refraktion sei das rote Bildchen nach dem untern Teil der Wand, das violette nach dem obern gelangt. (Im Englischen steht went, im Lateinischen pergebat.) Denn es verhält sich keineswegs also. Sowohl der gelbrote Teil als der violette steigen beide nach der zweiten Refraktion in die Höhe, nur entfernt sich der letzte von dem ersten in dem Maße, wie das Bild gewachsen wäre, wenn man es ganz und nicht in seinen Teilen refrangiert hätte.
134.
Da nun aber dieser Versuch gar nichts im Hinterhalte hat, nichts beweist, nicht einmal abgeleitet oder erklärt zu werden braucht, sondern nichts als ein schon bekanntes Phänomen selbst ist; da die Sache sich nach dem, was wir in unserm Entwurf e dargelegt, leicht abtun lässt, so könnte man uns den Einwurf machen und die Frage erregen, warum wir denn nicht direkt auf diesen eingebildeten Haupt- und Grundversuch zugegangen, das unstatthafte der daraus gezogenen Argumente nachgewiesen, anstatt mit so vielen Umständen der Newtonischen Deduktion Schritt vor Schritt zu folgen und den Verfasser durch seine Irrwege zu begleiten. Hierauf antworten wir, dass, wenn davon die Rede ist, ein eingewurzeltes Vorurteil zu zerstören, man keineswegs seinen Zweck erreicht, indem man bloß das Hauptapercu überliefert. Es ist nicht genug, dass man zeigt, das Haus sei baufällig und unbewohnbar, denn es könnte doch immer noch gestützt und notdürftig eingerichtet werden; ja, es ist nicht genug, dass man es einreißt und zerstört: Man muss auch den Schutt wegschaffen, den Platz abräumen und ebnen. Dann möchten sich allenfalls wohl Liebhaber finden, einen neuen kunstgemäßen Bau aufzuführen.
135.
In diesem Sinne fahren wir fort, die Versuche zu vermannigfaltigen. Will man das Phänomen, von welchem die Rede ist, recht auffallend machen, so bediene man sich folgender Anstalt. Man bringe zwei gleiche Prismen hart nebeneinander und stelle ihnen eine Tafel entgegen, auf welcher zwei kleine runde Öffnungen horizontal nebeneinander in einiger Entfernung eingeschnitten sind; man lasse aus dem einen Prisma auf die eine Öffnung den gelbroten Teil des Bildes und aus dem andern Prisma den violetten Teil auf die andere Öffnung fallen; man fange die beiden verschiedenfarbigen Bilder auf einer dahinter stehenden weißen Tafel auf, und man wird sie horizontal nebeneinandersehen. Nun ergreife man ein Prisma, das groß und lang genug ist, beide Bildchen aufzufassen, und bringe dasselbe horizontal nahe hinter die durchlöcherte Tafel und breche beide Bildchen zum zweitenmal, so dass sie sich auf der weißen Tafel abermals abbilden. Beide werden in die Höhe gerückt erscheinen, aber ungleich, das violette weit höher als das gelbrote, wovon uns die Ursache aus dem Vorigen bekannt ist. Wir empfehlen diesen Versuch allen übrig bleibenden Newtonianern, um ihre Schüler in Erstaunen zu setzen und im Glauben zu stärken. Wer aber unserer Darstellung ruhig gefolgt ist, wird erkennen, dass hier an einzelnen Teilen auch nur das geschehe, was an den ganzen Bildern geschehen würde, wenn zwei derselben, wovon das eine tiefer als das andere stünde, eine zweite Refraktion erlitten. Es ist dieses letzte ein Versuch, den man mit dem großen Wasserprisma recht gut anstellen kann.
136.
Genötigt finden wir uns übrigens, noch eines Umstandes zu erwähnen, welcher besonders bei dem folgenden Versuch zur Sprache kommen wird, und der auch bei dem gegenwärtigen mit eintritt, ob er hier gleich nicht von so großer Bedeutung ist. Man kann nämlich die durch die objektive prismatische Wirkung entstandenen Bilder als immer werdende und bewegliche ansehen, so wie wir es durchaus getan haben. Mit diesen kann man nicht operieren, ohne sie zu verändern. Man kann sie aber auch, wie besonders Newton tut, wie wir aber nur mit der größten Einschränkung und für einen Augenblick tun, als fertig ansehen und mit ihnen operieren.
137.
Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchlöcherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, operieren mit denselben und verrücken sie durch eine zweite Refraktion, so muss das eintreten, was wir überhaupt von Verrückung farbiger Bilder dargetan haben: Es müssen nämlich an ihnen abermals Ränder und Säume entstehen, aber entweder durch die Farbe des Bildes begünstigte oder verkümmerte. Das isolierte gelbrote Bild nehmen wir aus dem einwärts strebenden gelbroten Rande; an seiner untern Grenze wird es durch einen gleichnamigen * neuen Rand an Farbe verstärkt, das allenfalls entspringende Gelb verliert sich, und an der entgegengesetzten Seite kann wegen des Widerspruchs kein Blau und folglich auch kein Violett entstehen. Das Gelbrote bleibt also gleichsam in sich selbst zurückgedrängt, erscheint kleiner und geringer als es sein sollte. Das violette Bild hingegen ist ein Teil des aus dem ganzen Bilde hinausstrebenden violetten Saumes. Es wird allenfalls an seiner untern Grenze ein wenig verkümmert und hat oben die völlige Freiheit, vorwärts zu gehen. Dieses mit jenen obigen Betrachtungen zusammengenommen, lässt auf ein weiteres Vorrücken des Violetten auch durch diesen Umstand schließen. jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen Wert, sondern führen es nur an, damit man sich bei einer so komplizierten Sache eines jeden Nebenumstandes erinnere; wie man denn, um sich von* der Entstehung dieser neuen Ränder zu überzeugen, nur den gelben Teil des Bildes durch eine Öffnung im Brette durchführen und alsdann zum zweitenmal hinter demselben refrangieren mag.
Siebenter Versuch
138.
Hier lässt der Verfasser durch zwei nebeneinander gestellte Prismen zwei Spektra in die dunkle Kammer fallen. Auf einen horizontalen schmalen Streifen Papier trifft nun die rote Farbe des einen Spektrums und gleich daneben die violette Farbe des andern. Nun betrachtet er diesen doppeltprismatisch gefärbten Streifen durch ein zweites Prisma und findet das Papier gleichsam auseinander gerissen. Die blaue Farbe des Streifens hat sich nämlich viel weiter herunter begeben als die rote; es versteht sich, dass der Beobachter durch ein Prisma blickt, dessen brechender Winkel nach unten gekehrt ist.
139.
Man sieht, dass dies eine Wiederholung des ersten Versuches werden soll, welcher dort mit körperlichen Farben angestellt war, hier aber mit Flächen angestellt wird, die eine scheinbare Mitteilung durch apparente Farben erhalten haben. Der gegenwärtige Fall, die gegenwärtige Vorrichtung ist doch von jenen himmelweit unterschieden, und wir werden, da wir das Phänomen nicht leugnen, es abermals auf mancherlei Weise darzustellen, aus unsern Quellen abzuleiten und das Hohle der Newtonischen Erklärung darzutun suchen.
140.
Wir können unsre erstgemeldete (135) Vorrichtung mit zwei Prismen nebeneinander beibehalten. Wir lassen das rote und violette Bildchen nebeneinander auf die hintere weiße Tafel fallen, so dass sie völlig horizontal stehen. Man nehme nun das horizontale Prisma vor die Augen, den brechenden Winkel gleichfalls unterwärts gekehrt, und betrachte jene Tafel; sie wird auf die bekannte Weise verrückt sein, allein zugleich wird man einen bedeutenden Umstand eintreten sehen: Das rote Bild nämlich rückt nur insofern von der Stelle, als die Tafel verrückt wird; seine Stelle auf der Tafel hingegen behält es genau. Mit dem violetten Bilde verhält es sich nicht so; dieses verändert seine Stelle, es zieht sich viel weiter herunter, es steht nicht mehr mit dem roten Bilde auf einer horizontalen Linie.
141.
Sollte es den Newtonianern möglich sein, auch künftig noch die Farbenlehre in die dunkle Kammer einzusperren, ihre Schüler in die Gängelbank einzuzwängen und ihnen jeden Schritt freier Beobachtung zu versagen, so wollen wir ihnen auch diesen Versuch besonders empfohlen haben, weil er etwas überraschendes und Imponierendes mit sich führt. Uns aber muss angelegen sein, die Verhältnisse des Ganzen deutlich zu machen und bei dem gegenwärtigen Versuche zu leisten, was bei dem vorigen bestanden worden.
142.
Newton verbindet hier zum erstenmal die objektiven Versuche mit den subjektiven. Es hätte ihm also geziemt, den Hauptversuch (E 350-356) zuerst aufzustellen und vorzutragen, dessen er nach seiner Unmethode erst viel später erwähnt, wo das Phänomen, weit entfernt, zur wahren Einsicht in die Sache etwas beizutragen, nur wieder neue Verwirrungen anzurichten im Fall ist. Wir setzen voraus, dass jedermann diesen Versuch gesehen habe, dass jedermann, den die Sache interessiert, so eingerichtet sei, um ihn, so oft die Sonne scheint, wiederholen zu können.
143.
Dort wird also das längliche Farbenbild durch ein Prisma an die Wand in die Höhe geworfen; man nimmt sodann ein völlig gleiches Prisma, den brechenden Winkel unterwärts gekehrt, hält es vor die Augen und tritt nahe vor das Bild auf der Tafel. Man sieht es wenig verändert; aber je weiter man zurücktritt, desto mehr zieht es sich, nicht allein herabwärts, sondern auch in sich selbst zusammen, dergestalt, dass der violette Saum immer kürzer wird. Endlich erscheint die Mitte weiß und nur die Grenzen des Bildes gefärbt. Steht der Beobachter genau so weit als das erste Prisma, wodurch das farbige Bild entstand, so erscheint es ihm nunmehr subjektiv farblos. Tritt er weiter zurück, so färbt es sich im umgekehrten Sinne herabwärts. Ist man doppelt so weit zurückgetreten, als das erste Prisma von der Wand steht, so sieht man mit freiem Auge das auf strebende, durch das zweite Prisma aber das herabstrebende umgekehrte gleich stark gefärbte Bild, woraus so viel abermals erhellt, dass jenes erste Bild an der Wand keineswegs ein fertiges, im Ganzen und in seinen Teilen unveränderliches Wesen Sei, sondern dass es seiner Natur nach zwar bestimmt, aber doch wieder bestimmbar, und zwar bis zum Gegensatz bestimmbar gefunden werde.
144.
Was nun von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch von seinen Teilen. Man fasse das ganze Bild, ehe es zur gedachten Tafel gelangt, mit einer durchlöcherten Zwischentafel auf, und man stelle sich so, dass man zugleich das ganze Bild auf der Zwischentafel und die einzelnen verschiedenfarbigen Bilder auf der Haupttafel sehen könne. Nun beginne man den vorigen Versuch. Man trete ganz nahe zur Haupttafel und betrachte durchs horizontale Prisma die vereinzelt übereinanderstehenden farbigen Bilder; man wird sie, nach Verhältnis der Nähe, nur wenig vom Platze gerückt finden. Man entferne sich nunmehr nach und nach, und man wird mit Bewunderung sehen, dass das rote Bild sich nur insofern verrückt, als die Tafel verrückt scheint, dass sich hingegen die obern Bilder, das violette, blaue, grüne nach und nach herab gegen das rote ziehen und sich mit diesem verbinden, welches denn zugleich seine Farbe, doch nicht völlig, verliert und als ein ziemlich rundes einzelnes Bild dasteht.
145.
Betrachtet man nun, was indessen auf der Zwischentafel vorgegangen, so sieht man, dass sich das verlängerte farbige Bild für das Auge gleichfalls zusammengezogen, dass der violette Saum scheinbar die Öffnung verlassen, vor welcher diese Farbe sonst schwebte, dass die blaue, grüne, gelbe Farbe gleichfalls verschwunden, dass die rote zuletzt auch völlig auf gehoben ist und fürs Auge nur ein weißes Bild auf der Zwischentafel steht. Entfernt man sich noch weiter, so färbt sich dieses weiße Bild umgekehrt, wie schon weitläufig ausgeführt worden (143).
146.
Man beobachte nun aber, was auf der Haupttafel geschieht. Das einzige dort übrige, noch etwas rötliche Bild fängt nun auch an, sich am obern Teile stark rot, am untern blau und violett zu färben. Bei dieser Umkehrung vermögen die verschwundenen Bilder des obern Teils nicht sich einzeln wiederherzustellen. Die Färbung geschieht an dem einzig übrig gebliebenen untern Teil, an der Base, an dem Kern des Ganzen.
147.
Wer diese sich einander entsprechenden Versuche genau kennt, der wird sogleich einsehen, was es für eine Bewandtnis mit den zwei horizontal nebeneinander gebrachten Bildern (140) und deren Verrückung habe, und warum sich das Violette von der Linie des Roten entfernen müsse, ohne deshalb eine diverse Refrangibilität zu beweisen. Denn wie alles dasjenige, was vom ganzen Bilde gilt, auch von den einzelnen Teilen gelten muss, so gilt von zwei Bildern nebeneinander und von ihren Teilen eben dasselbe; welches wir nun durch Darstellung und Entwicklung der Newtonischen Vorrichtung noch umständlicher und unwidersprechlicher zeigen wollen.
148.
Man stelle einen schmalen, etwa fingerbreiten Streifen von weißem Papier, quer über einen Rahmen befestigt, in der dunklen Kammer dergestalt auf, dass er einen dunklen Hintergrund habe, und lasse nun von zwei nebeneinander gestellten Prismen von einem die rote Farbe, vom andern die violette oder auch wohl blaue auf diesen Streifen fallen; man nehme alsdann das Prisma vors Auge und sehe nach diesem Streifen: Das Rote wird an demselben verharren, sich mit dem Streifen verrucken und nur noch feuriger rot werden. Das Violette hingegen wird das Papier verlassen und als ein geistiger, jedoch sehr deutlicher Streif tiefer unten über der Finsternis schweben. Abermals eine sehr empfehlenswerte Erscheinung für diejenigen, welche die Newtonische Taschenspielerei fortzusetzen gedenken, höchlich bewundernswert für die Schüler in der Laufbank.
149.
Aber damit man vom Staunen zum Schauen übergehen möge, geben wir folgende Vorrichtung an. Man mache den gedachten Streifen nicht sehr lang, nicht länger, als dass beide Bilderteile, jedes zur Hälfte, darauf Platz haben. Man mache die Wangen des Rahmens, an die man den Streifen befestigt, etwas breit, so dass die andre Hälfte der Bilder, der Länge nach geteilt, darauf erscheinen könne. Man sieht nun also beide Bilder zugleich mit allen ihren Schattierungen, das eine höher, das andre tiefer, zu beiden Seiten des Rahmens. Man sieht nun auch einzelne Teile nach Belieben, z. B. Gelbrot und Blaurot von beiden Seiten auf dem Papierstreifen. Nun ergreife man jene Versuchsweise. Man blicke durchs Prisma nach dieser Vorrichtung, so wird man zugleich die Veränderung der ganzen Bilder und die Veränderung der Teile gewahr werden. Das höhere Bild, welches dem Streifen die rote Farbe mitteilt, zieht sich zusammen, ohne dass das Rote seine Stelle auf dem Rahmen, ohne dass die rote Farbe den Streif en verlasse. Das niedrigere Bild aber, welches die violette Farbe dem Streifen mitteilt, kann sich nicht zusammenziehen, ohne dass das Violette seine Stelle auf dem Rahmen und folglich auch auf dem Papier verlasse. Auf dem Rahmen wird man sein Verhältnis zu den übrigen Farben noch immer erblicken, neben dem Rahmen aber wird der vom Papier sich herunterbewegende Teil wie in der Luft zu schweben scheinen. Denn die hinter ihm liegende Finsternis ist für ihn eben so gut eine Tafel, als es der Rahmen für das auf ihn geworfene und auf ihm sich verändernde objektive Bild ist. Dass dem also sei, kann man daraus aufs genauste erkennen, dass der herabschwebende isolierte Farbenstreif immer mit seiner gleichen Farbe im halben Spektrum an der Seite Schritt hält, mit ihr horizontal steht, mit ihr sich herabzieht und endlich, wenn jene verschwunden ist, auch verschwindet. Wir werden dieser Vorrichtung und Erscheinung eine Figur auf unsrer zwölften Tafel* widmen, und so wird demjenigen, der nach uns experimentieren, nach uns die Sache genau betrachten und überlegen will, wohl kein Zweifel übrig bleiben, dass dasjenige, was wir behaupten, das Wahre sei.
150.
Sind wir so weit gelangt, so werden wir nun auch diejenigen Versuche einzusehen und einzuordnen wissen, welche Newton seinem siebenten Versuche, ohne ihnen jedoch eine Zahl zu geben, hinzufügt. Doch wollen wir selbige sorgfältig bearbeiten und sie zu Bequemlichkeit künftigen Allegierens* mit Nummern versehen.
151.
Man erinnere sich vor allen Dingen jenes fünften Versuches, bei welchem zwei übers Kreuz gehaltene Prismen dem Spektrum einen Bückling abzwangen, wodurch die diverse Refrangibilität der verschiedenen Strahlen erwiesen werden sollte, wodurch aber nach uns bloß ein allgemeines Naturgesetz, die Wirkung in der Diagonale bei zwei gleichen im rechten Winkel anregenden Kräften, ausgesprochen wird.
152.
Gedachten Versuch können wir nun gleichfalls durch Verbindung des Subjektiven mit dem Objektiven anstellen und geben folgende Vorrichtung dazu an, welche sowohl dieses als die nachstehenden Experimente erleichtert. Man werfe zuerst durch ein vertikal stehendes Prisma das verlängerte Sonnenbild seitwärts auf die Tafel, so dass die Farben horizontal nebeneinander zu stehen kommen; man halte nunmehr das zweite Prisma horizontal wie gewöhnlich vor die Augen, so wird, indem das rote Ende des Bildes an seinem Platze verharrt, die violette Spitze ihren Ort auf der Tafel scheinbar verlassen und sich in der Diagonale herunterneigen. Also vorbereitet schreite man zu den zwei von Newton vorgeschlagenen Versuchen.
153.
VII Jenem von uns angegebenen vertikalen Prisma füge man ein andres gleichfalls vertikales hinzu, dergestalt, dass zwei längliche farbige Bilder in einer Reihe liegen. Diese beiden zusammen betrachte man nun abermals durch ein horizontales Prisma, so werden sie sich beide in der Diagonale neigen, dergestalt, dass das rote Ende fest steht und gleichsam die Achse ist, worum sich das Bild herumdreht; wodurch aber weiter nichts ausgesprochen wird, als was wir schon wissen.
154.
VIIb. Aber eine Vermannigfaltigung dieses Versuches ist dem ungeachtet noch angenehm. Man stelle die beiden vertikalen Prismen dergestalt, dass die Bilder übereinander fallen, jedoch im umgekehrten Sinne, so dass das Gelbrote des einen auf das Violette des andern, und umgekehrt, falle; man betrachte nun durch das horizontale Prisma diese beiden fürs nackte Auge sich deckenden Bilder, und sie werden sich für das bewaffnete nunmehr kreuzweise übereinander neigen, weil jedes in seinem Sinn diagonal bewegt wird. Auch dieses ist eigentlich nur ein kurioser Versuch; denn es bleibt unter einer wenig verschiedenen Bedingung immer dasselbe, was wir gewahr werden. Mit den folgenden beiden verhält es sich ebenso.
155.
Vllc. Man lasse auf jenen weißen Papierstreifen (148) den roten und violetten Teil der beiden prismatischen farbigen Bilder aufeinander fallen; sie werden sich vermischen und eine Purpurfarbe hervorbringen. Nimmt man nunmehr ein Prisma vor die Augen, betrachtet diesen Streifen, so wird das Violette sich von dem Gelbroten ablösen, heruntersteigen, die Purpurfarbe verschwinden, das Gelbrote aber stehen zu bleiben scheinen. Es ist dieses dasselbige, was wir oben (149) nebeneinander gesehen haben, und für uns kein Beweis für die diverse Refraktion, sondern nur für die Determinabilität des Farbenbildes.
156.
VIld. Man stelle zwei kleine runde Papierscheiben in geringer Entfernung nebeneinander und werfe den gelbroten Teil des Spektrums durch ein Prisma auf die eine Scheibe, den blauroten auf die andre, der Grund dahinter sei dunkel. Diese so erleuchteten Scheiben betrachte man durch ein Prisma, welches man dergestalt hält, dass die Refraktion sich gegen den roten Zirkel bewegt; je weiter man sich entfernt, je näher rückt das Violette zum Roten hin, triff t endlich mit ihm zusammen und geht sogar darüber hinaus. Auch dieses Phänomen wird jemand, der mit dem bisher beschriebenen Apparat umzugehen weiß, leicht hervorbringen und abzuleiten verstehen.
Alle diese dem siebenten Versuche angehängte Versuche sind, so wie der siebente selbst, nur Variationen jenes ob- und subjektiven Hauptversuches (E. 3 50-3 56). Denn es ist ganz einerlei, ob ich das objektiv an die Wand geworfene prismatische Bild, im ganzen oder teilweise, in sich selbst zusammenziehe, oder ob ich ihm einen Bückling in der Diagonale abzwinge. Es ist ganz einerlei, ob ich dies mit einem oder mit mehreren prismatischen objektiven Bildern tue, ob ich es mit den ganzen Bildern oder mit den Teilen vornehme, ob ich sie nebeneinander, übereinander, verschränkt oder sich teilweise deckend richte und schiebe: immer bleibt das Phänomen eins und dasselbe und spricht nichts weiter aus, als dass ich das in einem Sinn, z. B. aufwärts, hervorgebrachte objektive Bild durch subjektive im entgegengesetzten Sinn, z. B. herabwärts, angewendete Refraktion zusammenziehen, aufheben und im Gegensatze färben kann.
157.
Man sieht also hieraus, wie sich eigentlich die Teile des objektiv entstandenen Farbenbildes zu subjektiven Versuchen keineswegs gebrauchen lassen, weil in solchem Falle sowohl die ganzen Erscheinungen als die Teile derselben verändert werden und nicht einen Augenblick dieselbigen bleiben. Was bei solchen Versuchen für eine Komplikation obwalte, wollen wir durch ein Beispiel anzeigen und etwas oben Geäußertes dadurch weiter ausführen und völlig deutlich machen.
158.
Wenn man jenen Papierstreifen in der dunklen Kammer mit dem roten Teile des Bildes erleuchtet und ihn alsdann durch ein zweites Prisma in ziemlicher Nähe betrachtet, so verlässt die Farbe das Papier nicht, vielmehr wird sie an dem obern Rande sehr viel lebhafter. Woher entspringt aber diese lebhaftere Farbe? Bloß daher, weil der Streifen nunmehr als ein helles rotes Bild wirkt, welches durch die subjektive Brechung oben einen gleichnamigen Rand gewinnt und also erhöht an Farbe erscheint. Ganz anders verhält sich’s, wenn der Streifen mit dem violetten Teile des Bildes erleuchtet wird. Durch die subjektive Wirkung zieht sich zwar die violette Farbe von dem Streifen weg (148. 149), aber die Hellung bleibt ihm einigermaßen. Dadurch erscheint er in der dunklen Kammer wie ein weißer Streif auf schwarzem Grunde und färbt sich nach dem bekannten Gesetz, indessen das herabgesunkene violette Scheinen dem Auge gleichfalls ganz deutlich vorschwebt. Hier ist die Natur abermals durchaus konsequent, und wer unsern didaktischen und polemischen Darstellungen gefolgt ist, wird hieran nicht wenig Vergnügen finden. Ein Gleiches bemerkt man bei dem Versuche VII d.
159.
Ebenso verhält es sich in dem oben beschriebenen Falle (144), da wir die einzelnen übereinander erscheinenden farbigen Bilder subjektiv herabziehen. Die farbigen Scheinen sind es nur, die den Platz verlassen; aber die Hellung, die sie auf der weißen Tafel erregt haben, kann nicht aufgehoben werden. Diese farblosen hellen zurückbleibenden Bilder werden nunmehr nach den bekannten subjektiven Gesetzen gefärbt und bringen dem, der mit dieser Erscheinung nicht bekannt ist, eine ganz besondere Konfusion in das Phänomen.
160.
Auf das vorhergehende, vorzüglich aber auf unsern 135. Paragraph bezieht sich ein Versuch, den wir nachbringen. Man habe im Fensterladen horizontal nahe nebeneinander zwei kleine runde Öffnungen. Vor die eine schiebe man ein blaues, vor die andere ein gelbrotes Glas, wodurch die Sonne hereinscheint. Man hat also hier wie dort (13 5) zwei verschiedenfarbige Bilder nebeneinander. Nun fasse man sie mit einem Prisma auf und werfe sie auf eine weiße Tafel. Hier werden sie nicht ungleich in die Höhe gerückt, sondern sie bleiben unten auf einer Linie; aber genau besehen sind es zwei prismatische Bilder, welche unter dem Einfluß der verschiedenen farbigen Gläser stehen und also insofern verändert sind, wie es nach der Lehre der scheinbaren Mischung und Mitteilung notwendig ist.
161.
Das eine durch das gelbe Glas fallende Spektrum hat seinen obern violetten Schweif fast gänzlich eingebüßt; der untere gelbrote Saum hingegen erscheint mit verdoppelter Lebhaftigkeit; das Gelbe der Mitte erhöht sich auch zu einem Gelbroten, und der obere blaue Saum wird in einen grünlichen verwandelt. Dagegen behält jenes durch das blaue Glas gehende Spektrum seinen violetten Schweif völlig bei; das Blaue ist deutlich und lebhaft, das Grüne zieht sich herunter, und statt des Gelbroten erscheint eine Art Purpur.
162.
Stellt man die gedachten beiden Versuche entweder nebeneinander oder doch unmittelbar nacheinander an, so überzeugt man sich, wie unrecht Newton gehandelt habe, mit den beweglichen physischen Farben und den fixierten chemischen ohne Unterschied zu operieren, da sie doch ihrer verschiedenen Natur nach ganz verschiedene Resultate hervorbringen müssen, wie wir wohl hier nicht weiter auseinanderzusetzen brauchen.
163.
Auch jenen objektiv-subjektiven Versuch (E. 350-354) mit den eben gedachten beiden verschiedenen prismatischen Farbenbildern vorzunehmen, wird belehrend sein. Man nehme wie dort das Prisma vor die Augen, betrachte die Spektra erst nahe, dann entferne man sich von ihnen nach und nach; sie werden sich beide, besonders das blaue, von oben herein zusammenziehen, das eine endlich ganz gelbrot, das andere ganz blau erscheinen und, indem man sich weiter entfernt, umgekehrt gefärbt werden.
164.
So möchte denn auch hier der Platz sein, jener Vorrichtung abermals zu gedenken, welche wir schon früher (E. 284) beschrieben haben. In einer Pappe sind mehrere Quadrate farbigen Glases angebracht; man erhellet sie durch das Sonnen-, auch nur durch das Tageslicht, und wir wollen hier genau anzeigen, was gesehen wird, wenn man an ihnen den subjektiven Versuch macht, indem man sie durch das Prisma betrachtet. Wir tun es um so mehr, als diese Vorrichtung künftig bei subjektiver Verrückung farbiger Bilder den ersten Platz einnehmen und mit einiger Veränderung und Zusätzen beinahe allen übrigen Apparat entbehrlich machen wird.
165.
Zuvörderst messe man jene Quadrate, welche aus der Pappe herausgeschnitten werden sollen, sehr genau ab und überzeuge sich, dass sie von einerlei Größe sind. Man bringe alsdann die farbigen Gläser dahinter, stelle sie gegen den grauen Himmel und betrachte sie mit bloßem Auge. Das gelbe Quadrat als das hellste wird am größten erscheinen (E. 16). Das grüne und blaue wird ihm nicht viel nachgeben, hingegen das gelbrote und violette als die dunkelsten werden sehr viel kleiner erscheinen. Diese physiologische Wirkung der Farben, insofern sie heller oder dunkler sind, nur beiläufig zu Ehren der großen Konsequenz natürlicher Erscheinungen.
166.
Man nehme sodann ein Prisma vor die Augen und betrachte diese nebeneinander gestellten Bilder. Da sie spezifiziert und chemisch fixiert sind, so werden sie nicht, wie jene des Spektrums, verändert oder gar aufgehoben, sondern sie verharren in ihrer Natur, und nur die begünstigende oder verkümmernde Wirkung der Ränder findet statt.
167.
Obgleich jeder diese leichte Vorrichtung sich selbst anschaffen wird, ob wir schon dieser Phänomene öfters gedacht haben, so beschreiben wir sie doch wegen eines besondern Umstands hier kürzlich, aber genau. Am gelben Bilde sieht man deutlich den obern hochroten Rand, der gelbe Saum verliert sich in der gelben Fläche; am untern Rande entsteht ein Grün, doch sieht man das Blaue sowie ein mäßig herausstrebendes Violett ganz deutlich. Beim Grünen ist alles ungefähr dasselbige, nur matter, gedämpfter, weniger Gelb, mehr Blau. Am Blauen erscheint der rote Rand bräunlich und stark abgesetzt, der gelbe Saum macht eine Art von schmutzigem Grün, der blaue Rand ist sehr begünstigt und erscheint fast in der Größe des Bildes selbst. Er endigt in einen lebhaften violetten Saum. Diese drei Bilder, gelb, grün und blau, scheinen sich stufenweise herabzusenken und einem Unaufmerksamen die Lehre der diversen Refrangibilität zu begünstigen. Nun tritt aber die merkwürdige Erscheinung des Violetten ein, welche wir schon oben (45) angedeutet haben. Verhältnismäßig zum Violetten ist der gelbrote Rand nicht widersprechend; denn Gelbrot und Blaurot bringen bei apparenten Farben Purpur hervor. Weil nun hier die Farbe des durchscheinenden Glases auch auf einem hohen Grade von Reinheit steht, so verbindet sie sich mit dem an ihr entspringenden gelbroten Rand; es entsteht eine Art von bräunlichem Purpur, und das Violette bleibt mit seiner obern Grenze unverrückt, indes der untere violette Saum sehr weit und lebhaft herabwärts strebt. Dass ferner das gelbrote Bild an der obern Grenze begünstigt wird und also auf der Linie bleibt, versteht sich von selbst, sowie dass an der untern wegen des Widerspruchs kein Blau und also auch kein daraus entspringendes Violett entstehen kann, sondern vielmehr etwas Schmutziges daselbst zu sehen ist.
168.
Will man diese Versuche noch mehr vermannigfaltigen, so nehme man farbige Fensterscheiben und klebe Bilder von Pappe auf dieselben. Man stelle sie gegen die Sonne, so dass diese Bilder dunkel auf farbigem Grund erscheinen, und man wird die umgekehrten Ränder, Säume und ihre Vermischung mit der Farbe des Glases abermals gewahr werden. ja, man mag die Vorrichtung vermannigfaltigen, soviel man will, so wird das Falsche jenes ersten Newtonischen Versuchs und aller der übrigen, die sich auf ihn beziehen, dem Freunde des Wahren, Geraden und Folgerechten immer deutlicher werden.
Achter Versuch
169.
Der Verfasser lässt das prismatische Bild auf ein gedrucktes Blatt fallen und wirft sodann durch die Linse des zweiten Experiments diese farbig erleuchtete Schrift auf eine weiße Tafel. Hier will er denn auch wie dort die Buchstaben im blauen und violetten Licht näher an der Linse, die im roten aber weiter von der Linse deutlich gesehen haben. Der Schluss, den er daraus zieht, ist uns schon bekannt, und wie es mit dem Versuche, welcher nur der zweite, jedoch mit apparenten Farben, wiederholt, beschaffen sein mag, kann sich jeder im allgemeinen vorstellen, dem jene Ausführung gegenwärtig geblieben. Allein es treten noch besondere Umstände hinzu, die es rätlich machen, auch den gegenwärtigen Versuch genau durchzugehen, und zwar dabei in der Ordnung zu verfahren, welche wir bei jenem zweiten der Sache gemäß gefunden, damit man völlig einsehe, inwiefern diese beiden Versuche parallel gehen und inwiefern sie voneinander abweichen.
170.
1) Das Vorbild (54-57). In dem gegenwärtigen Falle stehen die Lettern der Druckschrift anstatt jener schwarzen Fäden, und nicht einmal so vorteilhaft; denn sie sind von den apparenten Farben mehr oder weniger überlasiert. Aber der von Newton hier wie dort vernachlässigte Hauptpunkt ist dieser: dass die verschiedenen Farben des Spektrums an Hellung ungleich sind. Denn das prismatische Sonnenbild zerfällt in zwei Teile, in eine Tag- und Nachtseite. Gelb und Gelbrot stehen auf der ersten, Blau und Blaurot auf der zweiten. Die unterliegende Druckschrift ist in der gelben Farbe am deutlichsten, im Gelbroten weniger; denn dieses ist schon gedrängter und dunkler. Blaurot ist durchsichtig, verdünnt, aber beleuchtet wenig. Blau ist gedrängter, dichter, macht die Buchstaben trüber, oder vielmehr seine Trübe verwandelt die Schwärze der Buchstaben in ein schönes Blau, deswegen sie vom Grunde weniger abstechen. Und so erscheint nach Maßgabe so verschiedener Wirkungen diese farbig beleuchtete Schrift, dieses Vorbild, an verschiedenen Stellen verschieden deutlich.
171.
Außer diesen Mängeln des hervorgebrachten Bildes ist die Newtonische Vorrichtung in mehr als einem Sinne unbequem. Wir haben daher eine neue ersonnen, die in folgendem besteht. Wir nehmen einen Rahmen, der zu unserm Gestelle (69) passt, überziehen denselben mit Seidenpapier, worauf wir mit starker Tusche verschiedene Züge, Punkte u. dgl. kalligraphisch anbringen und sodann den Grund mit feinem öl durchsichtig machen. Diese Tafel kommt völlig an die Stelle des Vorbildes zum zweiten Versuche. Das prismatische Bild wird von hinten darauf geworden, die Linse ist nach dem Zimmer zu gerichtet, und in gehöriger Entfernung steht die zweite Tafel, worauf die Abbildung geschehen soll. Eine solche Vorrichtung hat große Bequemlichkeiten, indem sie diesen Versuch dem zweiten gleichstellt, auch sogar darin, dass die Schattenstriche rein schwarz dastehen und nicht von den prismatischen Farben überlasiert sind.
172.
Hier drängt sich uns abermals auf, dass durchaus das experimentierende Verfahren Newtons deshalb tadelhaft ist, weil er seinen Apparat mit auffallender Ungleichheit einmal zufällig ergreift, wie ihm irgend etwas zur Hand kommt, dann aber mit Komplikation und Überkünstelung nicht fertig werden kann.
173.
Ferner ist hier zu bemerken, dass Newton sein Vorbild behandelt, als wär› es unveränderlich wie das Vorbild des zweiten Versuchs, da es doch wandelbar ist. Natürlicherweise lässt sich das hier auf der Rückseite des durchsichtigen Papiers erscheinende Bild, durch ein entgegengesetztes Prisma angesehen, auf den Nullpunkt reduzieren und sodann völlig umkehren. Wie sich durch Linsen das prismatische Bild verändern lässt, erfahren wir künftig, und wir halten uns um so weniger bei dieser Betrachtung auf, als wir zum Zwecke des gegenwärtigen Versuchs dieses Bild einstweilen als ein fixes annehmen dürfen.
174.
2) Die Beleuchtung (57). Die apparenten Farben bringen ihr Licht mit; sie haben es in und hinter sich. Aber doch sind die verschiedenen Stellen des Bildes nach der Natur der Farben mehr oder weniger beleuchtet und daher jenes Bild der überfärbten Druckschrift höchst ungleich und mangelhaft. Überhaupt gehört dieser Versuch sowie der zweite ins Fach der Camera obscura. Man weiß, dass alle Gegenstände, welche sich in der dunklen Kammer abbilden sollen, höchst erleuchtet sein müssen. Bei der Newtonischen sowie bei unserer Vorrichtung aber ist es keine Beleuchtung des Gegenstandes, der Buchstaben oder der Züge, sondern eine Beschattung derselben, und zwar eine ungleiche; deshalb auch Buchstaben und Züge als ganze Schatten in helleren oder dunkleren Halbschatten und Halblichtern sich ungleich darstellen müssen. Doch hat auch in diesem Betracht die neuere Vorrichtung große Vorzüge, wovon man sich leicht überzeugen kann.
175.
3) Die Linse (58-69). Wir bedienen uns eben derselben, womit wir den zweiten Versuch anstellten, wie überhaupt des ganzen dort beschriebenen Apparates.
176.
4) Das Abbild (70-76). Da nach der Newtonischen Weise schon das Vorbild sehr ungleich und undeutlich ist, wie kann ein deutliches Abbild entstehen! Auch legt Newton, unsern angegebenen Bestimmungen gemäß, ein Bekenntnis ab, wodurch er, wie öfters geschieht, das Resultat seines Versuches wieder aufhebt. Denn ob er gleich zu Anfang versichert, er habe sein Experiment im Sommer bei dem hellsten Sonnenschein angestellt, so kommt er doch zuletzt mit einer Nachklage und Entschuldigung, damit man sich nicht wundern möge, wenn die Wiederholung des Versuchs nicht sonderlich gelänge. Wir hören ihn selbst:
177.
Das gefärbte Licht des Prismas war aber doch noch sehr zusammengesetzt, weil die Kreise, die ich in der zweiten Figur des fünften Experiments beschrieben habe, sich ineinander schoben und auch das Licht von glänzenden Wolken, zunächst bei der Sonne, sich mit diesen Farben vermischte; ferner weil das Licht durch die Ungleichheiten in der Politur des Prismas unregelmäßig zersplittert wurde. Um aller dieser Nebenumstände willen war das farbige Licht, wie ich sagte, noch so mannigfaltig zusammengesetzt, dass der Schein von jenen schwachen und dunklen Farben, dem Blauen und Violetten, der auf das Papier fiel, nicht so viel Deutlichkeit gewährte, um eine gute Beobachtung zuzulassen.
178.
Das Unheil solcher Reservationen und Restriktionen geht durch das ganze Werk. Erst versichert der Verfasser, er habe bei seinen Vorrichtungen die größte Vorsicht gebraucht, die hellsten Tage abgewartet, die Kammer hermetisch verfinstert, die vortrefflichsten Prismen ausgewählt, und dann will er sich hinter Zufälligkeiten flüchten, dass Wolken vor der Sonne gestanden, dass durch eine schlechte Politur das Prisma unsicher geworden sei. Der homogenen, nie zu homogenisierenden Lichter nicht zu gedenken, welche sich einander verwirren, verunreinigen, ineinander greifen, sich stören und niemals das sind, noch werden können, was sie sein sollen. Mehr als einmal muss uns daher jener berühmte theatralische Hetman der Kosaken einfallen, welcher sich ganz zum Newtonianer geschickt hätte. Denn ihn würde es vortrefflich kleiden, mit großer Behaglichkeit auszurufen: »Wenn ich Zirkel sage, so mein› ich eben, was nicht rund ist; sage ich gleichartig, so heißt das immer noch zusammengesetzt, und sag› ich weiß, so kann es fürwahr nichts anders heißen als schmutzig.«
179.
Betrachten wir nunmehr die Erscheinung nach unserer Anstalt, so finden wir die schwarzen Züge deutlicher oder undeutlicher, nicht in bezug auf die Farben, sondern aufs Hellere oder Dunklere derselben, und zwar sind die Stufen der Deutlichkeit folgende: Gelb, Grün, Blau, Gelbrot und Blaurot; da denn die beiden letztern, je mehr sie sich dem Rande, dem Dunklen nähern, die Züge immer undeutlicher darstellen.
180.
Ferner ist hierbei ein gewisser Bildpunkt offenbar, in welchem so wie auf der Fläche, die ihn parallel mit der Linse durchschneidet, die sämtlichen Abbildungen am deutlichsten erscheinen. Indessen kann man die Linse von dem Vorbilde ab- und zu dem Vorbilde zurücken, so dass der Unterschied beinahe einen Fuß beträgt, ohne dass das Abbild merklicher undeutlich werde.
181.
Innerhalb dieses Raumes hat Newton operiert, und nichts ist natürlicher, als dass die von den helleren prismatischen Farben erleuchteten Züge auch da schon oder noch sichtbar sind, wenn die von den dunkleren Farben erleuchteten oder vielmehr beschatteten Züge verschwinden. Dass aber, wie Newton behauptet, die von den Farben der Tagseite beleuchteten Buchstaben alsdann undeutlich werden, wenn die von der Nachtseite her beschienenen deutlich zu sehen sind, ist ein für allemal nicht wahr, so wenig wie beim zweiten Experimente, und alles, was Newton daher behaupten will, fällt zusammen.
182.
5) Die Folgerung. Gegen diese bleibt uns nach allem dem, was bisher ausgeführt und dargetan worden, weiter nichts zu wirken übrig.
183.
Ehe wir aber uns aus der Gegend dieser Versuche entfernen, so wollen wir noch einiger andern erwähnen, die wir bei dieser Gelegenheit anzustellen veranlasst worden. Das zweite Experiment so energisch als möglich darzustellen, brachten wir verschiedenfarbige, von hinten wohl erleuchtete Scheiben an die Stelle des Vorbildes und fanden, was vorauszusehen war, dass sich die durch ausgeschnittene Pappe oder sonst auf denselben abzeichnenden dunklen Bilder auch nur nach der verschiedenen Helle oder Dunkelheit des Grundes mehr oder weniger auszeichneten. Dieser Versuch führte uns auf den Gedanken, gemalte Fensterscheiben an die Stelle des Vorbildes zu setzen, und alles fand sich einmal wie das andre Mal.
184.
Hiervon war der Übergang zur Zauberlaterne ganz natürlich, deren Erscheinungen mit dem zweiten und achten Versuche Newtons im wesentlichen zusammentreffen; überall spricht sich die Wahrheit der Natur und unserer naturgemäßen Darstellung sowie das Falsche der Newtonischen verkünstelten Vorstellungsart energisch aus.
185.
Nicht weniger ergriffen wir die Gelegenheit, in einer portativen Camera obscura an einem Festtage bei dem hellsten Sonnenschein die buntgeputzten Leute auf dem Spaziergange anzusehen. Alle nebeneinander sich befindenden variegierten Kleider waren deutlich, sobald die Personen in den Bildpunkt oder in seine Region kamen; alle Muster zeigten sich genau, es mochte bloß Hell und Dunkel oder beides mit Farbe oder Farbe mit Farbe wechseln. Wir können also hier abermals kühn wiederholen, dass alles natürliche und künstliche Sehen unmöglich wäre, wenn die Newtonische Lehre wahr sein sollte.
186.
Der Hauptirrtum, dessen Beweis man durch den achten sowie durch die zwei ersten Versuche erzwingen will, ist der, dass man farbigen Flächen, Farben, wenn sie als Massen im Malersinne erscheinen und wirken, eine Eigenschaft zuschreiben möchte, vermöge welcher sie, nach der Refraktion, früher oder später in irgendeinem Bildpunkt anlangen; da es doch keinen Bildpunkt ohne Bild gibt und die Aberration, die bei Verrückung des Bildes durch Brechung sich zeigt, bloß an den Rändern vorgeht, die Mitte des Bildes hingegen nur in einem äußersten Falle affiziert wird. Die diverse Refrangibilität ist also ein Märchen. Wahr aber ist, dass Refraktion auf ein Bild nicht rein wirkt, sondern ein Doppelbild hervorbringt, dessen Eigenschaft wir in unserm Entwurf genugsam klargemacht haben.