Durch die entdeckten Eigenschaften des Lichts die prismatischen Farben zu erklären.
597.
Sollte man nicht mit Verwunderung fragen, wie denn eigentlich dieses Problem hierher komme? Vom ersten Anfang seiner Optik an ist Newton bemüht, vermittelst der prismatischen Farben die Eigenschaften des Lichts zu entdecken. Wäre es ihm gelungen, so würde nichts leichter sein, als die Demonstration umzukehren und aus den offenbarten Eigenschaften des Lichts die prismatischen Farben herzuleiten.
598.
Allein es liegt diesem Problem abermals eine Tücke zum Grunde. In der hierher gehörigen Figur, welche zu seinem zweiten Teil die zwölfte ist und auf unserer siebenten Tafel mit Nr. 9 bezeichnet worden, bringt er zum erstenmal das zwischen den beiden farbigen Randerscheinungen unveränderte Weiß entschieden vor, nachdem er solches früher mehrmals und zuletzt bei dem dreizehnten Versuch, wo er zwei Prismen anwendete, stillschweigend eingeführt hatte. Dort wie hier bezeichnet er jede der beiden Randerscheinungen mit fünf Linien, wodurch er anzudeuten scheinen möchte, dass an beiden Enden jedesmal das ganze Farbensystem hervortrete. Allein genau besehen, lässt er die uns wohlbekannten Randerscheinungen endlich einmal gelten; doch anstatt durch ihr einfaches Zusammenneigen das Grün hervorzubringen, lässt er, wunderlich genug, die Farben hintereinander aufmarschieren, sich einander decken, sich mischen und will nun durch diese Wort- und Zeichenmengerei das Weiß hervorgebracht haben, das freilich in der Erscheinung da ist, aber an und für sich, ohne erst durch jene farbigen Lichter zu entspringen, die er hypothetisch übereinanderschiebt.
599.
So sehr er sich nun auch bemüht, mit griechischen und lateinischen Buchstaben seine so falsche als ungereimte und abstruse Vorstellungsart fasslich zu machen, so gelingt es ihm doch nicht, und seine treuen, gläubigen Schüler fanden sich genötigt, diese linearische Darstellung in eine tabellarische zu verwandeln.
600.
Green in Halle hat, indem er sich unsern unschuldigen optischen Beiträgen mit pfäffischem Stolz und Heftigkeit widersetzte, eine solche tabellarische Darstellung mit Buchstaben ausgearbeitet, was die Verrückung des hellen Bildes betrifft. Der Rezensent unserer Beiträge in der Jenaischen Litteratur-Zeitung hat die nämliche Bemühung wegen Verrückung eines dunklen Bildes übernommen. Weil aber eine solche Buchstabenkrämerei nicht von jedem an- und durchgeschaut werden kann, so haben wir unsere neunte und zehnte Tafel einer anschaulichen Darstellung gewidmet, wo man die prismatischen Farbensysteme teils zusammen, teils in Divisionen und Detachements, en echelon* hintereinander, als farbige Quadrate vertikal aufmarschieren sieht, da man sie denn horizontal mit den Augen sogleich zusammensummieren und die lächerlichen Resultate, welche nach Newton und seiner Schule auf diese Weise entspringen sollen, mit bloßem Geradsinn beurteilen kann.
601.
Wir haben auf denselbigen Tafeln noch andere solche Farbenreihen aufgeführt, um zugleich des wunderlichen Wünsch seltsame Reduktion der prismatischen Farbenerscheinung deutlich zu machen, der, um die Newtonische Darstellung zu retten, dieselbe epitomisiert und mit der wunderlichsten Intrige, indem er das Geschäft zu vereinfachen glaubte, noch mehr verunnaturt hat.
602.
Wir versparen das Weitere hierüber bis zur Erklärung der Tafeln, da es uns denn mit Gunst unserer Leser wohl erlaubt sein wird, uns über diese Gegner und Halbgegner sowohl als ihren Meister zur Entschädigung für so viele Mühe billigermaßen lustig zu machen.
Sechzehnter Versuch
603.
Dieses aus der bloßen Empirie genommene und dem bisherigen hypothetischen Verfahren nur gleichsam angeklebte, durch eine ungeschickte Figur, die dreizehnte des zweiten Teils, keineswegs versinnlichte Phänomen müssen wir erst zum Versuch erheben, wenn wir verstehen wollen, worauf er eigentlich deute.
604.
Man stelle sich mit einem Prisma an ein offenes Fenster, wie gewöhnlich den brechenden Winkel unter sich gekehrt; man lehne sich so weit vor, dass nicht etwa ein oberes Fensterkreuz durch Refraktion erscheine; alsdann wird man oben am Prisma unter einem dunklen Rand einen gelben Bogen erblicken, der sich an dem hellen Himmel herzieht. Dieser dunkle Rand entspringt von dem äußern oberen Rande des Prismas, wie man sich sogleich überzeugen wird, wenn man ein Stückchen Wachs über denselben hinaus klebt, welches innerhalb des farbigen Bogens recht gut gesehen werden kann.
Unter diesem gelben Bogen erblickt man sodann den klaren Himmel, tiefer den Horizont, er bestehe nun aus Häusern oder Bergen, welche nach dem Gesetz blau und blaurot gesäumt erscheinen.
Nun biege man das Prisma immer mehr nieder, indem man immer fortfährt, hineinzusehen. Nach und nach werden die Gebäude, der Horizont sich zurücklegen, endlich ganz verschwinden, und der gelbe und gelbrote Bogen, den man bisher gesehen, wird sich sodann in einen blauen und blauroten verwandeln, welches derjenige ist, von dem Newton spricht, ohne des vorhergehenden und dieser Verwandlung zu erwähnen.
605.
Dieses ist aber auch noch kein Experiment, sondern ein bloßes empirisches Phänomen. Die Vorrichtung aber, welche wir vorschlagen, um von dieser Erscheinung das Zufällige wegzunehmen und sie in ihren Bedingungen zugleich zu vermannigfaltigen und zu befestigen, wollen wir sogleich angeben, wenn wir vorher noch eine Bemerkung gemacht haben. Das Phänomen, wie es sich uns am Fenster zeigt, entspringt, indem der helle Himmel über der dunklen Erde steht. Wir können es nicht leicht umkehren und uns einen dunklen Himmel und eine helle Erde verschaffen. Eben dieses gilt von Zimmern, in welchen die Decken meistens hell und die Wände mehr oder weniger dunkel sind.
606.
In diesem Sinne mache man in einem mäßig großen und hohen Zimmer folgende Vorrichtung. In dem Winkel, da, wo die Wand sich von der Decke scheidet, bringe man eine Bahn schwarzes Papier neben einer Bahn weißen Papiers an; an der Decke dagegen bringe man, in gedachtem Winkel zusammenstoßend, über der schwarzen Bahn eine weiße, über der weißen eine schwarze an und betrachte nun diese Bahnen neben- und übereinander auf die Weise, wie man vorher zum Fenster hinaussah. Der Bogen wird wieder erscheinen, den man aber freilich von allen andern, welche Ränder oder Leisten verursachen, unterscheiden muss. Wo der Bogen über die weiße Bahn der Decke geht, wird er wie vorher, als er über den weißen Himmel zog, gelb, wo er sich über die schwarze Bahn zieht, blau erscheinen. Senkt man nun wieder das Prisma, so dass die Wand sich zurückzulegen scheint, so wird der Bogen sich auf einmal umkehren, wenn er über die umgekehrten Bahnen der Wand herläuft; auf der weißen Bahn wird er auch hier gelb und auf der schwarzen blau erscheinen.
607.
Ist man hiervon unterrichtet, so kann man auch in der zufälligen Empirie, beim Spazieren gehen in beschneiten Gegenden, bei hellen Sandwegen, die an dunklen Rasenpartien herlaufen, dasselbige Phänomen gewahr werden. Um diese Erscheinung, welche umständlich auszulegen, ein größerer Aufsatz und eine eigene Tafel erfordert würde, vorläufig zu erklären, sagen wir nur soviel, dass bei diesem Refraktionsfalle, welcher die gerade vor uns stehenden Gegenstände herunterzieht, die über uns sich befindenden Gegenstände oder Flächen, indem sich wahrscheinlich eine Reflexion mit in das Spiel mischt, gegen den obern Rand des Prismas getrieben und an demselben, je nachdem sie hell oder dunkel sind, nach dem bekannten Gesetze gefärbt werden. Der Rand des Prismas erscheint als Bogen, wie alle vor uns liegende horizontale Linien durch das Prisma die Gestalt eines Bogens annehmen.