Ein Venezianer und aufmerksamer Liebhaber der Dioptrik fasste ein ganz richtiges Aperçu gegen Newton und fühlte, wie natürlich, einen großen Reiz, andern seine Entdeckung mitzuteilen und einleuchtend zu machen. Er verbreitete seine Meinung durch Briefe und reisende Freunde, fand aber überall Gegner. In Deutschland wurden seine Argumente in die Acta Eruditorum eingerückt. Professor Georg Friedrich Richter in Leipzig setzte sich dagegen; in England experimentierte und argumentierte Desaguliers gegen ihn, in Frankreich Gauger, in Italien die Bologneser Sozietät.
Er gab zuerst ein Diarium einer Reise durch Italien vor dem Jahre 1724 mit Nachträgen heraus, wovon man einen Auszug in die Acta Eruditorum setzte. (Supplemente der selben Tom. VIII p. 127.)
Bei Gelegenheit, dass Rizzetti die Frage aufwirft, wie es möglich sei, dass man die Gegenstände mit bloßen Augen farblos sähe, wenn es mit der von Newton bemerkten und erklärten farbigen Aberration seine Richtigkeit habe, bringt er verschiedene Einwendungen gegen die Newtonischen Experimente sowie auch gegen die Theorie vor. Richter schreibt dagegen (Tom. eod. p. 226). Darauf lässt sich Rizzetti wieder vernehmen und fügt noch einen Anhang hinzu (p. 303 f.). Aus einer neu veränderten Ausgabe des ersten Rizzettischen Aufsatzes findet sich gleichfalls ein Auszug (p. 234), und ein Auszug aus einem Briefe des Rizzetti an die Londoner Sozietät (p. 236).
Richter verteidigt sich gegen Rizzetti (A. E. 1724, p. 27). Dieser gibt heraus: Specimen physico- mathematicum de Luminis affectionibus, Tarvisii et Venet. 1727. 8. Einzelne Teile daraus waren früher erschienen: De Luminis refractione, Auctore Rizzetto (Siehe A. E. 1726. Nr. 10.) De Luminis reflexione, Auctore Rizzetto (Siehe A. E. suppl. Tom. IX, Sect. 2. Nr. 4).
Gedachtes Werk darf keinem Freunde der Farbenlehre künftighin unbekannt bleiben. Wir machen zu unsern gegenwärtigen historischen Zwecken daraus einen flüchtigen Auszug.
Er nimmt an, das Licht bestehe aus Teilen, die sich ungern voneinander entfernen, aber doch durch Refraktion voneinander getrennt werden; dadurch entstehe die Dispersion desselben, welche Grimaldi sich schon ausgedacht hatte. Rizzetti nimmt leider auch noch Strahlen an, um mit denselben zu operieren.
Man sieht, dass diese Vorstellungsart viel zu nah an der Newtonischen liegt, um als Gegensatz derselben Glück zu machen.
Rizzettis dispergiertes Licht ist nur ein Halblicht; es kommt in ein Verhältnis zum Hellen oder Dunkeln, daraus entsteht die Farbe. Wir finden also, dass er auf dem rechten Wege war, indem er eben dasselbe abzuleiten sucht, was wir durch Doppelbild und Trübe ausgesprochen haben.
Der mathematische Teil seines Werks sowie das, was er im allgemeinen von Refraktion, Reflexion und Dispersion handelt, liegt außer unserm Kreise. Das übrige, was uns näher angeht, kann man in den polemischen und den didaktischen Teil einteilen.
Die Mängel der Newtonischen Lehre, das Kaptiose und Unzulängliche ihrer Experimente sieht Rizzetti recht gut ein. Er führt seine Kontrovers nach der Ordnung der Optik und ist den Newtonischen Unrichtigkeiten ziemlich auf der Spur; doch durchdringt er sie nicht ganz und gibt zum Beispiel gleich bei dem ersten Versuch ungeschickterweise zu, dass das blaue und rote Bild auf dunklem Grunde wirklich ungleich verrückt werde, da ihm doch sonst die Erscheinung der Säume nicht unbekannt ist. Dann bringt er die beiden Papiere auf weißen Grund, wo denn freilich durch ganz andere Säume für den Unbefangenen die Unrichtigkeit, die sich auf schwarzem Grunde versteckt, augenfällig werden muss.
Aber sein Widersacher, Richter in Leipzig, erhascht sogleich das Argument gegen ihn, dass die unter diesen Bedingungen erscheinenden Farben sich vom weißen Grunde herschreiben: eine ungeschickte Behauptung, in welcher sich jedoch die Newtonianer bis auf den heutigen Tag selig fühlen und welche auch mit großer Selbstgenügsamkeit gegen uns vorgebracht worden.
Seiner übrigen Kontrovers folgen wir nicht: sie trifft an vielen Orten mit der unsrigen überein, und wir gedenken nicht zu leugnen, dass wir ihm manches schuldig geworden, so wie noch künftig manches aus ihm zu nutzen sein wird.
In seinem didaktischen Teile findet man ihn weiter vorgerückt als alle Vorgänger, und er hätte wohl verdient, dass wir ihn mit Theophrast und Boyle unter den wenigen genannt, welche sich bemüht, die Masse der zu ihrer Zeit bekannten Phänomene zu ordnen. In seiner Einteilung der Farben sind alle die Bedingungen beachtet, unter welchen uns die Farbe erscheint. Er hat unsere physiologischen Farben unter der Rubrik der phantastischen oder imaginären, unsere physischen unter der doppelten der variierenden, welche wir die dioptrischen der ersten Klasse, und der apparenten, welche wir die dioptrischen der zweiten Klasse genannt, vorgetragen. Unsere chemischen Farben finden sich bei ihm unter dem Titel der permanenten oder natürlichen.
Zum Grunde von allen Farbenerscheinungen legt er, wie schon oben bemerkt, dasjenige, was wir unter der Lehre von trüben Mitteln begreifen. Er nennt diese Farben die variierenden, weil ein trübes Mittel, je nachdem es Bezug auf eine helle oder dunkle Unterlage hat, verschiedene Farben zeigt. Auf diesem Wege erklärt er auch die Farben der Körper, wie wir es auf eine ähnliche Weise getan haben.
Die apparenten leitet er gleichfalls davon ab und nähert sich dabei unserer Darstellung vom Doppelbild; weil er aber das Doppelbild nicht als Faktum stehen lässt, sondern die Ursache desselben zugleich mit erklären will, so muss er seine Dispersion herbeibringen, wodurch denn die Sache sehr mühselig wird.
So sind auch seine Figuren höchst unerfreulich und beschwerlich zu entziffern; dahingegen die Newtonischen, obgleich meistens falsch, den großen Vorteil haben, bequem zu sein und deshalb fasslich zu scheinen.
Bei den physiologischen, seinen imaginären, bemerkt er recht gut den Unterschied der abklingenden Farbenerscheinung auf dunklem und hellem Grunde; weil ihm aber das wichtige, von Plato anerkannte Fundament von allem, die Synkrisis durchs Schwarze, die Diakrisis durchs Weiße bewirkt, abgeht, weil er auch die Forderung der entgegengesetzten Farben nicht kennt, so bringt er das Ganze nicht auf eine Art zusammen, die einigermaßen befriedigend wäre.
Übrigens rechnen wir es uns zur Ehre und Freude, ihn als denjenigen anzuerkennen, der zuerst am ausführlichsten und tüchtigsten das, wovon auch wir in der Farbenlehre überzeugt sind, nach Beschaffenheit der Erfahrung seiner Zeit ausgesprochen hat.
Dissaguliers gegen Rizzetti
Als in den Leipziger Actis Eruditorum (Supplem. Tom. 8. § 3. p. 130. 131) einiger Einwürfe Rizzettis gegen Newton erwähnt ward, wiederholt Desaguliers das Experiment, wovon die Rede ist, 1722 vor der Sozietät zu London und gibt davon in den Philosophischen Transaktionen Vol. 32, pag. 206 eine kurze Nachricht.
Es ist das zweite Experiment des ersten Buchs der Optik, bei welchem ein hellrotes und ein dunkelblaues Papier, beide mit schwarzen Fäden umwunden, durch eine Linse auf einer weißen Tafel abgebildet werden; da denn das rote Bild oder vielmehr das Bild der schwarzen Fäden auf rotem Grunde sich ferner von der Linse, und das blaue Bild oder vielmehr das Bild der schwarzen Fäden auf blauem Grunde sich näher an der Linse deutlich zeigen soll. Wie es damit stehe, haben wir im polemischen Teil umständlich genug auseinandergesetzt und hinlänglich gezeigt, dass hier nicht die Farbe, sondern das mehr oder weniger Abstechende des Hellen und Dunkeln Ursache ist, dass zu dem einen Bilde der Abbildungspunkt schärfer genommen werden muss, da bei dem andern ein laxerer schon hinreichend ist.
Desaguliers, ob er gleich behauptet, sein Experiment sei vortrefflich gelungen, muss doch zuletzt auf dasjenige, worauf wir festhalten, in einem Notabene hindeuten; wie er denn, nach Newtonischer Art, die Hauptsachen in Noten und Notabene nachbringt, und so sagt er: Man muss Sorge tragen, dass die Farben ja recht tief sind; denn indem ich zufälligerweise von dem Blauen abgestreift hatte, so war das Weiße der Karte unter dem Blauen schuld, dass auch dieses Bild weiter reichte, fast so weit als das Rote.
Ganz natürlich! Denn nun ward das Blaue heller und die schwarzen Fäden stachen besser darauf ab, und wer sieht nun nicht, warum Newton, bei Bereitung einer gleichen Pappe zu seinen zwei ersten Experimenten, einen schwarzen Grund unter die aufzustreichenden Farben verlangt?
Dieses Experiment, dessen ganzen Wert man in einem Notabene zurücknehmen kann, noch besser kennen zu lernen, ersuchen wir unsere Leser, besonders dasjenige nachzusehen, was wir im polemischen Teil zum sechzehnten Versuch (312 – 315) angemerkt haben.
Rizzetti hatte 1727 sein Werk herausgegeben, dessen einzelne Teile schon früher bekannt gemacht worden. Desaguliers experimentiert und argumentiert gegen ihn: man sehe die Philosophischen Transaktionen Nr. 406. Monat Dezember 1728.
Zuerst beklagt sich Desaguliers über die arrogante Manier, womit Rizzetti dem größten Philosophen jetziger und vergangener Zeit begegne; über den triumphierenden Ton, womit er die Irrtümer eines großen Mannes darzustellen glaube. Darauf zieht er solche Stellen aus, die freilich nicht die höflichsten sind und von einem Schüler Newtons als Gotteslästerung verabscheut werden mussten. Ferner traktiert er den Autor als some people (so ein Mensch), bringt noch mehrere Stellen aus dem Werke vor, die er teils kurz abfertigt, teils auf sich beruhen lässt, ohne jedoch im mindesten eine Übersicht über das Buch zu geben. Endlich wendet er sich zu Experimenten, die sich unter verschiedene Rubriken begreifen lassen.
a) Zum Beweise der diversen Refrangibilität: 1. das zweite Experiment aus Newtons Optik; 2. das erste Experiment daher.
b) Refraktion und Reflexion an sich betreffend, meistens ohne Bezug auf Farbe, 3. 4. 5. 6. Ferner wird die Beugung der Strahlen bei der Refraktion, die Beugung der Strahlen bei der Reflexion nach Newtonischen Grundsätzen entwickelt und diese Phänomene der Attraktion zugeschrieben. Die Darstellung ist klar und zweckmäßig, obgleich die Anwendung auf die divers refrangiblen Strahlen misslich und peinlich erscheint. In 7. und 8. wird die durch Berührung einer Glasfläche mit dem Wasser auf einmal aufgehobene Reflexion dargestellt, wobei die Bemerkung gemacht wird, dass die durch Refraktion und Reflexion gesehenen Bilder deutlicher sein sollen als die durch bloße Reflexion gesehenen, zum Beweis, dass das Licht leichter durch dichte als durch dünne Mittel gehe.
c) Als Zugabe 9. der bekannte Newtonische Versuch, der sechzehnte des zweiten Teils: wenn man unter freiem Himmel auf ein Prisma sieht, da sich denn ein blauer Bogen zeigt. Wir haben an seinem Orte diesen Versuch umständlich erläutert und ihn auf unsre Erfahrungssätze zurückgeführt.
Diese Experimente wurden vorgenommen vor dem damaligen Präsidenten der Sozietät Hans Sloane, vier Mitgliedern derselben, Engländern, und vier Italienern, welche sämtlich den guten Erfolg der Experimente bezeugten. Wie wenig aber hierdurch eigentlich ausgemacht werden können, besonders in Absicht auf Farbentheorie, lässt sich gleich daraus sehen, dass die Experimente 3 bis 8 inclus. sich auf die Theorie der Refraktion und Reflexion im allgemeinen beziehen, und dass die sämtlichen Herren von den drei übrigen Versuchen nichts weiter bezeugen konnten, als was wir alle Tage auch bezeugen können: dass nämlich unter den gegebenen beschränkten Bedingungen die Phänomene so und nicht anders erscheinen. Was sie aber aussprechen und aus sagen, das ist ganz was anderes, und das kann kein Zuschauer bezeugen, am wenigsten solche, denen man die Versuche nicht in ihrer ganzen Fülle und Breite vorgelegt hat.
Wir glauben also der Sache nunmehr überflüssig genuggetan zu haben und verlangen vor wie nach von einem jeden, der sich dafür interessiert, dass er alle Experimente, so oft als es verlangt wird, darstellen könne.
Was übrigens Desaguliers betrifft, so ist der vollständige Titel des von ihm herausgegebenen Werkes: A Course of Experimental Philosophy by John Theophilus Desaguliers, L. L. D. F. R. S. Chaplain to his Royal Highness Frederick Prince of Wales, formerly of Hart Hall (now Hertford College) in Oxford. London.
Die erste Auflage des ersten Teils ist von 1734 und die zweite von 1745. Der zweite Band kam 1744 heraus. In der Vorrede des zweiten Teils pag. VII ist eine Stelle merkwürdig, warum er die Optik und so auch die Licht- und Farbenlehre nicht behandelt.
Gauger
Gehört auch unter die Gegner Rizzettis. Von ihm sind uns bekannt:
Lettres de Mr. Gauger, sur la différente Refrangibilité de la Lumière et l’immutabilité de leurs couleurs, etc etc. Sie sind besonders abgedruckt, stehen aber auch in der Continuation des Mémoires de Littérature et d’Histoire Tom. V, p. I. Paris 1728, und ein Auszug daraus in den Memoires pour l’histoire des Sciences et des beaux arts. Trevoux. Juillet 1728.
Im ganzen lässt sich bemerken, wie sehr es Rizzetti muss angelegen gewesen sein, seine Meinung zu verbreiten und die Sache zur Sprache zu bringen. Was hingegen die Kontrovers betrifft, die Gauger mit ihm führt, so müssten wir alles das wiederholen, was wir oben schon beigebracht, und wir ersparen daher uns und unsern Lesern diese Unbequemlichkeit.