Athanasius Kircher

geboren 1601, gestorben 1680

Er gibt in dem Jahre 1646 sein Werk Ars magna lucis et umbrae heraus. Der Titel sowie das Motto Sicut tenebrae eius ita et lumen eius, verkündigen die glückliche Hauptmaxime des Buches. Zum erstenmal wird deutlich und umständlich ausgeführt, daß Licht, Schatten und Farbe als die Elemente des Sehens zu betrachten, wie denn auch die Farben als Ausgeburten jener beiden ersten dargestellt sind.
Nachdem er Licht und Schatten im allgemeinen behandelt, gelangt er im dritten Teile des ersten Buches an die Farbe, dessen Vorrede wir übersetzt einschalten.
Vorrede
«Es ist gewiß, daß in dem Umfange unseres Erdkreises kein dergestalt durchsichtiger Körper sich befinde, der nicht einige Dunkelheit mit sich führe. Daraus folgt, daß wenn kein dunkler Körper in der Welt wäre, weder eine Rückstrahlung des Lichtes, noch in den verschiedenen Mitteln eine Brechung desselben, und auch keine Farbe sichtbar sein würde, als jene erste, die zugleich im Lichte mit geschaffen ist. Hebt man aber die Farbe auf, so wird zugleich alles Sehen aufgehoben, da alles Sichtbare nur vermöge der gefärbten Oberfläche gesehen wird; ja der leuchtende Körper der Sonne könnte nicht einmal gesehen werden, wenn er nicht dunkel wäre, dergestalt daß er unserem Sehen widerstünde; woraus unwidersprechlich folgt, daß kein Licht ohne Schatten und kein Schatten ohne Licht auf irgendeine Weise sein könne. Ja der ganze Schmuck der Welt ist aus Licht und Schatten dergestalt bereitet, daß, wenn man eins von beiden wegnähme, die Welt nicht mehr Kosmos heißen, noch die verwundernswürdige Schönheit der Natur auf irgendeine Weise dem Gesicht sich darstellen könnte. Denn alles, was sichtlich in der Welt ist, ist es nur durch ein schattiges Licht oder einen lichten Schatten. Da also die Farbe die Eigenschaft eines dunklen Körpers ist, oder wie einige sagen, ein beschattetes Licht, des Lichts und des Schattens echte Ausgeburt, so haben wir hier davon zu handlen, auf daß die größte Zierde der irdischen Welt und wieviel Wundersames dadurch bewirkt werden kann, dem Leser bekannt werde.»
Erstes Kapitel. Unser Verfasser möchte, um sich sogleich ein recht methodisches Ansehn zu geben, eine Definition vorausschicken und wird nicht gewahr, daß man eigentlich ein Werk schreiben muß, um zur Definition zu kommen. Auch ist hier weiter nichts geleistet, als daß dasjenige angeführt und wiederholt wird, wie die Griechen sich über diesen Gegenstand auszudrücken pflegten.
Zweites Kapitel. Von der vielfachen Mannigfaltigkeit der Farben. Er hält sich hiebei an das Schema des Aguilonius, das er mit einiger Veränderung benutzt. Er behauptet, alle Farben seien wahr, worin er in gewissem Sinne recht hat, will von den andern Einteilungen nichts wissen, worin er didaktisch unrecht hat. Genug, er gründet sich darauf, daß jede Farbe, sie möge an Körpern oder sonst erscheinen, eine wahre entschiedene Ursache hinter sich habe.
Drittes Kapitel. Chromatismus der Luft. Er handelt von den Farben des Himmels und des Meeres und bringt verschiedene ältere Meinungen über die Bläue der Luft vor. Wir übersetzen die Stelle, welche seine eigenen Gedanken enthält, um den Leser urteilen zu lassen, wie nahe er an der echten Erklärungsart gewesen. Denn er fühlt die Bedeutsamkeit des nicht völlig Durchsichtigen, wodurch wir ja zunächst auf die Trübe hingeleitet werden.
Warum der Himmel blau erscheint
«Zuvörderst muß man wissen, daß unser Gesicht nichts sehen könne, als was eine Farbe hat. Weil aber das Gesicht nicht immer auf dunkle Körper oder Körper von gefärbter Oberfläche gerichtet ist, sondern auch sich in den unendlichen Luftraum und in die himmlischen durchsichtigen Fernen, welche keine Düsternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten; so war, damit eine solche Handlung nicht ihres Zweckes beraubt werde und sich im Grenzenlosen verliere, die Natur schuldig, jenem durchsichtigen unendlichen Mittel eine gewisse Farbe zu verleihen, auf  daß der Blick eine Grenze fände, nicht aber in Finsternis und Nichts ausliefe. Eine solche Farbe nun konnte weder Weiß, Gelb noch Rot sein, indem diese, als dem Licht benachbart und verwandt, einen unterliegenden Gegenstand verlangen, um gesehen werden zu können. Denn was nahe ist, vergleicht sich dem Lichte, und das Fernste der Finsternis. Deswegen auch helle Farben, wenn man sie in einem bestimmten Raum gewahr wird, desto mehr zum Schatten und zur Finsternis sich neigen, je mehr sie sich vom Lichte oder der Sehkraft entfernen. Der Blick jedoch, der in jene unendliche ätherische Räume dringt, sollte zuletzt begrenzt werden und war sowohl wegen der unendlichen Ferne als wegen der unendlichen Vermannigfaltigung der Luftschichten nur durch Finsternis zu begrenzen, eine schwarze Farbe aber wollte sich weder für die Augen, noch für die Welt schicken; deswegen beriet sich die Natur aufs weiseste, und zwischen den lichten Farben, dem Weißen, Gelben und Roten und dem eigentlich Finstern fand sich eine Mittelfarbe, nämlich die blaue, die aus einer ungleichen Mischung des Lichtes und der Finsternis bestand. Durch diese nun, wie durch einen höchst angenehmen Schatten, sollte der Blick begrenzt sein, daß er vom Hellen nicht so sehr zerstreut, vom Finstern nicht zu sehr zusammengezogen oder von dem Roten entzündet würde, und so stellte die Natur das Blaue dazwischen, zunächst an der Finsternis, so daß das Auge, ohne verletzt zu werden, die erfreulichen Himmelsräume durch ihre Vorsehung mit Vergnügen und Bewunderung betrachten kann.»
Die Naivetät, womit Kircher um die Sache herumgeht, ist merkwürdig genug. Man könnte sie komisch nennen, wenn man nicht dabei ein treues Bestreben wahrnähme. Und ist er es doch nicht allein, sind doch bis auf den heutigen Tag noch Menschen, denen die Vorstellungsart der Endursachen gefällt, weil sie wirklich etwas Geistiges hat und als eine Art von Anthropomorphism angesehen werden kann. Dem Aufmerksameren freilich wird nicht entgehen, daß man der Natur nichts abgewinnen kann, wenn man ihr, die bloß notwendig handelt, einen Vorsatz unterschiebt und ihren Resultaten ein zweckmäßiges Ansehen verleihen möchte.
Viertes Kapitel. Chromatismus der Brechung. Die Farben des Prismas erklärt er wie Antonius De Dominis dadurch, daß die hellsten Farben beim Durchgang durch die schwächste Seite des Glases, die dunkelsten beim Durchgang durch die stärksten Seiten des Glases entstehen.
Die Erfahrung mit dem nephritischen Holze trägt er weitläuftig vor.
Fünftes Kapitel. Chromatismus der Metalle, Gefärbtheit durchsichtiger Steine, der Salze, der Metallkalke.
Sechstes Kapitel. Chromatismus der Pflanzen. Besonders wird gefragt: wie man Pflanzen färben könne.
Siebentes Kapitel. Chromatismus der Tiere. Er bringt zur Sprache, warum Pferde nicht grün und blau sein können; warum die vierfüßigen Tiere nicht goldfarben aussehen, warum hingegen die Vögel und Insekten alle Arten von Farben annehmen. Auf welche Fragen durchaus er, wie man wohl erwarten kann, keine befriedigende Antwort gibt. Von den Farben des Chamäleons werden eigene Erfahrungen beigebracht.
Achtes Kapitel. Vom Urteil nach Farben, und zwar zuerst von den Farben des Himmels, der Wolken; Beurteilung der Steine, Pflanzen und Tiere nach den Farben. Hiezu werden Regeln gegeben. Beurteilung der Menschen, ihre Komplexion und sonstige Eigenschaften betreffend, nach den verschiedenen Farben der Haut, der Augen, der Haare. Der Farben des Urins wird gedacht, wobei zu bemerken ist, daß bei Gelegenheit des Urins die Farben schon früher zur Sprache gekommen, und wenn wir nicht irren, ein Büchlein Durinis der Abhandlung des Theophrast über die Farben bei einer früheren Edition hinzugefügt ist.
Kircher hat bei dem vielen, was er unternommen und geliefert, in der Geschichte der Wissenschaften doch einen sehr zweideutigen Ruf. Es ist hier der Ort nicht, seine Apologie zu übernehmen; aber so viel ist gewiß: die Naturwissenschaft kommt uns durch ihn fröhlicher und heiterer entgegen als bei keinem seiner Vorgänger. Sie ist aus der Studierstube, vom Katheder in ein bequemes wohlausgestattetes Kloster gebracht, unter Geistliche, die mit aller Welt in Verbindung stehen, auf alle Welt wirken, die Menschen belehren, aber auch unterhalten und ergetzen wollen.
Wenn Kircher auch wenig Probleme auflöst, so bringt er sie doch zur Sprache und betastet sie auf seine Weise. Er hat eine leichte Fassungskraft, Bequemlichkeit und Heiterkeit in der Mitteilung, und wenn er sich aus gewissen technischen Späßen, Perspektiv- und Sonnenuhr-Zeichnungen gar nicht loswinden kann, so steht die Bemerkung hier am Platze, daß, wie jenes im vorigen Jahrhundert bemerkliche höhere Streben nachläßt, wie man mit den Eigenschaften der Natur bekannter wird, wie die Technik zunimmt, man nun das Ende von Spielereien und Künsteleien gar nicht finden, sich durch Wiederholung und mannigfaltige Anwendung eben derselben Erscheinung, eben desselben Gesetzes, niemals ersättigen kann; wodurch zwar die Kenntnis verbreitet, die Ausübung erleichtert, Wissen und Tun aber zuletzt geistlos wird. Witz und Klugheit arbeiten indessen jenen Forderungen des Wunderbaren entgegen und machen die Taschenspielerei vollkommner.
Wir wollen hier noch zum Schlusse des Pater Bonacursius gedenken, der mit Kirchern auf die Dauer des Bildeindrucks im Auge aufmerksam ward. Zufälligerweise war es das Fensterkreuz, das sie von jener merkwürdigen physiologischen Erscheinung belehrte, und es ist ihnen als Geistlichen nicht zu verargen, daß sie zuerst der Heiligkeit dieser mathematischen Figur eine solche Wunderwirkung zuschreiben. Übrigens ist dies einer von den wenigen Fällen, wo eine Art von Aberglaube sich zur Betrachtung der Farbenerscheinung gesellt hat.