Der Newtonischen Optik Erstes Buch, Zweiter Teil
317.
Auch in diesem Teile sind falsche und kaptiöse Versuche, konfus genug, aber doch absichtlich, zusammengestellt. Man kann sie in eine polemische und in eine didaktische Masse sondern.
318.
Polemisch fängt der Verfasser an; denn nachdem er unumstößlich dargetan zu haben glaubt, die Farben seien wirklich im Lichte enthalten, so muss er die ältere, auf Erfahrung gegründete Vorstellungsart, dass nämlich zu den Farbenerscheinungen in Refraktionsfällen eine Grenze nötig sei, widerlegen, und er wähnt, solches mit den vier ersten Versuchen geleistet zu haben.
319.
Didaktisch urgiert er sodann aufs neue die Unveränderlichkeit des einmal hervorgebrachten homogenen Lichtes und die verschiedenen Grade der Refrangibilität. Hiermit beschäftigt er sich vom fünften bis zum achten Experiment. Späterhin im siebzehnten limitiert er, ja hebt er wieder auf, was er im fünften bewiesen hat.
320.
Nun aber beschäftigt er sich vom neunten bis zum fünfzehnten Versuch, etwas hervorzubringen und zu beweisen, woran ihm sehr viel gelegen sein muss. Wenn er nämlich aus dem farblosen Lichte und aus weißen Flächen die Farben hervorgelockt oder vielmehr das reine weiße Licht in Farben gespalten hat, so muss er ja auch, wenn er das Herausgebrachte wieder hineinbringt, das Gesonderte wieder zusammendrängt, jenes reine körperliche Weiß wiederherstellen.
321.
Da wir aber genugsam überzeugt sind, dass die Farbe nicht aus einer Teilung des Lichtes entstehe, sondern vielmehr durch den Zutritt einer äußeren Bedingung, die unter mancherlei empirischen Formen, als des Trüben, des Schattens, der Grenze, sich ausspricht, so erwarten wir wohl, Newton werde sich seltsam gebärden müssen, um das bedingte, getrübte, überschattete, beschattete Licht mit Inbegriff dieser Bedingung als reines weißes Licht darzustellen, um aus dunklen Farben ein helles Weiß zu mischen.
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Indem er also hier gleichsam die Probe auf sein erstes Rechnungsexempel machen will, zeigen will, dass dasjenige, was er durch bloße Trennung hervorgebracht, abermals durch bloße Verbindung jenes erste Resultat geben müsse, so stellt sich ihm durchaus das dritte, die äußere Bedingung, die er beseitigt zu haben glaubt, in den Weg, und so muss er Sinne, sinnlichen Eindruck, Menschenverstand, Sprachgebrauch und alles verleugnen, wodurch sich jemand als Mensch, als Beobachter, als Denker betätigt.
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Wie dies zugehen konnte, glauben wir im historischen Teil von der psychischen und ethischen Seite unter der Rubrik: »Newtons Persönlichkeit« hinreichend entwickelt zu haben. Hier bleibt uns nichts übrig, als unsre polemische Pflicht abermals im besondern zu erfüllen