747.
Ehe wir nunmehr zu den sinnlich-sittlichen und daraus entspringenden ästhetischen Wirkungen der Farbe übergehen, ist es der Ort, auch von ihrem Verhältnisse zu dem Ton einiges zu sagen.
Dass ein gewisses Verhältnis der Farbe zum Ton stattfinde, hat man von jeher gefühlt, wie die öftern Vergleichungen, welche teils vorübergehend, teils umständlich genug angestellt worden, beweisen. Der Fehler, den man hiebei begangen, beruhet nur auf folgendem.
748.
Vergleichen lassen sich Farbe und Ton untereinander auf keine Weise, aber beide lassen sich auf eine höhere Formel beziehen, aus einer höhern Formel beide, jedoch jedes für sich, ableiten. Wie zwei Flüsse, die auf einem Berge entspringen, aber unter ganz verschiedenen Bedingungen in zwei ganz entgegengesetzte Weltgegenden laufen, so dass auf dem beiderseitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der andern verglichen werden kann, so sind auch Farbe und Ton. Beide sind allgemeine elementare Wirkungen nach dem allgemeinen Gesetz des Trennens und Zusammenstrebens, des Auf- und Abschwankens, des Hin- und Wiederwägens wirkend, doch nach ganz verschiedenen Seiten, auf verschiedene Weise, auf verschiedene Zwischenelemente, für verschiedene Sinne.
749.
Möchte jemand die Art und Weise, wie wir die Farbenlehre an die allgemeine Naturlehre angeknüpft, recht fassen und dasjenige, was uns entgangen und abgegangen, durch Glück und Genialität ersetzen, so würde die Tonlehre nach unserer Überzeugung an die allgemeine Physik vollkommen anzuschliessen sein, da sie jetzt innerhalb derselben gleichsam nur historisch abgesondert steht.
750.
Aber eben darin läge die grösste Schwierigkeit, die für uns gewordene positive, auf seltsamen empirischen, zufälligen, mathematischen, ästhetischen, genialischen Wegen entsprungene Musik zugunsten einer physikalischen Behandlung zu zerstören und in ihre ersten physischen Elemente aufzulösen. Vielleicht wäre auch hierzu auf dem Punkte, wo Wissenschaft und Kunst sich befinden, nach so manchen schönen Vorarbeiten Zeit und Gelegenheit.