XLVIII.
593.
Den Körpern werden auf mancherlei Weise die Farben entzogen, sie mögen dieselben von Natur besitzen, oder wir mögen ihnen solche mitgeteilt haben. Wir sind daher imstande, ihnen zu unserm Vorteil zweckmäßig die Farbe zu nehmen, aber sie entflieht auch oft zu unserm Nachteil gegen unsern Willen.
594.
Nicht allein die Grunderden sind in ihrem natürlichen Zustande weiß, sondern auch vegetabilische und animalische Stoffe können, ohne dass ihr Gewebe zerstört wird, in einen weißen Zustand versetzt werden. Da uns nun zu mancherlei Gebrauch ein reinliches Weiß höchst nötig und angenehm ist, wie wir uns besonders gern der leinenen und baumwollenen Zeuge ungefärbt bedienen, auch seidene Zeuge, das Papier und anderes uns desto angenehmer sind, je weißer sie gefunden werden; weil auch ferner, wie wir oben gesehen, das Hauptfundament der ganzen Färberei weiße Unterlagen sind, so hat sich die Technik, teils zufällig, teils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus diesen Stoffen so emsig geworfen, dass man hierüber unzählige Versuche gemacht und gar manches Bedeutende entdeckt hat.
595.
In dieser völligen Entziehung der Farbe liegt eigentlich die Beschäftigung der Bleichkunst, welche von mehreren empirischer oder methodischer abgehandelt worden. Wir geben die Hauptmomente hier nur kürzlich an.
596.
Das Licht wird als eines der ersten Mittel, die Farbe den Körpern zu entziehen, angesehen, und zwar nicht allein das Sonnenlicht, sondern das bloße gewaltlose Tageslicht. Denn wie beide Lichter, sowohl das direkte von der Sonne als auch das abgeleitete Himmelslicht, die Bononischen Phosphoren entzünden, so wirken auch beide Lichter auf gefärbte Flächen. Es sei nun, dass das Licht die ihm verwandte Farbe ergreife, sie, die so viel Flammenartiges hat, gleichsam entzünde, verbrenne und das an ihr Spezifizierte wieder in ein Allgemeines auflöse, oder dass eine andre uns unbekannte Operation geschehe, genug, das Licht übt eine große Gewalt gegen farbige Flächen aus und bleicht sie mehr oder weniger. Doch zeigen auch hier die verschiedenen Farben eine verschiedene Zerstörlichkeit und Dauer, wie denn das Gelbe, besonders das aus gewissen Stoffen bereitete hier zuerst davonfliegt.
597.
Aber nicht allein das Licht, sondern auch die Luft und besonders das Wasser wirken gewaltig auf die Entziehung der Farbe. Man will sogar bemerkt haben, dass wohl befeuchtete, bei Nacht auf dem Rasen ausgebreitete Garne besser bleichen als solche, welche, gleichfalls wohl befeuchtet, dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Und so mag sich denn freilich das Wasser auch hier als ein Auflösendes, Vermittelndes, das Zufällige Aufhebendes und das Besondre ins Allgemeine Zurückführendes beweisen.
598.
Durch Reagenzien wird auch eine solche Entziehung bewirkt. Der Weingeist hat eine besondre Neigung, dasjenige, was die Pflanzen färbt, an sich zu ziehen und sich damit, oft auf eine sehr beständige Weise, zu färben. Die Schwefelsäure zeigt sich, besonders gegen Wolle und Seide, als farbentziehend sehr wirksam; und wem ist nicht der Gebrauch des Schwefeldampfes da bekannt, wo man etwas Vergilbtes oder Beflecktes weiß herzustellen gedenkt.
599.
Die stärksten Säuren sind in der neuren Zeit als kürzere Bleichmittel angeraten worden.
600.
Ebenso wirken im Gegensinne die alkalischen Reagenzien, die Laugen an sich, die zu Seife mit Lauge verbundenen Öle und Fettigkeiten und so weiter, wie dieses alles in den ausdrücklich zu diesem Zwecke verfassten Schriften umständlich gefunden wird.
601.
Übrigens möchte es wohl der Mühe wert sein, gewisse zarte Versuche zu machen, inwiefern Licht und Luft auf das Entziehen der Farbe ihre Tätigkeit äußern. Man könnte vielleicht unter luftleeren, mit gemeiner Luft oder besondern Luftarten gefüllten Glocken solche Farbstoffe dem Licht aussetzen, deren Flüchtigkeit man kennt, und beobachten, ob sich nicht an das Glas wieder etwas von der verflüchtigten Farbe ansetzte oder sonst ein Niederschlag sich zeigte; und ob alsdann dieses Wiedererscheinende dem Unsichtbargewordnen völlig gleich sei oder ob es eine Veränderung erlitten habe. Geschickte Experimentatoren ersinnen sich hierzu wohl mancherlei Vorrichtungen.
602.
Wenn wir nun also zuerst die Naturwirkungen betrachtet haben, wie wir sie zu unsern Absichten anwenden, so ist noch einiges zu sagen von dem, wie sie feindlich gegen uns wirken.
603.
Die Malerei ist in dem Falle, dass sie die schönsten Arbeiten des Geistes und der Mühe durch die Zeit auf mancherlei Weise zerstört sieht. – Man hat daher sich immer viel Mühe gegeben, dauernde Pigmente zu finden und sie auf eine Weise unter sich sowie mit der Unterlage zu vereinigen, dass ihre Dauer dadurch noch mehr gesichert werde, wie uns hiervon die Technik der Malerschulen genugsam unterrichten kann.
604.
Auch ist hier der Platz, einer Halbkunst zu gedenken, welcher wir in Absicht auf Färberei sehr vieles schuldig sind, ich meine die Tapetenwirkerei. Indem man nämlich in den Fall kam, die zartesten Schattierungen der Gemälde nachzuahmen und daher die verschiedenst gefärbten Stoffe oft nebeneinander zu bringen, so bemerkte man bald, dass die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, sondern die eine eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen wurde. Es entsprang daher das eifrigste Bestreben, den sämtlichen Farben und Schattierungen eine gleiche Dauer zu versichern, welches besonders in Frankreich unter Colbert geschah, dessen Verfügungen über diesen Punkt in der Geschichte der Färbekunst Epoche machen. Die sogenannte Schönfärberei, welche sich nur zu einer vergänglichen Anmut verpflichtete, ward eine besondre Gilde; mit desto größerem Ernst hingegen suchte man diejenige Technik, welche für die Dauer stehen sollte, zu begründen. So wären wir, bei Betrachtung des Entziehens, der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit glänzender Farbenerscheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zurückgekehrt und hätten auch in diesem Sinne unsern Kreis abermals abgeschlossen.